3. Thomas Hobbes
Die innerlichen staatsrechtlichen Verhältnisse hat besonders England ausgebildet, indem die eigentümliche Verfassung der Engländer zur Reflexion auf diesen Gegenstand geführt hat. Ausgezeichnet und berühmt wegen der Originalität der Ansichten ist Hobbesius, Erzieher des Grafen von Devonshire, geboren 1588 zu Malmesbury, gestorben 1679. Ein Zeitgenosse Cromwells, hatte er in den Ereignissen jener Zeit, in der englischen Revolution, die Veranlassung gefunden, über die Prinzipien des Staats und des Rechts nachzudenken; und er ist in der Tat auf eigenen Vorstellungen durchgedrungen. Er hat viel geschrieben und auch über die Philosophie überhaupt: Elemente der Philosophie. Der erste Teil, De corpore, ist 1655 zu London erschienen; in diesem ersten Teile handelt er zuerst von der Logik, zweitens von der philosophia prima, von der Ontologie, dann "Von dem Verhältnis der Bewegung und Größe", dann von der Physik usf. Der zweite Teil sollte De homine handeln und der dritte De cive. Er sagt in der Vorrede, daß in der Astronomie Kopernikus und in der Physik Galilei sich aufgetan haben; vorher sei nichts Sicheres in beiden Wissenschaften gewesen. Die Wissenschaft des menschlichen Körpers habe Harway, die allgemeine Physik und Astronomie Keppler gebildet. Dies gilt alles für Philosophie, nach dem Gesichtspunkt, der schon früher angegeben ist; der reflektierende Verstand will darin das Allgemeine erkennen. Er sagt ferner: Was die staatsrechtliche Philosophie (philosophia civilis) betreffe, so sei sie nicht älter als sein Buch De cive.1) Dies (Paris 1642) ist, wie auch sein Leviathan,[>] ein sehr verrufenes Werk; dieses letzte Buch war verboten und ist daher selten. Sie enthalten über die Natur der Gesellschaft und der Regierung gesündere Gedanken, als zum Teil noch im Umlauf sind. Gesellschaft, Staat ist ihm das absolut Höchste, das schlechthin Bestimmende über Gesetz und positive Religion und deren äußeres Verhalten; und indem er sie dem Staate unterwarf, so ist freilich seine Lehre verabscheut worden. Es ist aber eben nichts Spekulatives, eigentlich Philosophisches darin, - noch weniger in Hugo Grotius.
Vorher wurden Ideale aufgestellt, oder Schrift oder positives Recht; Hobbes hat den Staatsverband, die Natur der Staatsgewalt auf Prinzipien zurückzuführen versucht, die in uns selbst liegen, die wir als unsere eigenen anerkennen. Die entgegengesetzten Grundsätze sind: 1. passiver Gehorsam der Untertanen, göttliche Autorität des Regenten; sein Wille ist absolutes Gesetz. Dergleichen ist in engem Zusammenhang mit der Religion dargestellt, durch Beispiele aus dem Alten Testament: so Saul und David. Sie sind über alles sonstige Gesetz erhaben. 2. In der Bewegung, die Cromwell benutzte, entstand Fanatismus, der aus der Heiligen Schrift sich das Gegenteil entnahm: so Gleichheit des Eigentums usw. Kriminal-, Ehegesetze nahmen auch ihre Bestimmung lange aus dem mosaischen Rechte; es wurde aus Jenseitigem genommen, worin die Verhältnisse als durch ausdrücklichen göttlichen Befehl festgesetzt gegolten haben. Dagegen ist das Räsonnement aufgetreten, welches unsere eigenen Bestimmungen enthält; das nannte man die gesunde Vernunft. Hobbes hat auch den passiven Gehorsam, die absolute Willkür der königlichen Gewalt behauptet. Er hat es versucht, die Grundsätze der Staatsgewalt, der monarchischen Gewalt usf. aus allgemeinen Bestimmungen abzuleiten. Seine Ansichten sind seicht, empirisch; die Gründe und Sätze dafür sind origineller Art, sie sind aus dem natürlichen Bedürfnis genommen.
α) Er geht davon aus, daß der Naturzustand von dieser Art ist, daß alle den Trieb haben, einander zu beherrschen. Er behauptet: "Der Ursprung aller bürgerlichen Gesellschaft rührt aus der gegenseitigen Furcht aller her"; dies ist so eine Erscheinung im Bewußtsein. "Jede Gesellschaft wird um des eigenen Vorteils oder Ruhms willen geschlossen, aus Eigennutz"2) , - Sicherung des Lebens, Eigentums und Genusses; alles dieses ist nicht jenseits.
β) "Die Menschen haben, bei aller Ungleichheit der Stärke, doch auch eine natürliche Gleichheit"; dies beweist er aus einem eigentümlichen Grund, nämlich weil "jeder den anderen umbringen kann", jeder die letzte Gewalt über den anderen ist. "Jeder kann dies Größte."3) Ihre Gleichheit kommt so nicht von der größten Stärke, ist nicht wie in neuerer Zeit auf die Freiheit des Geistes, gleiche Würde, Selbständigkeit gegründet, sondern auf die gleiche Schwäche der Menschen; jeder ist ein Schwaches gegen den anderen.
γ) Ferner sagt er: "Den Willen, einander zu verletzen", Gewalt über die anderen Menschen auszuüben, "haben alle im natürlichen Zustande"; jeder hat sich so vor dem anderen zu fürchten. Er nimmt diesen Zustand in seinem wahrhaften Sinne, es ist nicht das leere Gerede von einem natürlich guten Zustand; es ist vielmehr der tierische Zustand, der des nicht gebrochenen eigenen Willens. Alle wollen also einander verletzen und "sich gegen die Anmaßungen der andern sichern, sich selbst Vorzüge und größere Rechte erwerben. Meinungen, Religionen, Begierden erregen Streit; der Stärkere trägt den Sieg davon".4)
δ) "Der Naturzustand ist damit ein Zustand des Mißtrauens aller gegen alle; es ist ein Krieg aller gegen alle (bellum omnium in omnes) vorhanden" und eine Sucht, einander zu übervorteilen. Der Ausdruck Natur hat diese Zweideutigkeit, daß Natur des Menschen seine Geistigkeit, Vernünftigkeit ist; sein Naturzustand ist aber der andere Zustand, daß der Mensch nach seiner Natürlichkeit sich benimmt. So benimmt er sich nach den Begierden, Neigungen usf.; das Vernünftige ist das Meisterwerden über das unmittelbar Natürliche. "Im Naturzustande verleiht eine gewisse unwiderstehliche Macht das Recht, die zu beherrschen, welche nicht widerstehen können; es ist ungereimt, denjenigen, den man in seiner Gewalt hat, frei und wieder stark werden zu lassen." Daraus zieht er nun die Folge, daß der Mensch herausgehen müsse aus dem Naturzustande (e tali statu exeundum).5) Dies ist richtig. Der natürliche Zustand ist nicht rechtlich, er muß abgestreift werden.
ε) Nun geht Hobbes zu den Gesetzen der Vernunft, welche den Frieden erhalten. Dieses Gesetz ist, den Privatwillen dem allgemeinen Willen zu unterwerfen; die natürlichen, besonderen Willen müssen unterworfen werden dem allgemeinen Willen, den Gesetzen der Vernunft. Dieser allgemeine Wille ist aber nicht der aller einzelnen, sondern der Wille des Regenten, der somit den einzelnen nicht verantwortlich, vielmehr gegen diesen Privatwillen gerichtet ist; ihm müssen alle gehorchen.6) So wird die Sache jetzt auf ganz andere Gesichtspunkte gestellt. So geht aus der ganz richtigen Ansicht, indem der allgemeine Wille verlegt wird in den Willen des Einen, des Monarchen, ein Zustand der absoluten Herrschaft, des vollkommenen Despotismus hervor. Der gesetzliche Zustand ist aber etwas anderes, als daß die Willkür Eines schlechthin Gesetz sein soll; dieser allgemeine Wille ist damit nicht Despotismus, sondern vernünftig, in Gesetzen ausgesprochen und in Konsequenzen bestimmt.
Rixner sagt7) : "Das Recht ist ihm nichts anderes als der Inbegriff der durch die eiserne Notwendigkeit der ursprünglichen Bösartigkeit der Menschen abgezwungenen Bedingungen der Pazifikation", - des belli omnium contra omnes. - Es ist wenigstens dies in Hobbes vorhanden, daß auf die Grundlage der menschlichen Natur, menschlicher Neigung usf. die Natur und der Organismus des Staats gesetzt werden soll. Die Engländer haben sich viel mit diesem Prinzip der passiven Obedienz herumgeschlagen, wonach gesagt wird, die Könige haben ihre Gewalt von Gott. Dies ist nach einer Seite ganz richtig; aber es wird so verstanden, daß sie keine Verantwortlichkeit haben, ihre blinde Willkür, ihr bloß subjektiver Wille das ist, dem gehorcht werden müsse.
1) Epistola dedicatoria ante Elementor. philos. Sectionem primam (Thomas Hobbes, Opera philosophica, quae latine scripsit omnia, Amsterdam 1668), p. 1-2
2) De cive, c. 1, § 2 (Opera philosophica), p. 3-4
3) De cive, c. 1, § 3, p. 4
4) De cive, c. 1, § 4-6, p. 4-5
5) De cive, c. 1, § 12-14, p. 6-8; Leviathan, c. 13, p. 63-66
6) De cive, c. 5, § 6-12, p. 37-38; c. 6, § 12-14, p. 44-46
7) Handbuch der Geschichte der Philosophie, Bd. III, S. 30
Leviathan
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