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A. Bestimmung der Geschichte der Philosophie
Über das Interesse dieser Geschichte können der Betrachtung vielerlei Seiten beigehen. Wenn wir es in seinem Mittelpunkt erfassen wollen, so haben wir ihn in dem wesentlichen Zusammenhang dieser scheinbaren Vergangenheit zu suchen mit der gegenwärtigen Stufe, welche die Philosophie erreicht hat. Daß dieser Zusammenhang nicht eine der äußerlichen Rücksichten ist, welche bei der Geschichte dieser Wissenschaft in Betrachtung genommen werden können, sondern vielmehr die innere Natur ihrer Bestimmung ausdrückt, daß die Begebenheiten dieser Geschichte zwar wie alle Begebenheiten sich in Wirkungen fortsetzen, aber auf eine eigentümliche Weise produktiv sind, dies ist es, was hier näher auseinandergesetzt werden soll.
Was die Geschichte der Philosophie uns darstellt, ist die Reihe der edlen Geister, die Galerie der Heroen der denkenden Vernunft, welche kraft dieser Vernunft in das Wesen der Dinge, der Natur und des Geistes, in das Wesen Gottes eingedrungen sind und uns den höchsten Schatz, den Schatz der Vernunfterkenntnis erarbeitet haben. Die Begebenheiten und Handlungen dieser Geschichte sind deswegen zugleich von der Art, daß in deren Inhalt und Gehalt nicht sowohl die Persönlichkeit und der individuelle Charakter eingeht - wie dagegen in der politischen Geschichte das Individuum nach der Besonderheit seines Naturells, Genies, seiner Leidenschaften, der Energie oder Schwäche seines Charakters, überhaupt nach dem, wodurch es dieses Individuum ist, das Subjekt der Taten und Begebenheiten ist -, als hier vielmehr die Hervorbringungen um so vortrefflicher sind, je weniger auf das besondere Individuum die Zurechnung und das Verdienst fällt, je mehr sie dagegen dem freien Denken, dem allgemeinen Charakter des Menschen als Menschen angehören, je mehr dies eigentümlichkeitslose Denken selbst das produzierende Subjekt ist.
Diese Taten des Denkens scheinen zunächst, als geschichtlich, eine Sache der Vergangenheit zu sein und jenseits unserer Wirklichkeit zu liegen. In der Tat aber, was wir sind, sind wir zugleich geschichtlich, oder genauer: wie in dem, was in dieser Region, der Geschichte des Denkens das Vergangene nur die eine Seite ist, so ist in dem, was wir sind, das gemeinschaftliche Unvergängliche unzertrennt mit dem, daß wir geschichtlich sind, verknüpft. Der Besitz an selbstbewußter Vernünftigkeit, welcher uns, der jetzigen Welt angehört, ist nicht unmittelbar entstanden und nur aus dem Boden der Gegenwart gewachsen, sondern es ist dies wesentlich in ihm, eine Erbschaft und näher das Resultat der Arbeit, und zwar der Arbeit aller vorhergegangenen Generationen des Menschengeschlechts zu sein. So gut als die Künste des äußerlichen Lebens, die Masse von Mitteln und Geschicklichkeiten, die Einrichtungen und Gewohnheiten des geselligen und des politischen Zusammenseins ein Resultat von dem Nachdenken, der Erfindung, den Bedürfnissen der Not und dem Unglück, dem Wollen und Vollbringen der unserer Gegenwart vorhergegangenen Geschichte sind, so ist das, was wir in der Wissenschaft und näher in der Philosophie sind, gleichfalls der Tradition zu verdanken, die hindurch durch alles, was vergänglich ist und was daher vergangen ist, sich als, wie sie Herder genannt hat, eine heilige Kette schlingt und was die Vorwelt vor sich gebracht hat, uns erhalten und überliefert hat.
Diese Tradition ist aber nicht nur eine Haushälterin, die nur Empfangenes treu verwahrt und es so den Nachkommen unverändert überliefert.1) Sie ist nicht ein unbewegtes Steinbild, sondern lebendig und schwillt als ein mächtiger Strom, der sich vergrößert, je weiter er von seinem Ursprunge aus vorgedrungen ist.
Der Inhalt dieser Tradition ist das, was die geistige Welt hervorgebracht hat, und der allgemeine Geist bleibt nicht stille stehen. Mit dem allgemeinen Geiste aber ist es wesentlich, mit dem wir es hier zu tun haben. Bei einer einzelnen Nation mag es wohl der Fall sein, daß ihre Bildung, Kunst, Wissenschaft, ihr geistiges Vermögen überhaupt statarisch wird, wie dies etwa bei den Chinesen z. B. der Fall zu sein scheint, die vor zweitausend Jahren in allem so weit mögen gewesen sein als jetzt. Der Geist der Welt aber versinkt nicht in diese gleichgültige Ruhe. Es beruht dies auf seinem einfachen Begriff. Sein Leben ist Tat. Die Tat hat einen vorhandenen Stoff zu ihrer Voraussetzung, auf welchen sie gerichtet ist und den sie nicht etwa bloß vermehrt, durch hinzugefügtes Material verbreitert, sondern wesentlich bearbeitet und umbildet. Dies Erben ist zugleich Empfangen und Antreten der Erbschaft; und zugleich wird sie zu einem Stoffe herabgesetzt, der vom Geiste metamorphosiert wird. Das Empfangene ist auf diese Weise verändert und bereichert worden und zugleich erhalten.
Dies ist ebenso unsere und jedes Zeitalters Stellung und Tätigkeit, die Wissenschaft, welche vorhanden ist, zu fassen und sich ihr anzubilden, und ebendarin sie weiterzubilden und auf einen höheren Standpunkt zu erheben. Indem wir sie uns zu eigen machen, machen wir aus ihr etwas Eigenes gegen das, was sie vorher war.
In dieser Natur des Produzierens, eine vorhandene geistige Welt zur Voraussetzung zu haben und sie in der Aneignung umzubilden, liegt es denn, daß unsere Philosophie wesentlich nur im Zusammenhange mit vorhergehender zur Existenz gekommen und daraus mit Notwendigkeit hervorgegangen ist; und der Verlauf der Geschichte ist es, welcher uns nicht das Werden fremder Dinge, sondern dies unser Werden, das Werden unserer Wissenschaft darstellt.
Von der Natur des hier angegebenen Verhältnisses hängen die Vorstellungen und Fragen ab, welche über die Bestimmung der Geschichte der Philosophie vorschweben können. Die Einsicht in dasselbe gibt zugleich den näheren Aufschluß über2) den subjektiven Zweck, durch das Studium der Geschichte dieser Wissenschaft in die Kenntnis dieser Wissenschaft selbst eingeleitet zu werden. Es liegen ferner die Bestimmungen für die Behandlungsweise dieser Geschichte in jenem Verhältnisse, dessen nähere Erörterung daher ein Hauptzweck dieser Einleitung sein soll. Es muß dazu freilich der Begriff dessen, was die Philosophie beabsichtigt, mitgenommen, ja vielmehr zugrunde gelegt werden; und da, wie schon erwähnt, die wissenschaftliche Auseinandersetzung dieses Begriffs hier nicht ihre Stelle finden kann, so kann auch die vorzunehmende Erörterung nur den Zweck haben, nicht die Natur dieses Werdens begreifend zu beweisen, sondern vielmehr es zur vorläufigen Vorstellung zu bringen.3)
Der Gedanke, der uns bei einer Geschichte der Philosophie zunächst entgegenkommen kann, ist, daß sogleich dieser Gegenstand selbst einen inneren Widerstreit enthalte. Denn die Philosophie beabsichtigt das zu erkennen, was unvergänglich, ewig, an und für sich ist; ihr Ziel ist die Wahrheit. Die Geschichte aber erzählt solches, was zu einer Zeit gewesen, zu einer anderen aber verschwunden und durch anderes verdrängt worden ist. Gehen wir davon aus, daß die Wahrheit ewig ist, so fällt sie nicht in die Sphäre des Vorübergehenden und hat keine Geschichte. Wenn sie aber eine Geschichte hat, und indem die Geschichte dies ist, uns nur eine Reihe vergangener Gestalten der Erkenntnis darzustellen, so ist in ihr die Wahrheit nicht zu finden; denn die Wahrheit ist nicht ein Vergangenes.
Man könnte sagen, dies allgemeine Räsonnement würde ebensogut nicht nur die anderen Wissenschaften, sondern auch die christliche Religion selbst treffen, und es widersprechend finden, daß es eine Geschichte dieser Religion und der anderen Wissenschaften geben solle; es wäre aber überflüssig, dies Räsonnement für sich selbst weiter zu untersuchen, denn es sei schon durch die Tatsachen, daß es solche Geschichten gebe, unmittelbar widerlegt. Es muß aber, um dem Sinne jenes Widerstreits näherzukommen, ein Unterschied gemacht werden zwischen der Geschichte der äußeren Schicksale einer Religion oder einer Wissenschaft und der Geschichte eines solchen Gegenstands selbst. Und dann ist in Betracht zu nehmen, daß es mit der Geschichte der Philosophie um der besonderen Natur ihres Gegenstandes willen eine andere Bewandtnis hat als mit den Geschichten anderer Gebiete. Es erhellt sogleich, daß der angegebene Widerstreit nicht jene äußere Geschichte, sondern nur die innere, die des Inhaltes selbst treffen könnte. Das Christentum hat eine Geschichte seiner Ausbreitung, der Schicksale seiner Bekenner usf.; und indem es seine Existenz zu einer Kirche erbaut hat, so ist die selbst eine solche äußeres Dasein, welches in den mannigfaltigsten zeitlichen Berührungen begriffen, mannigfaltige Schicksale und wesentlich eine Geschichte hat. Was aber die christliche Lehre selbst betrifft, 18/25 so ist zwar auch diese als solche nicht ohne Geschichte; aber sie hat notwendig bald ihre Entwicklung erreicht und ihre bestimmte Fassung gewonnen, und dies alte Glaubensbekenntnis hat zu jeder Zeit gegolten und soll noch jetzt unverändert als die Wahrheit gelten, wenn dies Gelten nunmehr nichts als ein Schein und die Worte eine leere Formel der Lippen wäre. Der weitere Umfang der Geschichte dieser Lehre aber enthält nur zweierlei: einerseits die mannigfaltigsten Zusätze und Abirrungen von jener festen Wahrheit und andererseits die Bekämpfung dieser Verirrungen und die Reinigung der gebliebenen Grundlage von den Zusätzen und die Rückkehr zu ihrer Einfachheit.
Eine äußerliche Geschichte wie die Religion haben auch die anderen Wissenschaften, ingleichen die Philosophie. Sie hat eine Geschichte ihres Entstehens, Verbreitens, Blühens, Verkommens, Wiederauflebens, eine Geschichte ihrer Lehrer, Beförderer, auch Bekämpfer, ingleichen auch eines äußeren Verhältnisses häufiger zur Religion, zuweilen auch zum Staate. Diese Seite ihrer Geschichte gibt gleichfalls zu interessanten Fragen Veranlassung, unter anderen , was es mit der Erscheinung für eine Bewandtnis habe, daß die Philosophie, wenn sie die Lehre der absoluten Wahrheit, sich auf eine im ganzen geringe Anzahl von Individuen, auf besondere Völker, auf besondere Zeitperioden beschränkt gezeigt habe; wie gleicher Weise in Ansehung des Christentums der Wahrheit in einer viel allgemeineren Gestalt, als sie in der philosophischen Gestalt ist, die Schwierigkeit gemacht worden ist, ob es nicht einen Widerspruch in sich enthalte, daß diese Religion so spät in der Zeit hervorgetreten und so lange und selbst noch gegenwärtig auf besondere Völker eingeschränkt geblieben sei. Diese und andere dergleichen Fragen aber sind bereits viel speziellere, als daß sie nur von dem angeregten allgemeineren Widerstreit abhängen; und erst wenn wir von der eigentümlichen Natur der philosophischen Erkenntnis mehr werden berührt haben, können wir auf die Seiten mehr eingehen, die sich mehr auf die äußere Existenz und äußere Geschichte der Philosophie beziehen.
Was aber die Vergleichung der Geschichte der Religion mit der Geschichte der Philosophie in Ansehung des inneren Inhaltes betrifft, so wird der letzteren nicht wie der Religion eine von Anfang an festbestimmte Wahrheit als Inhalt zugestanden, der als unveränderlich der Geschichte entnommen wäre. Der Inhalt des Christentums aber, der die Wahrheit ist, ist als solcher unverändert geblieben und hat darum keine oder so gut als keine Geschichte weiter.4) Bei der Religion fällt daher der berührte Widerstreit nach der Grundbestimmung, wodurch sie Christentum ist, hinweg. Die Verirrungen aber und Zusätze machen keine Schwierigkeit; sie sind ein Veränderliches und ihrer Natur nach ganz ein Geschichtliches.
Die anderen Wissenschaften zwar haben auch dem Inhalte nach eine Geschichte. Sie enthält zwar auch einen Teil, welcher Veränderungen desselben, Aufgeben von Sätzen, die früher gegolten haben, zeigt. Allein ein großer, vielleicht der größere Teil des Inhalts ist von der Art, daß er sich erhalten hat; und das Neue, was entstanden ist, ist nicht eine Veränderung des früheren Gewinns, sondern ein Zusatz und Vermehrung desselben. Diese Wissenschaften schreiten durch eine Juxtaposition fort. Es berichtigt sich wohl manches im Fortschritte der Mineralogie, Botanik usf. an dem Vorhergehenden; aber der allergrößte Teil bleibt bestehen und bereichert sich ohne Veränderung durch das Neuhinzukommende. Bei einer Wissenschaft wie der Mathematik hat die Geschichte, was den Inhalt betrifft, vornehmlich nur das erfreuliche Geschäft, Erweiterungen zu erzählen, und die Elementargeometrie z. B. kann in dem Umfang, welchen Euklid dargestellt hat, von da an als für geschichtslos geworden angesehen werden.
Die Geschichte der Philosophie dagegen zeigt weder das Verharren eines zusatzlosen, einfacheren Inhalts noch nur den Verlauf eines ruhigen Ansetzens neuer Schätze an die bereits erworbenen; sondern sie scheint vielmehr das Schauspiel nur immer sich erneuernder Veränderungen des Ganzen zu geben, welche zuletzt auch nicht mehr das bloße Ziel zum gemeinsamen Bande haben. Vielmehr ist es der abstrakte Gegenstand selbst, die vernünftige Erkenntnis, welche entschwindet, und der Bau der Wissenschaft muß zuletzt mit der leeren Stätte die Prätention und den eitel gewordenen Namen der Philosophie teilen.5)
1) Michelet fügt hinzu: "wie der Lauf der Natur in der unendlichen Veränderung und Regsamkeit ihrer Gestaltungen und Formen nur immer bei den ursprünglichen Gesetzen stehenblieb und keinen Fortschritt macht."
2) *[eingeklammert:] das, was von dieser Geschichte auch insbesondere für die Kenntnis der Philosophie zu erwarten ist, sowie
3) Michelet fügt aus Berliner Vorlesungen ein: "Es ist nicht bloß ein untätiges Hervorgehen, wie wir uns unter dem Hervorgehen z. B. der Sonne, des Monds usf. vorstellen, - ein bloßes Bewegen in dem widerstandslosen Medium des Raums und der Zeit. Sondern was vor unserer Vorstellung vorübergehen soll, sind die Taten des freien Gedankens; es ist die Geschichte der Gedankenwelt, der intellektuellen Welt, wie sie entstanden ist, sich hervorgebracht hat. Es ist ein altes Vorurteil, daß das, wodurch sich der Mensch von dem Tiere unterscheidet, das Denken ist; wir wollen dabei bleiben. Was der Mensch Edleres hat, als ein Tier zu sein, hat er hiernach durch den Gedanken. Alles was menschlich ist, es mag aussehen, wie es will, ist nur dadurch menschlich, daß der Gedanke darin wirkt und gewirkt hat. Aber der Gedanke, obgleich er so das Wesentliche, Substantielle, Wirksame ist, so hat er es doch mit vielerlei zu tun. Näher aber muß für das Vortrefflichste das zu achten sein, wo der Gedanke nicht anderes betreibt und sich damit beschäftigt, sondern wo er, nur mit sich selbst - eben dem Edelsten - beschäftigt, sich selber gesucht und erfunden hat. Die Geschichte, die wir vor uns haben, ist die Geschichte von dem Sich-selbst-Finden des Gedankens, und bei dem Gedanken ist es der Fall, daß er sich nur findet, indem er sich hervorbringt, ja, daß er nur existiert und wirklich ist, indem er sich findet. Diese Hervorbringungen sind die Philosophien. Und die Reihe dieser Hervorbringungen, diese Entdeckungen, auf die der Gedanke ausgeht, sich selbst zu entdecken, ist eine Arbeit von dritthalbtausend Jahren. Der Gedanke, der wesentlich Gedanke ist, ist an und für sich, ist ewig. Das, was wahrhaft ist, ist nur im Gedanken enthalten, ist wahr nicht nur heute und morgen, sondern außer aller Zeit; und insofern es in der Zeit ist, ist es immer und zu jeder Zeit wahr. Wie kommt nun die Gedankenwelt dazu, eine Geschichte zu haben? In der Geschichte wird das dargestellt, was veränderlich ist, was vergangen ist, untergegangen ist in die Nacht der Vergangenheit, was nicht mehr ist. Der wahrhafte, notwendige Gedanke - und nur mit solchem haben wir es hier zu tun -, ist aber keiner Veränderung fähig. Die Frage, was es hiermit für eine Bewandtnis habe, gekört zum ersten, was wir betrachten wollen. Zweitens müssen uns aber sogleich außer der Philosophie noch eine Menge der wichtigsten Hervorbringungen einfallen, die gleichfalls Werke des Gedankens sind und die wir doch von unserer Betrachtung ausschließen. Solche Werke sind Religion, politische Geschichte, Staatsverfassungen, Künste und Wissenschaften. Es fragt sich: wie unterscheiden sich diese Werke von denen, die unser Gegenstand sind, und zugleich: wie verhalten sie sich in der Geschichte zueinander. Über diese beiden Gesichtspunkte ist das Dienliche anzuführen, um uns zu orientieren, in welchem Sinne die Geschichte der Philosophie hier vorgetragen wird. Außerdem muß man drittens erst eine allgemeine Übersicht haben, ehe man ans Einzelne geht, sonst sieht man vor lauter Einzelheiten nicht das Ganze, vor lauter Bäumen nicht den Wald, vor lauter Philosophien nicht die Philosophie. Man will die Beziehung der einzelnen Philosophien auf das Allgemeine haben. Der Geist erfordert, daß er eine allgemeine Vorstellung von dem Zweck, der Bestimmung des Ganzen bekomme, damit man wisse, was man zu erwarten hat. Man will die Landschaft im allgemeinen überschauen, die man dann aus dem Auge verliert, wenn man den Gang in die einzelnen Teile antritt. Die einzelnen Teile haben in der Tat ihren vorzüglichen Wert durch ihre Beziehung auf das Ganze. Nirgend ist dies mehr der Fall als bei der Philosophie und dann bei der Geschichte derselben. Bei einer Geschichte zwar scheint dies Festsetzen des Allgemeinen etwa weniger nötig zu sein als bei einer eigentlichen Wissenschaft. Denn Geschichte erscheint zunächst als eine Reihe von zufälligen Begebenheiten nacheinander. Jedes Faktum steht isoliert für sich; nur der Zeit nach wird der Zusammenhang aufgezeigt. Aber schon in der politischen Geschichte sind wir damit nicht zufrieden. Wir ahnen, erkennen darin notwendigen Zusammenhang, in welchem die einzelnen Begebenheiten ihre besondere Stellung und Verhältnis zu einem Ziele, Zwecke, und damit eine Bedeutung gewinnen. Denn das Bedeutende in der Geschichte ist seine Beziehung, Zusammenhang mit einem Allgemeinen. Dies Allgemeine vor Augen bekommen, heißt dann seine Bedeutung fassen. Es sind darum folgende Punkte, über welche ich allein eine Einleitung voranschicken will. Das Erste wird sein ..."
4) *[am Rand:] S. Marheineke, Lehrbuch des christlichen Glaubens und Lebens, Berlin 1823, § 133, 4
5) Hier endet das Manuskript der Heidelberger Antrittsvorlesung.
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