3. Bekanntschaft mit den Aristotelischen Schriften
Weiter ist eine dritte Richtung zu bemerken, der äußerlich geschichtliche Umstand, daß zu Ende des 12. und 13. Jahrhunderts die abendländischen Theologen allgemeiner mit den Aristotelischen Schriften und deren griechischen und arabischen Kommentatoren in lateinischen Übersetzungen bekannt wurden, die nun auch von ihnen vielfach benutzt, weiter kommentiert und argumentiert wurden; und die Verehrung, Bewunderung und das Ansehen desselben stieg aufs höchste. Der Weg dieser Bekanntschaft ist schon angezeigt (>>>). Bisher war die Bekanntschaft mit Aristoteles dürftig, beschränkte sich auf Logik durch Boethius, Augustin, Kassiodor; bei Scotus Eriugenas Bekanntschaft sieht man schon Kenntnis des Griechischen, dieses war vereinzelt. Erst später ist man mehr mit Aristotelischen Schriften bekannt worden. In Spanien unter den Arabern blühten die Wissenschaften sehr, namentlich war die Universität Cordoba in Andalusien Mittelpunkt der Gelehrsamkeit; viele Abendländer reisten hierher, wie schon der als Gerbert früher so bekannte Papst Silvester II. als Mönch nach Spanien entflohen war, bei den Arabern zu studieren.*) Besonders Arzneiwissenschaft und Chemie (Alchemie) wurden fleißig betrieben. Die christlichen Ärzte studierten dort bei jüdischarabischen Lehrern. Es sind vornehmlich die Aristotelische Metaphysik und Physik (Naturphilosophie), die bekannt wurden; daraus sind Auszüge (summae) verfertigt worden.
*) Trithemius, Annal. Hirsaugiens. I, 135
a. Alexander von Hales
Zuerst wird diese Bekanntschaft mit Aristoteles und den Arabern sichtbar in Alexander von Hales (gest. 1245), dem Doctor irrefragabilis.1) - Der hohenstaufische Kaiser Friedrich II. ließ sodann Aristotelische Bücher aus Konstantinopel kommen und ins Lateinische übersetzen.2) Anfangs zwar, beim ersten Erscheinen der Aristotelischen Schriften, machte die Kirche Schwierigkeiten; das Lesen von seiner Metaphysik und Physik und den daraus verfertigten Summen sowie auch der Vortrag darüber wurde verboten in einer Kirchensynode zu Paris 1209.3) So kam der Kardinal Robert Corceo nach Paris und hielt daselbst eine Visitation der Universität: "ut ordinaria lectione libri dialectici Aristotelis legantur, libri autem Aristotelis metaphysici et de naturali philosophia, summaeque ex iis confectae doctrinaque Dinantii et Almarici haereticorum et Mauritii Hispani a nemine discatur legaturque."4) Und Papst Gregor in einer an die Universität von Paris (1231) erlassenen Bulle, ohne der Metaphysik zu gedenken, verbot die Bücher der Physik so lange, bis sie geprüft und von allem Verdachte des Irrtums gereinigt sein würden. Später aber (1366) wurde im Gegenteil von zwei Kardinälen verordnet, daß niemand sollte Magister werden können, wenn er nicht die vorgeschriebenen Bücher des Aristoteles, unter denen auch die Metaphysik und einige der physischen waren, studiert und sich in deren Erklärung fähig bewiesen hätte.5) - Die Logik und Metaphysik des Aristoteles wurde in endlose Unterscheidungen ausgesponnen und in eigentümliche syllogistische Formen gebracht, die die Grundlage zur Behandlung der Materien vornehmlich ausmachten.
Unter denen, die sich durch das Kommentieren der Aristotelischen Schriften ausgezeichnet haben, ist besonders zu bemerken: Albertus Magnus >>>
1) Brucker III, 779
2) Tennemann, Bd. VIII, S. 353-358, und Anm. 3 (vgl. Jourdain, Geschichte der Aristotelischen Schriften im Mittelalter, übersetzt von Stahr, S. 165-176)
3) Tennemann, Bd. VIII, S. 359; Bulaeus, l. c. III, p. 82
4) Brucker III, 697
5) Launoius, De varia Aristot. fortun. in Academia Paris., c. IX, p. 210
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