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2. Prinzip des Guten [1/2/3]
Dies ist kurz die Manier (und die Philosophie) des Sokrates. Es scheint, als hätten wir noch nicht viel von der Sokratischen Philosophie dargelegt, indem wir uns nur an das Prinzip gehalten haben; dies ist aber die Hauptsache, daß das Bewußtsein des Sokrates selbst erst zu diesem Abstrakten gekommen ist. Das Gute ist das Allgemeine, es ist nicht mehr so abstrakt, es ist durch das Denken hervorgebracht; es ist nicht der νους des Anaxagoras, sondern das Allgemeine, welches sich selbst in sich selbst bestimmt, sich realisiert und realisiert werden soll, - das Gute als Zweck der Welt, des Individuums. Es ist ein in sich konkretes Prinzip, das aber in seiner konkreten Bestimmung noch nicht dargestellt ist; und in dieser abstrakten Haltung liegt der Mangel des Sokratischen Prinzips. Affirmatives läßt sich nicht angeben; denn es hat keine weitere Entwicklung.
a) Die erste Bestimmung in Rücksicht auf das Sokratische Prinzip ist die große Bestimmung, die jedoch nur formell ist, daß das Bewußtsein aus sich selbst das schöpfe, was das Wahre sei, und dies da her zu schöpfen habe. Dies ist das Prinzip der subjektiven Freiheit, daß man das Bewußtsein in sich selbst führt.
In dem Bewußtsein des Sokrates selbst war dies so, daß die anderen Wissenschaften dem Menschen zu nichts nützlich seien und er sich nur um das zu bekümmern habe, was seine moralische Natur wesentlich ist, um das Beste zu tun und das Wahrste zu wissen. Wir sehen ihn dies Allgemeine, dies Absolute im Bewußtsein aus jedem als sein unmittelbares Wesen finden lehren. Wir sehen hier im Sokrates das Gesetz, das Wahre und Gute, das vorher als ein Sein vorhanden war, ins Bewußtsein zurückkehren. Aber es ist nicht eine einzelne zufällige Erscheinung an diesem Individuum Sokrates; wir haben den Sokrates und seine Erscheinung zu begreifen. Im allgemeinen Bewußtsein, im Geiste des Volkes, dem er angehörte, sehen wir die Sittlichkeit in Moralität umschlagen und ihn an der Spitze als Bewußtsein dieser Veränderung stehen. Der Geist der Welt fängt hier eine Umkehr an, die er später vollständig ausgeführt hat. Von diesem höheren Standpunkt ist sowohl Sokrates als das athenische Volk und Sokrates in ihm zu betrachten. Es beginnt hier die Reflexion des Bewußtseins in sich selbst, das Wissen des Bewußtseins von sich als solchem, daß es das Wesen ist, - wenn man will, daß das Bewußtsein, daß Gott ein Geist ist und, wenn man will, in einer gröberen, sinnlicheren Form, daß Gott menschliche Gestalt anzieht. Diese Epoche beginnt da, wo das Wesen als ein Sein, es sei auch abstraktes Sein, gedachtes Sein wie bisher, aufgegeben wird. Diese Epoche überhaupt aber an einem sittlichen Volke in der höchsten Blüte erscheint als das drohende oder einbrechende, noch ungehinderte Verderben desselben. Denn seine Sittlichkeit bestand, wie die der alten Völker überhaupt, darin, daß das Sittliche als sittliche Natur, als vorhandenes Allgemeines war, ohne daß es die Form der Überzeugung des Individuums in seinem einzelnen Bewußtsein gehabt hätte, sondern die des unmittelbaren Absoluten. Es ist das geltende, vorhandene Gesetz, ohne Prüfung, Untersuchung; dies ist das Letzte, und bei sich dies sittliche Bewußtsein beruhigt. Das moralische Bewußtsein aber fragt: Ist dies auch wirklich an sich Gesetz? Es ist wohl Staatsgesetz, es gilt als Wille der Götter; so ist es das allgemeine Schicksal, es hat die Gestalt eines Seienden, alle anerkennen es dafür. Das in sich aber aus allem, was die Gestalt des Seienden hat, zurückgekehrte Bewußtsein fordert zu wissen, daß es auch in Wahrheit gesetzt sei, zu begreifen, - d. h. es fordert, sich als Bewußtsein darin zu finden. In dieser Rückkehr-in-sich sehen wir das athenische Volk begriffen; es ist die Ungewißheit über die seienden Gesetze als seiende eingetreten, ein Schwanken dessen, was als seiendes Recht galt, - die höchste Freiheit über alles Sein und Gelten. Diese Rückkehr-in-sich ist die höchste Blüte des griechischen Geistes, insofern sie nicht mehr ein Sein dieser Sitten, sondern ein lebendiges Bewußtsein derselben ist, das noch denselben Inhalt hat, aber als Geist frei in ihm sich bewegt, - eine Bildung, zu der wir die Lakedämonier nie kommen sehen. Die Sitten sind gleichsam ein freies Selbstgefühl dieser Sitten oder des Gottes, ein freudiger Genuß derselben, - höchste Lebendigkeit der Sittlichkeit. Unmittelbar ist dies Selbstgefühl Geist; es ist gleicher Wert und Rang des Bewußtseins und des Seins. Was ist, ist Bewußtsein, keines ist mächtig über das andere; Gelten der Gesetze ist nicht ein Joch für das Bewußtsein, ebenso ist alle Realität für dasselbe kein Widerstand, es seiner selbst gewiß. Aber diese Rückkehr ist jetzt auf dem Sprunge, diesen Inhalt zu verlassen und das, als abstraktes Bewußtsein ohne diesen Inhalt und ihm entgegen, als einem Sein, sich zu setzen. Aus diesem Gleichgewicht des Bewußtseins und des Seins tritt das Bewußtsein für sich als selbständig heraus; die Seite der Trennung ist selbständiges Begreifen; denn eben in jener Einheit und Gefühl seiner Selbständigkeit, was gelten will, anerkennt es nicht mehr unmittelbar, es muß sich ihm legitimieren, d. h. es will sich selbst darin begreifen. So ist diese Rückkehr das Isolieren des Einzelnen von dem Allgemeinen; es ist Verbrechen, es ist Sorge für sich auf Kosten des Staats (ob ich ewig selig oder verdammt sei; die philosophische Ewigkeit ist in der Zeit gegenwärtig: der wesentliche substantielle Mensch). Der Staat hat seine Kraft, welche in der Kontinuität des Allgemeinen bestand - ununterbrochen von den einzelnen Individuen, ein Geist, daß das einzelne Bewußtsein keinen anderen Inhalt und Wesen kennt als das Gesetz -, verloren. Thukydides sagt im Peloponnesischen Krieg, jeder meinte, es gehe da nicht gut, wo er nicht dabei sei. Die Sitten sind schwankend geworden, weil die Aussicht da ist, daß der Mensch sich seine besonderen Maximen schaffe, und das Individuum muß für sich, für seine Sittlichkeit sorgen, - d. h. es wird moralisch. Keine öffentlichen Sitten und Moralität, - dies tritt zugleich miteinander ein.
So sehen wir nun Sokrates mit dem Gefühl auftreten, daß in dieser Zeit jeder für seine Sittlichkeit selbst zu sorgen habe. So sorgte er für die seinige durch Bewußtsein und Reflexion über sich, - den allgemeinen Geist, als realen verschwunden, in seinem Bewußtsein zu suchen; so half er anderen für ihre Sittlichkeit sorgen, indem er dies Bewußtsein in ihnen erweckte, in ihren Gedanken das Gute und Wahre, d. h. das Ansichseiende des Handelns und des Wissens zu haben. Man hat es nicht mehr unmittelbar, wie Wasser in Gegenden und wie in Gegenden ein Schiff, wo man Provision davon machen muß. Das Unmittelbare gilt nicht mehr, muß sich rechtfertigen für den Gedanken. So begreifen wir die Eigentümlichkeit des Sokrates und seine Weise der Philosophie aus dem Ganzen, und wir begreifen auch sein Schicksal daraus.
Dies Zurückführen des Bewußtseins in sich erscheint (bei Platon sehr ausführlich) in der Form, daß der Mensch nichts lernen könne, auch nicht die Tugend, - nicht als der Wissenschaft nicht angehörig; sondern das Gute komme nicht von außen, zeigt Sokrates auf; es könne nicht gelehrt werden, sondern sei in der Natur des Geistes enthalten. Überhaupt könne der Mensch nicht etwas als ein von außen Gegebenes empfangen, passiv aufnehmen, wie Wachs die Form aufnimmt, sondern es liegt alles im Geiste des Menschen, und alles scheint er nur zu lernen. Es fängt zwar alles von außen an, aber dies ist nur der Anfang; das Wahre ist, daß es nur ein Anstoß ist für die Entwicklung des Geistes. Alles, was Wert für den Menschen hat, das Ewige, Anundfürsichseiende ist im Menschen selbst enthalten, aus ihm selbst zu entwickeln. Lernen heißt hier nur, Kenntnis von äußerlich Bestimmten erhalten. Dies Äußerliche kommt zwar durch die Erfahrung; aber das Allgemeine daran gehört dem Denken, nicht dem subjektiven, schlechten Denken an, sondern es ist wahrhaft Allgemeines. Das Allgemeine ist, beim Gegensatz des Subjektiven und Objektiven, das, was ebensosehr subjektiv als objektiv ist. Das Subjektive ist nur ein Besonderes; das Objektive ist ebenso auch nur ein Besonderes gegen das Subjektive; das Allgemeine ist die Einheit beider. Nach dem Sokratischen Prinzip gilt dem Menschen nichts, hat nichts Wahrheit für ihn, wo nicht der Geist das Zeugnis gibt. Der Mensch ist dann frei darin, ist bei sich; es ist die Subjektivität des Geistes. Wie es in der Bibel heißt, "Fleisch von meinem Fleisch, Bein von meinem Bein", so ist das, was mir gelten soll als Wahrheit, als Recht, Geist von meinem Geiste. Was der Geist so aus sich selbst schöpft, was ihm so gilt, muß aus ihm als dem Allgemeinen, als dem als Allgemeines tätigen Geiste sein, nicht seinen Leidenschaften, Interessen, Belieben, Willküren, Zwecken, Neigungen usf. Dies ist zwar auch ein Inneres, "von der Natur in uns gepflanzt", aber nur auf natürliche Weise unser eigenes. Es gehört dem Besonderen an; das Höhere darüber ist das wahrhafte Denken, der Begriff, das Vernünftige. Dem zufälligen partikulären Innern hat Sokrates jenes allgemeine, wahrhafte Innere des Gedankens entgegengesetzt. Und dieses eigene Gewissen erweckte Sokrates, indem er nicht bloß aussprach: Der Mensch ist das Maß aller Dinge, sondern: Der Mensch als denkend ist das Maß aller Dinge. Bei Platon werden wir späterhin die Form sehen, daß der Mensch sich nur dessen erinnere, was er aufzunehmen scheint.
Es ist nun die Frage, was das Gute sei. Sokrates hat die Bestimmung für das Gute nicht nach der natürlichen Seite aufgenommen; das Gute, was an und für sich Zweck ist, ist auch Prinzip der Naturphilosophie. Sokrates hat vornehmlich das Gute in Beziehung auf die Handlungen der Menschen oder auf den Endzweck der Welt überhaupt genommen. Die Bestimmung des Guten in dieser Rücksicht wird als Bestimmtheit in der Besonderheit erkannt, gewußt, in der empirischen Wissenschaft aufgenommen. Sokrates hat alle anderen philosophischen Wissenschaften verschmäht, für gering geachtet und häufig behauptet, daß es leere Kenntnisse seien, ohne Zweck für den Menschen; der Mensch müsse nur erkennen, was gut sei, nur das den Menschen Nützliche solle er aufsuchen, - eine Einseitigkeit, die für Sokrates ganz konsequent ist. Diese Religion sei nicht nur das Wesentliche, worauf man seinen Gedanken Richtung zu geben habe, sondern das Ausschließliche. Die Bestimmtheit in dieser Rücksicht hat Sokrates beim Guten ausgeschlossen; selbst in Beziehung auf die Handlungen der Menschen ist bei ihm das Gute noch unbestimmt geblieben, und die letzte Bestimmtheit (das Bestimmende) ist das, was wir Subjektivität überhaupt nennen können.
Wenn wir sagen, daß das Gute bestimmt werden soll, so hat dies zunächst den Sinn, daß erstens das Gute nur allgemeine Maxime ist (durch diese einfache Allgemeinheit tritt es selbst in den Gegensatz gegen das Sein der Realität, oder Individualität, Tätigkeit fehlt dem Guten), daß es aber zweitens nicht träge, nicht bloß Gedanke, sondern als Bestimmendes, Wirkliches, und so als Wirksames vorhanden sein soll. Dies ist es nur durch die Subjektivität, durch die Tätigkeit des Menschen. Daß das Gute ein Bestimmtes ist, heißt näher, daß es ein Wirkliches sei, - d. h. daß es verknüpft sei mit der Subjektivität, mit den Individuen; d. h. daß die Individuen gut sind, daß sie wissen, was das Gute ist, und dies Verhältnis nennen wir Moralität. Die Menschen sollen das Rechte wissen und es tun mit diesem Bewußtsein; dies ist Moralität und so unterschieden von der Sittlichkeit, die das Rechte unbewußt tut. Der sittliche (rechtschaffene) Mensch ist so, ohne daß er vorher Betrachtungen darüber anstellt, es ist sein Charakter, es ist bei ihm fest, was gut ist; sowie es dagegen auf das Bewußtsein ankommt, tritt die Wahl ein, ob ich gerade das Gute will oder nicht. Dies Bewußtsein der Moralität wird so leicht gefährlich, veranlaßt die Aufgeblasenheit des Individuums von diesem Dunste der Meinung von sich, die aus seinem Bewußtsein der Wahl hervorgeht: Ich bin der Herr, der Wähler des Guten; und darin liegt: Ich weiß, daß ich ein rechtschaffener Mann - vortrefflicher Mensch - bin. Durch die Willkür, mich für das Gute zu entscheiden, erhalte ich so das Bewußtsein von meiner Vortrefflichkeit; dieser Eigendünkel hängt nahe mit der Moralität zusammen. Bei Sokrates geht es noch nicht zu dieser Entgegenstellung des Guten und des Subjekts als Wählenden fort, sondern es handelt sich nur um die Bestimmung des Guten und Verknüpfung der Subjektivität damit, die als Individuum das beschließt, d. i. als Person, die wählen kann, sich mit dem inneren Allgemeinen verknüpft. Darin ist zweierlei: Das Wissen des Guten, und daß das Subjekt gut ist, daß dies sein Charakter, seine Gewohnheit (habitus) ist, - dies haben die Alten Tugend genannt, das Subjekt ist so.
Wir verstehen hieraus folgende Kritik, welche Aristoteles1) über die Bestimmung der Tugenden, das Prinzip bei Sokrates macht. Er sagt: "Sokrates hat besser von der Tugend gesprochen als Pythagoras, aber auch nicht ganz richtig, da er die Tugenden zu einem Wissen (εe̓πpισsτtήμαaς) machte. Dies ist nämlich unmöglich. Denn alles Wissen ist mit einem Grunde (λόγος) verbunden, der Grund aber ist nur im Denken; mithin setzt er alle Tugenden in die Einsicht (Erkenntnis). Es widerfährt ihm daher, daß er die alogische - empfindende -2) Seite der Seele aufhebt: nämlich die Leidenschaft (πpάϑος) und die Sitte (ἠϑος)", die doch auch zur Tugend gehören. Pathos ist hier nicht Leidenschaft, mehr Neigung, Wollen des Gemüts.
Dies ist eine gute Kritik. Wir sehen, daß dasjenige, was Aristoteles an der Bestimmung der Tugend bei Sokrates vermißt, die Seite der subjektiven Wirklichkeit - heutigentages Herz - ist: "Das Gute ist wesentlich nur ein Eingesehenes"; die Erkenntnis ist so das einzige Moment in der Tugend. Tugend ist, sich nach allgemeinen Zwecken bestimmen, nicht nach partikulären Zwecken. Aber die Tugend ist nicht nur diese Einsicht, dies Bewußtsein, sondern das eingesehene Gute und Wahre, daß es Tugend sei, fehlt ihm noch, daß auch der Mensch, das Herz, das Gemüt identisch damit sei, - das Moment, wir können entweder sagen des Seins oder der Realisierung überhaupt; und diese Seite des Seins ist das, was Aristoteles das Alogische nennt. Wenn das Gute diese Realität hat, als allgemeine Realität so ist es, als allgemeines Sein, Sitte; oder die Realität als einzelnes Bewußtsein, ist es Leidenschaft; denn Leidenschaft ist eben eine Bestimmtheit des subjektiven einzelnen Willens. Der Einsicht fehlt sozusagen die Substantialität oder die Materie. Es ist in der Bestimmung der Tugend eben dies ausgelassen, was in der Wirklichkeit, wie wir sahen, verschwunden, nämlich der reale Geist eines Volkes, woher die Rückkehr des Bewußtseins in sich; ebenso ist die Bestimmung nur das Subjektive der Einsicht, ohne die Realität als Sitte und, am Einzelnen, als Pathos. Das allgemeine Gute am Einzelnen als solchen ist Pathos, das Allgemeine, das ihn treibt. Doch eben, weil wir gewohnt sind, das Gute, die Tugend, praktische Vernunft und dergleichen auf die eine Seite zu stellen, so ist uns die andere Seite im Gegensatze gegen das Moralische eine ebenso abstrakte Sinnlichkeit, Neigung, Leidenschaft - und dies das Schlechte. Aber daß jenes Allgemeine eben Realität sei, muß es durch das Bewußtsein als einzelnes betätigt werden; und eben dieser Einzelheit gehört die Betätigung an. Ohne diesen Mißverstand drückten wir es Interesse aus, daß es für den Einzelnen als solchen ist. Die Leidenschaft (Liebe, Ehrgeiz, Ruhmsucht) ist das Allgemeine, wie es nicht in der Einsicht, sondern in der Tätigkeit ist, und wie das Allgemeine ist, als sich realisierend. - Doch gehört es nicht hierher, die ganze Menge der schiefen Vorstellungen und Gegensätze unserer Bildung zu entwirren.
Aristoteles sagt ferner3) , Sokrates habe einerseits ganz richtig geforscht, andererseits aber unrichtig. Daß die Tugend Wissenschaft sei, sei unwahr, aber daß sie nicht ohne Einsicht (ohne Wissen) sei, darin habe er recht; das Allgemeine des Zwecks gehöre dem Denken an. Er habe die Tugend zum Logos gemacht: "Wir aber sagen, sie ist mit dem Logos." Dies ist eine sehr richtige Bestimmung; es ist die eine Seite die, daß das Allgemeine mit dem Denken anfängt; aber zur Tugend als Charakter gehört, daß der Mensch es sei, dazu gehört Herz, Gemüt usf. Diese zwei Seiten: α) das Allgemeine, β) die betätigende Individualität, der reale Geist, sind es, die uns notwendig vorkommen müssen. Der letztere ist in eigener Form bei Sokrates, das erstere näher zu betrachten.
b) Das Allgemeine hat selbst eine positive und negative Seite an ihm. Daß die Realität der Sittlichkeit in dem Volksgeiste schwankend geworden, dies kam in Sokrates zum Bewußtsein; er steht darum so hoch, weil er eben das Bewußtsein dessen hatte, was war, er seine Zeit ausspricht. Er erhob in diesem Bewußtsein die Sittlichkeit zur Einsicht; aber dies Tun ist eben dies, es zum Bewußtsein zu bringen, daß Sitten, sittliche Gesetze in ihrer Bestimmtheit, in ihrer Unmittelbarkeit schwankend sind, - ist die Macht des Begriffs, welche dies unmittelbare Sein und Gelten derselben, die Heiligkeit ihres Ansichseins aufhebt. Wenn die Einsicht positiv dasselbe als Gesetz erkennt, was als Gesetz gilt (das Positive ist, doch zu den Gesetzen seine Zuflucht zu nehmen), so ist dies Geltende doch durch die negative Weise hindurchgegangen und hat nicht mehr die Form dieses absoluten Ansichseins (es ist noch nicht Platonische Republik). Wenn nämlich also dem Begriffe es sich aufgelöst hat, daß die geltenden Gesetze in der Form, wie sie dem einsichtlosen Bewußtsein gelten, keine Wahrheit haben, sondern nicht diese allgemeinen sind, wie sie eine Bestimmtheit haben (nicht dies Gute und jenes Rechte, sondern das rein an sich Allgemeine, das absolute Gute ist das Wahre), so sehen wir, dies ist leer, hat keine Realität. Wenn wir von dem an sich Guten und Schönen sprechen hören, wenn wir anders nicht in einem leeren Herumtreiben uns gefallen, so fordern wir, daß wieder herausgegangen werde zur Ausbreitung der Bestimmung des Allgemeinen. Das zweite ist, daß, indem Sokrates bei der Unbestimmtheit des Guten bleibt, >>>
1) M: Magna Moralia I, 1
2) *wohl alogische; gleich nachher heißt es von Platon: διείλετο τη`ν ψυχη`ν εeἰς τtε τtὸ` λόγον ἔχον, ϰαὶ` εeἰς τtο` αλογον.
3) M: Ethica Nicomachea VI, 13
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