b. Abscheiden des Orients und seiner Philosophie
Über die erste Gestalt sind einige Erläuterungen zu geben. Der Geist ist Bewußtsein, Wollendes, Begehrendes. Steht das Selbstbewußtsein auf dieser ersten Stufe, so ist der Kreis seines Vorstellens, Wollens ein endlicher. Da hier also die Intelligenz endlich ist, so ist jene Einheit des Geistes und der Natur nicht der vollkommene Zustand. Die Zwecke sind noch nicht ein Allgemeines für sich. Will ich das Recht, das Sittliche, so will ich ein Allgemeines; der Charakter des Allgemeinen muß zugrunde liegen. Hat ein Volk Gesetze des Rechts, so ist das Allgemeine Gegenstand; dies setzt Erstarken des Geistes voraus. Will der Wille Allgemeines, so fängt er an, frei zu sein. Das allgemeine Wollen enthält Beziehungen des Denkens auf das Denken (das Allgemeine); so ist das Denken bei sich selbst. Das Volk will die Freiheit, es ordnet seine Begierden dem Gesetze unter; vorher ist das Gewollte nur ein Besonderes. Die Endlichkeit des Willens ist Charakter der Orientalen; der Wille will sich also als endlicher, hat sich noch nicht als allgemeiner gefaßt. So gibt es nur Stand des Herrn und Knechts, es ist Sphäre des Despotismus. Die Furcht ist die regierende Kategorie überhaupt. Der Wille ist nicht frei von diesem Endlichen, denn das Denken ist noch nicht frei für sich; er kann also an diesem Endlichen gefaßt werden, das Endliche kann negativ gesetzt werden. Dieses Gefühl der Negation - daß etwas nicht aushalten könne - ist die Furcht; die Freiheit ist, nicht im Endlichen zu sein, sondern im Fürsichsein; dieses kann nicht angegriffen werden. Der Mensch steht in der Furcht, oder er beherrscht die Menschen durch die Furcht; beide stehen auf einer Stufe. Der Unterschied ist nur die größere Energie des Willens, die dahin gehen kann, alles Endliche für einen besonderen Zweck aufzuopfern.
Die Religion hat notwendig denselben Charakter; das Hauptmoment ist die Furcht des Herrn, über die nicht hinausgegangen. "Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit".48) Das ist richtig; der Mensch muß damit angefangen haben, - die endlichen Zwecke in der Bestimmung des Negativen gewußt haben. Der Mensch muß aber die Furcht überwunden haben durch Aufgebung der endlichen Zwecke. Insofern die Religion Befriedigung gewährt, ist diese selbst im Endlichen befangen. Die Hauptweise der Versöhnung sind Naturgestaltungen, die personifiziert und verehrt werden. Über den Naturinhalt erhebt sich das Bewußtsein zu einem Unendlichen; die Hauptbestimmung ist dann die Furcht vor der Macht, gegen die sich das Individuum nur als Akzidentelles weiß. Diese Abhängigkeit kann zwei Gestalten annehmen, ja muß von einem Extrem zum anderen übergehen. Dieses Endliche, welches für das Bewußtsein ist, kann die Gestalt haben des Endlichen als Endlichen oder zum Unendlichen werden, welches aber nur ein Abstraktum ist. Von der Passivität des Willens, Sklaverei wird so (im Praktischen) zur Energie des Willens übergegangen, die aber nur Willkür ist. Ebenso finden wir in der Religion das Versinken in die tiefste Sinnlichkeit selbst als Gottesdienst und dann die Flucht zur leersten Abstraktion als dem Unendlichen. Die Erhabenheit, allem zu entsagen, kommt bei den Orientalen vor, vorzüglich bei den Indern; sie peinigen sich, gehen in die innerste Abstraktion über. So sehen Inder zehn Jahre lang die Spitze ihrer Nase an, werden von den Umstehenden genährt, sind ohne weiteren geistigen Inhalt; sie sind nur die wissende Abstraktion, deren Inhalt somit ein ganz endlicher ist. Dies ist also nicht der Boden der Freiheit. Der Despot vollführt seine Einfälle, auch wohl das Gute, aber nicht als Gesetz, sondern als seine Willkür.
Der Geist geht wohl im Orient auf, aber das Verhältnis ist noch ein solches, daß das Subjekt nicht als Person ist, sondern im objektiven Substantiellen (welches teils übersinnlich, teils auch wohl mehr materiell vorgestellt wird) als negativ und untergehend erscheint. Das Höchste, zu dem die Individualität kommen kann, die ewige Seligkeit, wird vorgestellt als ein Versenktsein in die Substanz, ein Vergehen des Bewußtseins und so des Unterschiedes zwischen Substanz und Individualität, mithin Vernichtung. Es findet mithin ein geistloses Verhältnis statt, insofern das Höchste des Verhältnisses die Bewußtlosigkeit ist. Gegen diese Substanz nun existiert der Mensch, findet sich als Individuum, - die Substanz ist aber das Allgemeine, das Individuum das Einzelne; insofern daher der Mensch jene Seligkeit nicht erlangt hat, von der Substanz verschieden ist, ist er aus der Einheit heraus, hat keinen Wert, ist nur als das Akzidentelle, Rechtlose, nur Endliche. Er findet sich als durch die Natur bestimmt, z. B. in den Kasten; der Wille ist hier nicht substantieller Wille, er ist Willkür, der äußeren und inneren Zufälligkeit hingegeben, - das Affirmative ist nur die Substanz.
Es ist damit Edelmut, Größe, Erhabenheit des Charakters zwar nicht ausgeschlossen, aber nur als Naturbestimmtheit oder Willkür vorhanden, nicht als die objektiven Bestimmungen der Sittlichkeit, Gesetzlichkeit, die von allen zu respektieren sind, für alle gelten und worin eben damit alle anerkannt sind. Das orientalische Subjekt hat so den Vorzug der Unabhängigkeit. Nichts ist fest. So unbestimmt die Substanz der Orientalen ist, so unbestimmt, frei, unabhängig kann auch der Charakter sein. Was für uns Rechtlichkeit, Sittlichkeit, ist dort im Staate auch - auf substantielle, natürliche, patriarchalische Weise, nicht in subjektiver Freiheit. Es existiert nicht das Gewissen, nicht die Moral; es ist nur Naturordnung, die mit dem Schlechtesten auch den höchsten Adel bestehen läßt.
Die Folge davon ist, daß hier kein philosophisches Erkennen stattfinden kann. Dazu gehört das Wissen von der Substanz, dem Allgemeinen, das gegenständlich ist, das, sofern ich es denke und entwickle, gegenständlich für sich bleibt; so daß in dem Substantiellen ich zugleich meine Bestimmung habe, darin affirmativ erhalten bin; so daß es nicht nur meine subjektiven Bestimmungen, Gedanken (mithin Meinungen) sind, sondern daß ebenso, als es meine Gedanken sind, es Gedanken des Objektiven, substantielle Gedanken sind.
Das Orientalische ist so aus der Geschichte der Philosophie auszuschließen; im ganzen aber will ich doch davon einige Notizen geben, besonders über das Indische und Chinesische. Ich habe dies sonst übergangen; denn man ist erst seit einiger Zeit in den Stand gesetzt, darüber zu urteilen. Man hat früher großes Aufsehen von der indischen Weisheit gemacht, ohne zu wissen, was daran ist; erst jetzt weiß man dies, und es fällt natürlich dem allgemeinen Charakter gemäß aus.
48) Psalm 111, 10
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