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Manfred Herok  2014

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5. Petrus Ramus

Thomas Campanella und andere waren Aristoteliker. - Pierre de la Raméewar ausgezeichnet, lebte in Paris; geboren 1515 zu Vermandois, wo sein Vater als ein Tagelöhner lebte. Er begab sich früh nach Paris, um seine Lernbegierde zu befriedigen, mußte es ein paar Mal wieder verlassen aus Mangel an Unterhalt, dann wurde er Famulus im Collège de Navarre. Hier erhielt er Gelegenheit, seine Kenntnisse zu erweitern, beschäftigte sich mit aristotelischer Philosophie und Mathematik und erwarb sich eine außerordentliche oratorische und dialektische Fertigkeit. Er trat öffentlich mit einer Thesis auf, die viel Aufsehen machte: Alles, was Aristoteles gelehrt habe, sei nicht wahr, - bei einer Disputation zur Erlangung der Magisterwürde; die Disputation fiel zu seiner Ehre aus.

Er wurde Magister, griff jetzt die aristotelische Logik und Dialektik bitter und heftig an. Die Regierung nahm Notiz davon. Er wurde beschuldigt, daß er durch seine anti-aristotelischen Meinungen die Fundamente der Religion und Wissenschaft untergrabe; diese Beschuldigung wurde als ein Kriminalfall von Ramus' Feinden vor das Parlament von Paris gebracht. Da dieses aber Miene machte, rechtlich zu verfahren, und dem Ramus günstig schien, so wurde ihm das Erkenntnis wieder entzogen und die Sache vor das Konseil des Königs gebracht. Dieses entschied, Ramus sollte mit Goveanus, seinem Gegner, vor einer eigenen Kommission von fünf Richtern (zwei sollte Goveanus, zwei Ramus und der König den Präsidenten wählen) disputieren und diese ein Gutachten an den König stellen.
Die Aufmerksamkeit des Publikums war höchst gespannt. (Es nahm überhaupt sehr lebhaftes Interesse an dergleichen Streitigkeiten. Überhaupt hat es eine Menge Streitigkeiten dieser Art über dergleichen Schulfragen gegeben. Z. B. die königlichen Professoren - professores regii - an einem Collège hatten mit den Theologen der Sorbonne einen Streit, ob man quidam, quisquis, quoniam oder kidam aussprechen solle: dafür war ein Prozeß vor dem Parlament. Die Doktoren hatten einem Geistlichen, der quisquis aussprach, seine Pfründe genommen; und darüber entstand der Prozeß. Auch ein anderer hartnäckiger und hitziger Streit kam an die Obrigkeit, ob ego amat ebenso richtig sei als ego amo, und mußte von der Obrigkeit unterdrückt werden.) Der Streit war höchst pedantisch. Am ersten Tage behauptete Ramus, die aristotelische Logik (Dialektik) sei unvollkommen, mangelhaft, weil das Organon nicht mit einer Definition anfange. Die Kommission entschied: Ein Disput, eine Dissertation bedürfe zwar einer Definition, bei Dialektik sei es aber nicht nötig. Am zweiten Tage warf Ramus der aristotelischen Logik den Mangel der Einteilung vor; diese sei nötig. Die Majorität der Richter wollte die bisherige Untersuchung annullieren und auf andere Weise zu Werke gehen, weil sie in Verlegenheit hierüber war; die Majorität war 3, der Kommissar des Königs und die zwei des Gegners Goveanus. Ramus protestierte, appellierte an den König. Der König wies ihn ab, entschied, der Ausspruch der Richter sollte als in letzter Instanz gelten. Sie sprachen gegen Ramus, er wurde verurteilt; die zwei anderen nahmen keinen Anteil, sondern zogen sich zurück. Das Urteil wurde öffentlich in allen Straßen von Paris angeschlagen und an alle Akademien durch ganz Europa verschickt. Theaterstücke wurden auf Ramus mit großem Beifall der Aristoteliker aufgeführt.8)

Zuletzt kam er doch noch zu einem öffentlichen Lehramt, wurde Professor in Paris, mußte es aber, da er Hugenotte wurde, bei den innerlichen Unruhen mehrmals verlassen; einmal reiste er auch in Deutschland herum. Endlich in der Bartholomäusnacht fiel auch Ramus 1572, durch die Hand seiner Feinde ermordet; einer seiner Kollegen und wütendsten Feinde, Carpentarius, hatte Banditen dafür bestellt, von denen er schrecklich mißhandelt aus dem oberen Fenster gestürzt wurde.9) - Er erweckte ein lebhaftes Interesse durch seine Angriffe insbesondere auf die bisherige aristotelische Dialektik und trug zur Vereinfachung des Formalismus der dialektischen Regeln sehr viel bei und ist besonders dadurch bekannt, daß er die scholastische Logik aufs Äußerste verfolgt und im Gegensatze die Ramische Logik aufgestellt hat, - ein Gegensatz, der so weit durchgedrungen ist, daß selbst in Deutschlands Literaturgeschichte die Parteien der Ramisten, Antiramisten und Semiramisten genannt werden. Er war besonders im Disputieren berühmt. 

Noch viele andere merkwürdige Männer fallen in diese Zeit, die auch in der Geschichte der Philosophie aufgeführt zu werden pflegen, als Michael de Montaigne, Charron, Machiavell usf. Dergleichen Männer werden genannt; aber sie gehören nicht eigentlich der Philosophie, sondern der allgemeinen Bildung an. Insofern wird ihr Bemühen, ihre Schriften dann der Philosophie beigezählt, als solche Männer aus sich selbst, aus ihrem Bewußtsein, ihrer Erfahrung, Beobachtung, ihrem Leben geschöpft haben. Ein solches Räsonnement, Erkennen ist dem bisherigen scholastischen Erkennen gerade entgegengesetzt. Es finden sich bei ihnen gute, feine, geistreiche Gedanken über sich, über das menschliche Leben, die gesellschaftlichen Verhältnisse, über das Rechte, Gute; es ist eine Lebensphilosophie aus dem Kreise der menschlichen Erfahrung, wie es in der Welt, im Herzen, im Geiste des Menschen zugeht. Solche Erfahrungen haben sie aufgefaßt und mitgeteilt; sie sind so teils unterhaltend, teils lehrreich, und sie sind dem Prinzipe nach, woraus sie geschöpft haben, ganz abgewichen von den Quellen und Methoden der bisherigen Weise des Erkennens. Aber indem sie nicht die höchste Frage, die die Philosophie interessiert, zum Gegenstand ihrer Untersuchungen machen und nicht aus dem Gedanken räsonieren, so gehören sie nicht eigentlich der Geschichte der Philosophie an. Sie haben dazu beigetragen, daß der Mensch an dem Seinigen, seiner Erfahrung, seinem Bewußtsein usf. ein größeres Interesse gewonnen hat, daß er ein Zutrauen zu sich erhalten hat, daß es ihm wert ist und gilt; und dies ist ihr Hauptverdienst.

Hier ist nun aber ein Übergang zu erwähnen, der uns angeht des allgemeinen Prinzips wegen, das darin höher erkannt und in seiner Berechtigung erkannt ist.

 

7) Buhle, Geschichte der neueren Philosophie, Bd. II, S. 670-672; Brucker IV, 548-550

8) Buhle, Geschichte der neueren Philosophie, Bd. II, S. 672-676; Brucker IV, 550-557

9) Buhle, Geschichte der neueren Philosophie, Bd. II, S. 676-680; Brucker IV, 558-562

 

ZWEITER TEIL - PHILOSOPHIE DES MITTELALTERS  >
Einleitung

Erster Abschnitt: Arabische Philosophie  >

A. Philosophie der Medabberim  >

B. Kommentatoren des Aristoteles  >

C. Jüdische Philosophen. Moses Maimonides  >
 

Zweiter Abschnitt: Scholastische Philosophie  >

A. Verhältnis der scholastischen Philosophie zum Christentum  >

B. Allgemeine geschichtliche Gesichtspunkte  >

1. Bauen der Glaubenslehre auf metaphysische Gründe  > 
a. Anselmus /  >
b. Abaelard /  >
2. Methodische Darstellung des kirchlichen Lehrbegriffs  >
a. Petrus Lombardus /  >
b. Thomas von Aquino /  >
c. Johannes Duns Scotus /  >
3. Bekanntschaft mit den Aristotelischen Schriften  >
a. Alexander von Hales /  >
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4. Gegensatz von Realismus und Nominalismus   >
a. Roscelin /  >
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c. William Occam /  >
d. Buridan /  >
5. Formelle Dialektik  >
a. Julian, Erzbischof von Toledo /  >
b. Paschasius Radbertus /  >
6. Mystiker  >
a. Johann Charlier /  >
b. Raymund von Sabunde /  >
c. Roger Bacon /  >
d. Raimundus Lullus  >

C. Allgemeiner Standpunkt der Scholastiker überhaupt  >

 

Dritter Abschnitt: Wiederaufleben der Wissenschaften  >

A. Studium der Alten  >

1. Pomponatius /  >
2. Ficinus /  >
3. Gassendi, Lipsius, Reuchlin /   >
4. Ciceronianische Populärphilosophie  >

B. Eigentümliche Bestrebungen der Philosophie  >

1. Cardanus /  >
2. Campanella /  >
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4. Vanini /  >
5. Petrus Ramus  >

C. Die Reformation  >

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