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Manfred Herok  2014

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C. Allgemeiner Standpunkt der Scholastiker überhaupt

Wir haben nach diesen Spezialien ein Urteil über die Scholastiker, eine Rechenschaft von ihnen zu geben.
Sie untersuchten so hohe Gegenstände, Religion; das Denken wurde so spitzfindig ausgebildet; es gab edle, tiefsinnige Individuen, Gelehrte.
Und doch ist dies Ganze eine ganz barbarische Philosophie des Verstandes, ohne realen Stoff, Inhalt; es erregt uns kein wahrhaftes Interesse, und wir können nicht dahin zurückkehren.
Es ist Form, leerer Verstand, der sich in grundlosen Verbindungen von Kategorien, Verstandesbestimmungen herumtreibt.
Das intellektuelle Reich ist droben - so nicht bei den Neuplatonikern -, ausstaffiert mit sinnlichen Verhältnissen (schon Vater, Sohn), Engeln, Heiligen, Märtyrern, statt der Gedanken;
die Gedanken sind stroherne Verstandesmetaphysik. Wozu alles dieses?
Es liegt hinter uns als Vergangenheit, es muß uns für sich unbrauchbar bleiben.

Es hilft nichts, das Mittelalter eine barbarische Zeit zu nennen.
Es ist eine eigentümliche Art der Barbarei, nicht der unbefangenen, rohen, sondern die höchste Idee und die höchste Bildung zur Barbarei geworden; was eben die gräßlichste Gestalt der Barbarei und Verkehrung ist, die absolute Idee, und zwar durchs Denken, zu verkehren.
Wir sehen göttliche Welt, äußerlich, obzwar in der Vorstellung, trockenen, leeren Verstand; dadurch wird jene göttliche Welt, obgleich ihrer Natur nach das rein Spekulative, doch verständigt, versinnlicht, - nicht wie Kunst, sondern im Gegenteil als Verhältnis der gemeinen Wirklichkeit.
Die Scholastik ist die gänzliche Verwirrung des Verstandes in dem Knorren der nordisch-germanischen Natur.
Wir haben zweierlei Welten: ein Reich des Lebens, ein Reich des Todes.
Die göttliche Welt war für die Einbildungskraft, Andacht bevölkert durch Engel, Heilige, Märtyrer, in der übersinnlichen Welt war keine Natur, keine Wirklichkeit des denkenden, allgemeinen, vernünftigen Selbstbewußtseins. In der unmittelbaren Welt, sinnlichen Natur war keine Göttlichkeit, weil sie nur das Grab des Gottes, wie der Gott außer jener.
Zum göttlichen Reich, von Verstorbenen bewohnt, war nur durch den Tod zu gelangen;
die natürliche Welt war ebenso tot, - belebt nur durch den Schein jener und die Hoffnung, hatte sie keine Gegenwart. Es half nicht, Mittelwesen als ein Band einzuschieben, Maria, die Heiligen, Verstorbenen in einer jenseitigen Welt. Die Versöhnung war formell, nicht an und für sich, nur Sehnsucht des Menschen, - Befriedigung nur in einer anderen Welt.

Einem Volke von Barbaren war eine unendliche Wahrheit anvertraut.
Wenn wir den am nächsten bei der Hand liegenden Gegensatz gegen die scholastische Philosophie und Theologie und das Treiben des scholastischen Wissens suchen, so können wir sagen: es ist der gesunde Menschenverstand, Erfahrung (äußere und innere), Naturanschauung, Menschlichkeit, Humanität. Der Geist, Charakter z. B. der griechischen Humanität war, daß alles Konkrete, alles Interesse für den Geist, das Denken eine Präsenz, Gegenwart in der menschlichen Brust hatte, in seinen Gefühlen, in seinen Gedanken seine Wurzel hat.
Das verständige Bewußtsein, die gebildete Wissenschaft hat an solchem Inhalte ihren realen Stoff, worin sie bei sich selbst ist und bleibt.
Das Wissen beschäftigt sich allenthalben mit seinen Angelegenheiten, und an diesem Stoffe, an der Natur und deren festen Gesetzen, hat das Interesse den Maßstab und die Richtung, sich zu orientieren; es bleibt sich getreu, und sein Ernst und sein Spiel hat sein Maß daran.
- Auch die Verirrungen auf diesem Boden haben ihr Ziel an dem festen Mittelpunkte des Selbstbewußtseins des menschlichen Geistes, und als Verirrungen selbst haben sie darin eine Wurzel, die als Wurzel ihre Rechtfertigung hat; nur die einseitigen Entfernungen von der Einheit dieser Wurzel mit dem ganz konkreten Grund und Keime sind das Mangelhafte.
Was wir hier dagegen sehen, ist die absolute, unendliche Wahrheit, als Geist ausgesprochen,
in Barbaren gelegt, in Menschen, die nicht das Selbstbewußtsein ihrer geistigen Menschheit haben, noch nicht menschliches Bewußtsein, - Menschenbrust, aber nicht menschlichen Geist haben. Die absolute Wahrheit realisiert, vergegenwärtigt sich noch nicht im wirklichen Bewußtsein, sondern die Menschen sind aus sich herausgerissen; für sie befindet sich der Inhalt, die unendliche Wahrheit des Geistes, noch in ein fremdartiges Gefäß, voll des intensivsten Triebes physischen und geistigen Lebens, in sie hineingelegt, aber als ein zentnerschwerer Stein, dessen ungeheuren Druck sie nur empfinden, nicht verdauen, mit dem Triebe noch nicht assimilieren und nur Beruhigung, Versöhnung finden können, indem sie schlechterdings außer sich kommen und wild in dem und durch das geworden sind, was ihren Geist ruhig und mild machen sollte.

Die Religion hat hier in diesem Zustand ihre Sphäre, ihre wahrhaft edle und schöne Gestalt nur in wenigen einzelnen Individuen, und zwar in solchen, die der Welt abgestorben, von ihr entfernt sind, die sich in der Empfindung halten können: so in Weibern des Mittelalters oder in Mönchen oder anderen Einsiedlern, die sich in der kontrakten, zusammengezogenen, zusammengehaltenen Innigkeit des Herzens und Geistes, einer Wirklichkeitslosigkeit halten können.
Die eine Wahrheit stand isoliert im Menschen, die ganze Wirklichkeit des Geistes war noch nicht dadurch durchgebildet; Gemüter, die in einem kleinen Kreise lebend sich auf die Religion beschränken, zeigen Schönheit.

Auf der anderen Seite ist es aber notwendig, daß der Geist als Wille, Triebe, Leidenschaft noch eine ganz andere Stellung, Ausbreitung, Verwirklichung als solche einsame Kontraktion fordert, - daß die Welt einen ausgedehnteren Kreis des Daseins erfordert, einen wirklichen Zusammenhalt der Individuen, Vernünftigkeit und Gedanken in den wirklichen Verhältnissen und den Handlungen. Dieser Kreis der Verwirklichung des Geistes, das menschliche Leben, ist aber zunächst abgeschnitten von jener geistigen Region der Wahrheit.
Die subjektive Tugend hat mehr den Charakter des Schmerzes und der Entbehrung für sich, die Sittlichkeit ist eben dieses Sich-Entziehen, Aufgeben und die Tugend gegen andere nur der [Charakter] der Mildtätigkeit, ein Momentanes, Zufälliges, Verhältnisloses.
Alles das, was zur Wirklichkeit gehört, ist so nicht durchgebildet durch die Wahrheit; diese ist nur ein Himmlisches, ein Jenseits.
Die Wirklichkeit, das Irdische ist damit gottverlassen und so Willkür; also einzelne wenige Individuen sind heilig, die anderen unheilig. Wir sehen in diesen anderen die Abwechselung von der Heiligkeit eines Moments in der Viertelstunde des Kultus und dann wochenlang ein Leben der rohsten Eigensüchtigkeit, Gewalttat und grausamsten Leidenschaft.
Es ist schön, das Kreuzfahrerheer, als sie Jerusalem ansichtig waren, alle betend, Buße tuend,
ihr Herz zerknirschend auf die Stirne fallen und anbeten zu sehen. Aber dies ist ein Moment, der auf monatelange Roheit, Tollheit, Abscheulichkeit, Dummheit, Gemeinheit, Leidenschaft gefolgt ist, die sich überall bewies auf ihrem Zuge. Mit höchster Tapferkeit haben sie die Heilige Stadt gestürmt und darauf sich in Blut gebadet und in viehischer Wildheit gewütet; davon sind sie wieder in Zerknirschung und Buße übergegangen; dann stehen sie versöhnt und geheiligt auf von den Knien und überließen sich wieder allen Kleinlichkeiten elender Leidenschaften, für Roheit und Geiz, Habsucht, Lüste tätig zu sein. 

Die Wahrheit war auch nicht Fundament der Wirklichkeit.
Deswegen zerfiel das allgemeine Leben in zwei Teile; so sehen wir zwei Reiche, nämlich ein geistiges und ein weltliches, Kaiser- und Papsttum, schroff einander gegenüberstehen: Kirche und kein Staat, sondern Reich, weltliche Herrschaft, jene die jenseits liegende, dieses die diesseits liegende Welt. Zwei absolut wesentliche Prinzipien zerschlagen sich aneinander; die weltliche Roheit, die Knorrigkeit des individuellen Wollens erzeugt die härteste, fürchterlichste Entgegensetzung.

Ebenso bodenlos ist denn auch die Wissenschaft.
α) Der denkende Verstand macht sich an die Mysterien der Religion; sie sind ganz spekulativer Inhalt, Inhalt nur für den vernünftigen Begriff.
Aber das Mysterium, der Geist, dieses Vernünftige ist noch nicht in das Denken eingekehrt; das Denken ist daher gottverlassenes, nur abstrakter, endlicher Verstand, in sich nur formell, gehaltloses Denken, das jener Tiefe entfremdet ist, selbst indem es sich mit diesem Gegenstande beschäftigt. Seinen Inhalt schöpft der Verstand ganz aus einem solchen, dem er schlechthin, das ihm auch schlechthin fremd bleibt; er ist überhaupt nicht beschränkt, so maßlos in seinen Bestimmungen und Unterscheidungen, - gleichsam wie wenn man mit Willkür Sätze, Worte und Töne bilden und verbinden wollte, bei denen nicht vorausgesetzt ist, daß sie für sich einen Sinn ausdrücken sollen (Sinn, Bedeutung ist Konkretes), die nur sprechbar sein, keine Grenze haben sollen als die Möglichkeit (sich nicht zu widersprechen).

β) Insofern der Verstand sich an den gegebenen religiösen Inhalt hält, so kann er diesen Inhalt beweisen, daß es so sein muß; und diese Einsicht kann aufgewiesen werden wie bei einem geometrischen Satze. Aber es bleibt immer noch etwas übrig, was zur Befriedigung gehört; bewiesen ist es, aber ich begreife es doch nicht.
So ist der vortreffliche Satz Anselms, an dem man den Charakter des scholastischen Verstandes überhaupt sieht (s. S. 557 ff.), Beweis, nicht Begreifen des Daseins Gottes.
Mit jener Einsicht habe ich nicht das Letzte gewonnen, nicht das, was ich will; es fehlt das Ich, das innige Band, die Innigkeit als Innigkeit des Gedankens.
Diese liegt nur im Begriffe, in der Einheit des Einzelnen und Allgemeinen, des Seins und Denkens; zum Begreifen dieser Einheit müßte erkannt werden, daß das Sein aus sich selbst sich zum Begriffe macht und umgekehrt Denken und Sein identisch sind. Das ist die Innigkeit, nicht die notwendige Folge aus Voraussetzungen; nicht die Natur des Denkens und Seins ist hier Objekt, - was sie sind, ist vorausgesetzt.

γ) Wenn dieser Verstand aber so von Erfahrung, einem gegebenen konkreten Inhalt, bestimmter Naturanschauung, menschlichem Gemüt, Recht, Pflicht - insofern die Innigkeit ebenso dies ist - ausgeht, seine Bestimmungen zum Behuf sozusagen dieses Inhalts findet, er von da auf Abstraktionen kommt - so z. B. in der Physik auf Materie und Kräfte -, so hat er, obgleich seine Form, solches Allgemeine, nun dem Inhalt nicht Genüge tut, daran doch einen festen Punkt, an dem er sich orientiert, eine Grenze für die Reflexion, die sonst ins Maßlose fortginge.
Oder man hat konkrete Anschauung von Staat, Familie; das Räsonnement hat am Inhalt festen Punkt, der es dirigiert, - eine Vorstellung, welche die Hauptsache ist. Und die Mangelhaftigkeit seiner Form wird versteckt und vergessen gemacht, der Akzent nicht darauf gelegt. Hier wurde aber nicht von einer solchen Grundlage ausgegangen.
Bei diesem scholastischen Verstande war es vielmehr, daß sie die Verstandesbildung als Tradition (in den Kategorien) empfangen haben; später ist diesem geistverlassenen Verstande die Philosophie des Aristoteles in die Hände gefallen.
Sie ist aber ein zweischneidiges Schwert; sie ist höchst bestimmter, klarer Verstand, der zugleich spekulativer Begriff ist: die abstrakten Verstandesbestimmungen, herausgenommen, haltungslos für sich, übergehend, dialektisch, haben nur in ihrer Verbindung Wahrheit.
Das Spekulative ist dadurch gegenwärtig bei Aristoteles, daß solches Denken sich nicht dem Reflektieren für sich überläßt, sondern immerfort die konkrete Natur des Gegenstandes vor sich hat; diese Natur ist der Begriff der Sache: das spekulative Wesen der Sache ist der regierende Geist, welcher die Reflexionsbestimmungen nicht frei für sich läßt.

Die Scholastiker haben die aristotelische Philosophie als äußerlich erhalten; sie sind nicht von diesen Gegenständen ausgegangen, welche die Betrachtung regieren, sondern sie haben nur den äußerlichen Verstand davon überkommen und sich darin ausgebreitet.
Weil kein Maß für denselben vorhanden war, weder durch die konkrete Anschauung noch durch den reinen Begriff selbst, so ist der Verstand in seiner Äußerlichkeit als regellos geblieben.
Sie haben die abstrakten Verstandesbestimmungen festgemacht, immer unangemessen ihrem absoluten Stoffe, ebenso jedes Beispiel aus dem gemeinen Leben als Stoff genommen und, da jeder Fall, das Konkrete ihnen widerspricht, so sie nur festhalten können durch Bestimmen, Einschränken und so sich in eine endlose Menge von Distinktionen verflochten, die selbst ebenso in und durch das Konkrete gehalten, erhalten würden.
So ist kein gesunder Menschenverstand in solchem Treiben der Scholastiker.
Gesunder Menschenverstand darf nicht gegen Spekulation, wohl aber gegen bodenlose Reflexion auftreten; die aristotelische Philosophie ist das Gegenteil hiervon, eben so in diesem Treiben sich selbst entfremdet.
Ebenso fest ist die Vorstellung der übersinnlichen Welt, Engel usf.; ohne alles Urteil, barbarischerweise haben sie diesen Stoff weiter bearbeitet, - ebenso wie mit endlichem Verstande, mit endlichen Vorstellungen, Verhältnissen bereichert und betrachtet.
- Es ist kein immanentes Prinzip im Denken selbst, sondern der Verstand der Scholastiker hat eine fertige Metaphysik in die Hände bekommen ohne Bedürfnis seiner Beziehung auf das Konkrete; sie wurde getötet, die Teile sind geistlos verzweigt und vereinzelt worden.
Man könnte von den Scholastikern sagen, sie haben ohne Vorstellung philosophiert,
d. i. ohne ein Konkretes; esse reale, esse formale, esse objectivum, quidditas, τtὸ` τtί ἠν εeἰναaι haben sie zu Subjekten gemacht. Gesunder Menschenverstand hat ein Substrat, eine Regel für die abstrakten Verstandesbestimmungen.

δ) Dieser rohe Verstand hat dann zugleich alles gleichgemacht, nivelliert, wegen seiner abstrakten Allgemeinheit, die das Geltende; ebenso ist es auch im Politischen, er geht aufs politische Gleichmachen.
Der rohe Verstand hat nicht sich, seine Endlichkeit vernichtet, - den Himmel, die Idee, die intellektuelle, mystische, spekulative Welt in seiner Anwendung so schlechthin verendlicht; denn er macht keinen Unterschied, ob seine Bestimmungen hier gelten oder nicht,
- wo das Endliche gilt, wo es nicht gilt. Daher jene sinnlosen Fragen und Bemühungen, sie zu entscheiden; sinnlos, abscheulich, abgeschmackt ist das, wenn (auch mit richtiger Konsequenz) Bestimmungen in ein Feld gebracht werden, wo sie gar nicht hingehören.
Ebenso ist hier nicht der Ort zu entscheiden, welche Konsequenzen zu machen sind; als Vorstellungen seiner Phantasie läßt er sie im Nebulosen.
Der Verstand macht nicht den Unterschied (und kann es nicht), welche Bestimmungen - wenn näher bestimmt werden soll -hingehören, um konkreten Inhalt in seiner Allgemeinheit aufzufassen; beim Apfel im Paradiese fragt er, welcher Sorte von Äpfeln er angehörte. Die Brücke vom Allgemeinen zum Besonderen fehlt. So wird das Recht eingeteilt in kanonisches, Kriminalrecht usw.; der Einteilungsgrund wird nicht aus dem Allgemeinen selbst genommen,
- es ist so unbestimmt, welche besondere Bestimmung dem allgemeinen Gegenstande zukommt. Ist dieser Gegenstand Gott, z. B. Gott ist Mensch worden, so ist die Beziehung zwischen Gott und Mensch nicht aus ihrer Natur geschöpft; Gott überhaupt erscheint, also auf jegliche Weise. So kommt leicht herein, bei Gott ist nichts unmöglich; so kommt der Kürbis herein, - es ist gleichgültig, in welcher Bestimmung das Allgemeine gesetzt wird. 

Wir haben nun von dem weiteren Fortgange des allgemeinen Geistes zu sprechen.
Unter den Gelehrten zeigt sich die Unwissenheit übers Vernünftige, vollkommene, ungeheure Geistlosigkeit,
- ebenso die greulichste, gänzliche Unwissenheit bei den übrigen, den Mönchen.
Das Verderben des Erkennens machte den Übergang zu einer Veränderung;
indem der Himmel, das Göttliche so herabgesetzt, hob sich die Erhabenheit des Geistes über das Weltliche, seine geistige Übermacht über dasselbe auf.
Denn wir sahen, daß die übersinnliche Welt der Wahrheit, Religion (als Welt von Vorstellungen) durch das Gleichmachen des Verstandes ruiniert wurde. Wir haben einerseits gesehen eine Behandlung des Lehrbegriffs auf philosophische Weise, aber auch eine Ausbildung des formell logischen Gedankens, die Verweltlichung des an und für sich seienden, absoluten Inhalts.
Ebenso hat sich die existierende Kirche, dieses Dasein des Himmels auf Erden, mit dem Weltlichen ausgeglichen; sie ist ruiniert, verweltlicht worden, und zugleich auf eine empörende Weise. Das Weltliche soll nur weltlich sein, dies Weltliche aber zugleich die Würde und Autorität des Göttlichen haben. So wie in Ansehung der Wirklichkeit nicht bloß des Erkennens
- das Regiment der Kirche ganz weltlich geworden, in Herrschaft, Beherrschung, Reichtum, Länderbesitz übergegangen, ist somit auch so ihr Unterschied ruiniert, beides ausgeglichen, - aber nicht auf eine vernünftige Weise, sondern für die Kirche auf eine Weise, welche Verdorbenheit ist. Abscheuliche Sitten und schlechte Leidenschaften, Willkür, Wollust, Bestechung, Liederlichkeit, Habsucht, Laster haben sich in ihr eingefunden; und sie hat das Verhältnis der Herrschaft gegründet und festgehalten. Dieser Ruin der übersinnlichen Welt, als vorgestellt und als gegenwärtige Kirche, ist es, der den Menschen hat treiben müssen aus einem solchen Tempel, Allerheiligsten, das verendlicht wurde.

Wir haben näher die Prinzipien, die eingetreten und einander gegenüberstehen, und ihre Entwicklung anzugeben, 19/595 um den Übergang in die neue Geschichte und den Standpunkt der Philosophie zu fassen. Weil nun auf diese und ähnliche Weise der Idee des Geistes gleichsam das Herz durchstochen war, blieben die Teile geistlos und leblos und wurden so von dem Verstande verarbeitet. Das Denken war dadurch, daß es an eine Äußerlichkeit gebunden war, auch verrückt, und der Geist war in ihm nicht mehr für den Geist tätig.
Das Dasein der Kirche als die Regierung Christi auf Erden, der eine äußerliche Existenz gegenübersteht, ist das Höhere, das Herrschende; denn die Religion muß das Zeitliche beherrschen. Durch die Unterwerfung der weltlichen Macht war die Kirche Theokratie, wurde so selbst weltlich, und zwar eben die greulichste, barbarischste Wirklichkeit.
Denn Staat, Regierung, Recht, Eigentum, bürgerliche Ordnung, - dies ist das Religiöse als vernünftige Unterschiede, d. h. für sich feste Gesetze.
Das Gelten der Glieder, Stände, Abteilungen, ihre unterschiedenen Beschäftigungen, die Stufen und Grade des Bösen ebenso wie des Guten sind Heraustreten in Form der Endlichkeit, Wirklichkeit, Existenz des subjektiven Willens. Das Religiöse hat nur die Form der Unendlichkeit. Alle Gesetze des Guten sind ebenso über den Haufen geworfen, als das Böse und seine Strafen unendlich gemacht.
Die Kirche ist in ihrem äußerlichen Dasein unverletzlich; jedes Vergehen an ihr ist Ketzerei, Verletzung des Heiligen. Andere Meinungen werden auch mit dem Tode bestraft: so die Ketzerei und dann die nicht orthodoxen Christen, die heterodox gegen die Bestimmungen einer endlosen Dogmatik mit den abstraktesten, leersten Bestimmungen.
Diese Vermischung des Heiligen, Göttlichen, Unverletzbaren mit den zeitlichen Interessen, die zur vollkommenen Willkür, Laster, gänzlich ungebundenen Lüsten fortgeht, weil sie nicht durch Gesetze gehalten wird, erzeugt einerseits Fanatismus, wie bei den Türken, andererseits Demut, obedientia passiva gegen dies Furchtbare, Laizität.

Gegen diese Entzweiung hat sich dann aber auf der andern Seite das Weltliche in sich vergeistigt; oder es hat sich in sich festgesetzt, und zwar auf eine durch den Geist berechtigte Weise.
Dem Geistigen, der Religion fehlte die Gegenwart ihrer höchsten Spitze, die gegenwärtige Wirklichkeit ihres Hauptes; der Gegenwart, Weltlichkeit fehlt, an ihr den Gedanken, das Vernünftige, Geistige zu haben. Im 10. Jahrhundert war der allgemeine Trieb in der Christenheit, Kirchen zu bauen; der Gott selbst war nicht gegenwärtig darin, angeschaut.
Die Christenheit erhob sich in ihrer Sehnsucht, das Prinzip der Wirklichkeit als ihr eigenes in sich zu erobern. Nicht diese Gebäude, nicht der äußere Reichtum, die Gewalt und Herrschaft der Kirche, nicht die Mönche, der Klerus und Papst sind das Prinzip eigener wirklicher Gegenwart in ihr; sie genügten dem Geistigen nicht.
Der Papst oder Kaiser ist nicht Dalai-Lama, der Papst ist nur Statthalter Christi;
Christus ist, als vergangene Existenz, nur in der Erinnerung und Hoffnung gesetzt.
Die Christenheit erhob sich also, dies eigentliche Haupt zu suchen; das ist die Bewegung, Triebfeder der Kreuzzüge. Sie suchte seine Gegenwart, seine äußerliche im Lande Kanaan,
seine Spuren, den Berg, wo er gelitten, sein Grab; sie fanden es, aber Grab ist Grab.
 "Aber du lässest ihn im Grabe nicht, du willst nicht, daß ein Heiliger verwese."
Sie meinten irrig, sie würden sich darin befriedigen, dies sei es wahrhaft, was sie suchten; sie verstanden sich nicht. Diese heiligen Orte, Ölberg, Jordan, Nazareth, als äußere sinnliche Gegenwart des Raums ohne Gegenwart der Zeit, sind Vergangenes, Erinnerung, nicht Anschauen, unmittelbare Gegenwart; sie fanden nur ihren Verlust, ihr Grab in dieser Gegenwart. Ohnehin Barbaren, suchten sie nicht das Allgemeine, die Weltstellung Syriens und Ägyptens, dieses Mittelpunkts der Erde: wie Bonaparte, als die Menschheit vernünftig, das im Handel frei Verbindende [suchte]. So wurden sie durch die Sarazenen und durch ihre eigene Roheit, Elend, Abscheulichkeit zum Verständnis gebracht, daß sie sich hier getäuscht.
Was sie suchten, sollten sie in sich selbst schauen, in der Gegenwart des Verstandes; das Denken, eigene Wissen und Wollen ist diese Gegenwart. Indem, was sie tun, ihre Zwecke und Interessen rechtlich und so zum Allgemeinen gemacht werden, so ist die Gegenwart vernünftig. Das Weltliche ist in ihm selbst fest geworden, d. h. hat Gedanke, Recht, Vernunft in sich erhalten.

Was das geschichtliche Verhältnis der Zeit überhaupt betrifft, so kann bemerkt werden,
daß, wie wir einerseits die Selbstlosigkeit, das Verhältnis des Geistes, nicht bei sich zu sein,
die Zerrissenheit des Menschen sehen, wir auf der anderen Seite den politischen Zustand fester werden sehen, indem sich eine Selbständigkeit gründet, die nicht mehr nur barbarisch, selbstsüchtig ist. In jener Selbständigkeit ist das Moment der Barbarei enthalten, die der Furcht bedarf, um in Schrecken gehalten zu werden.
Jetzt sehen wir aber Recht und Ordnung eintreten. Das Feudalsystem, die Leibeigenschaft ist zwar die herrschende Ordnung; aber alles darin ist ein rechtlich Festes, d. h. ein Festes in Beziehung auf die Freiheit.
Das Recht hat seine Wurzel in der Freiheit, daß das Individuum sich zur Existenz bringe und anerkannt werde; das Recht ist so festgesetzt, wenn auch Verhältnisse zum Privateigentum gemacht sind, die eigentlich dem Staate angehören.
Dies Verhältnis tritt nun auf gegen das Prinzip der Selbstlosigkeit der Kirche.
Die Feudalmonarchie macht zwar Verhältnisse der Geburt fest, nach der Geburt sind die wesentlichen Rechte bestimmt; sie sind aber nicht kastenmäßig, wie bei den Indern, sondern in der kirchlichen Hierarchie konnte jeder aus der niedrigsten Klasse selbst zu den höchsten Stellen gelangen. In Italien und Deutschland haben Städte, Bürgerrepubliken ihr Recht erworben und anerkennen lassen durch die weltliche und kirchliche Gewalt; Reichtum zeigte sich in den Niederlanden, Florenz und den Reichsstädten am Rhein.
Die Capitani sind auch so ein Heraustreten aus dem Feudalsystem. Es war übrigens auch in dem Feudalsystem Recht, bürgerliche Ordnung, Freiheiten, gesetzliche Ordnungen nach und nach hervorgetreten. Die Sprache wurde lingua volgare; so in Dantes Comedia divina.
Die Wissenschaften beschäftigten sich mit gegenwärtigem Stoff.

Diese Umkehrung hat der Geist der Zeiten genommen, er verläßt die Intellektualwelt und sieht sich jetzt auch seine gegenwärtige Welt, sein Diesseits an. Mit diesem Umschwung sinkt und verliert sich die scholastische Philosophie, sie, deren Gedanken jenseits der Wirklichkeit sind. Damit stehen dann im Zusammenhang Handel und Künste.
In den Künsten liegt, daß der Mensch aus sich das Göttliche hervorbringt; da jene Künstler so fromm waren, die Selbstlosigkeit zu ihrem Prinzip als Individuen hatten, so waren sie es, aus deren subjektivem Vermögen diese Darstellungen hervorgingen.
Es hängt damit zusammen, daß das Weltliche so berechtigt in sich sich gewußt hat, Bestimmungen festgehalten hat, die auf die subjektive Freiheit sich gründen.
Im Gewerbe ist das Individuum auf seine Tätigkeit angewiesen; es selbst ist das Betätigende und Hervorbringende. Die Menschen sind dazu gekommen, sich frei zu wissen, ihre Freiheit sich anerkennen zu machen und für eigene Interessen. Zwecke tätig zu sein die Kraft zu haben.

Der Geist hat sich wieder gesammelt und, wie in seine eigenen Hände, so in seine Vernunft geschaut. Die Kirche glaubte vorher im Besitze von diesem Anderen, der göttlichen Wahrheit zu sein und war mithin in derselben Äußerlichkeit befangen, die die Form von Willkür, Weltlichkeit und allen schlechten Leidenschaften hatte. Aber als das weltliche Regiment in sich Ordnung und Recht erhielt und aus der harten Zucht des Dienstes herausgebildet war, da fühlte es sich für sich berechtigt, von Gott gestiftet zu sein, das Göttliche mithin hier präsent zu haben, für sich berechtigt gegen das Göttliche in der Kirche, was gegen die Laien ausschließlich sein sollte.
Die weltliche Macht, das weltliche Leben, das Selbstbewußtsein hat das göttlichere, höhere, kirchliche Prinzip in sich aufgenommen; so ist der schroffe Gegensatz verschwunden.
Diese Macht der Kirche ist aber auch die Roheit der Kirche; sie soll nicht nach und in der Wirklichkeit wirken, sondern im Geiste mächtig sein.
Es kam sofort in die Weltlichkeit das Bewußtsein der Erfüllung der abstrakten Begriffe mit der Realität der Gegenwart, und daß diese nicht mehr in sich ein Nichtiges sei, sondern auch in sich Wahrheit habe.
So kam der Geist wieder zu sich.

Diese Wiedergeburt ist als das Wiederaufleben der Künste und Wissenschaften bezeichnet,
- die Epoche, da der Geist Zutrauen zu sich selbst und zu seinem Dasein faßt und sich in seiner Gegenwart sein Interesse findet.
Er ist in Wahrheit mit der Welt versöhnt, - nicht an sich, jenseits im leeren Gedanken, am jüngsten Tage bei der Verklärung der Welt, d. h. wenn sie nicht mehr Wirklichkeit ist; und es ist um die Welt zu tun, nicht als um eine vertilgte.
Der Mensch, der das, was sittlich, Recht sei, zu suchen getrieben war, konnte es nicht mehr auf solchem Boden finden, sondern hat sich umgesehen, dieses anderswo zu finden.
Die Stelle, wohin er gewiesen wurde, ist er selbst, sein Inneres, und die äußerliche Natur;
bei der Naturbeobachtung ahnt sich der Geist in ihr überhaupt gegenwärtig.
Der endliche Himmel, der irreligiös gemachte Inhalt hat ihn zu Endlichem, zur Gegenwart getrieben.

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