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Raimundus Lullus, Doctor illuminatus, hat sich sehr berühmt gemacht, die Ars Iulliana ist von ihm; er nannte die Kunst, die er aufstellte, Ars magna. Er war aus Mallorca, wo er 1234 geboren wurde. Er ist exzentrisch, - eine von den gärenden Naturen, die sich in allem herumwerfen. Dieser hatte Hang zur Alchemie und großen Enthusiasmus für die Wissenschaften überhaupt, wie eine feurige unruhige Einbildungskraft. In seiner Jugend lebte er ausschweifend, schwärmte früh in Vergnügungen herum; dann zog er sich in eine Einöde zurück und hatte dort viele Visionen von Jesus. Und dabei wurde in seiner heftigen Natur der Trieb ausgebildet, der Verbreitung der christlichen Seligkeit unter den Mohammedanern in Asien und Afrika sein Leben zu weihen; er lernte Arabisch zu seinem Bekehrungswerk, bereiste Europa und Asien, suchte um Unterstützung beim Papst und allen Königen Europas nach; dabei hat er sich mit seiner Kunst beschäftigt. Er wurde verfolgt, duldete viele Mühseligkeiten, Abenteuer, Todesgefahren, Gefangenschaften, Mißhandlungen. In Paris hat er lange gelebt am Anfang des 14. Jahrhunderts, verfertigte bei 400 Schriften. Nach einem höchst unruhigen Leben - als Heiliger und Märtyrer verehrt - starb er 1315 an den Folgen von Mißhandlungen, welche er in Afrika erlitten hatte.1)
Seine Kunst bezieht sich nun auf das Denken. Näher war das Hauptbestreben dieses Mannes eine Aufzählung und Anordnung aller Begriffsbestimmungen, der reinen Kategorien, wohinein alle Gegenstände fallen, danach bestimmt werden können, um von jedem Gegenstand leicht die auf ihn anzuwendenden Begriffe angeben zu können. Er ist so systematisch; dieses wird mechanisch. Er hat ein Tableau gemacht in Kreisen, denen Dreiecke eingezeichnet, zugrunde gelegt waren, wohindurch Kreise gehen. In diesen Kreisen hat er die Begriffsbestimmungen geordnet und sie vollständig aufzutragen versucht. Von diesen Kreisen war ein Teil unbeweglich, ein anderer beweglich, die dann darauf paßten verglichen mit den Prädikaten. Die Kreise mußten auf gewisse Weise gestellt werden, um richtige Kombinationen zu bekommen; durch die Regeln des Herumdrehens, wo die Prädikate so aufeinanderfallen, sollte die allgemeine Wissenschaft durch diese Gedankenbestimmungen erschöpft werden. - Er beschrieb sechs Kreise, deren zwei die Subjekte, drei die Prädikate und der äußerste die möglichen Fragen angibt. Von jeder Klasse hat er neun Bestimmungen gehabt, zu deren Bezeichnung er neun Buchstaben BCDEFGHIK wählte. So hat er 1. neun absolute Prädikate um die Tafel geschrieben: Güte, Größe, Dauer (Ewigkeit), Macht Weisheit, Wollen (Wille), Tugend, Wahrheit, Herrlichkeit; dann 2. neun relative Prädikate: Verschiedenheit, Einerleiheit, Entgegensetzung, Anfang, Mitte, Ende, Größersein, Gleichsein, Kleinersein; 3. Ob? Was? Wovon? Warum? Wie groß? Von welcher Beschaffenheit (quale)? Wann? Wo? Wie und womit? (Dies Neunte enthält zwei Bestimmungen) 4. neun Substanzen (esse): Gott (divinum), Engel (angelicum), Himmel (coeleste), Mensch (humanum), Imaginativum, Sensitivum, Vegetativum, Elementativum, Instrumentativum; 5. neun Akzidenzen, d. i. natürliche Beziehungen: Quantitas, Qualitas, Relatio, Actio, Passio etc.; und 6. neun moralische Beziehungen, Tugenden: Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit usf. Diese nun hat er, wie bemerkt, zusammen auf bewegliche Kreise bezeichnet, so daß man, indem man diese Kreise drehe und zueinander stelle, für alle Substanzen die ihnen zukommenden absoluten und relativen Prädikate auf die gehörige Weise verbinde; durch die in dieselben gezeichneten Dreiecke entstehen Kombinationen, und durch die Kombinationen sollten die konkreten Gegenstände, überhaupt alle Wahrheit, Wissenschaft, Erkenntnis bestimmt sein.2) Dies hieß nun die Lullische Kunst.
1) Rixner, Handbuch der Geschichte der Philosophie, Bd. II, S. 126; Tennemann, Bd. VIII, S. 829-833
2) Tennemann, Bd. VIII, S. 834-836; Rixner, Handbuch der Geschichte der Philosophie, Bd. II, Anhang S. 86-89; Jordanus Brunus Nolanus, De compendiosa architectura et complemento artis Lullii II (Bruni Scripta, quae latine confecit, omnia; ed. Gfrörer, Stuttgart 1835, Fasc. II, p. 243-264)
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