4. Ciceronianische Populärphilosophie
Auch die ciceronianische Weise des Philosophierens, eine sehr allgemeine Manier, wurde besonders erneuert, - ein Philosophieren, das eben keinen spekulativen Wert hat, aber in Ansehung der allgemeinen Bildung dieses Wichtige, daß der Mensch darin mehr aus sich als einem Ganzen heraus, aus seiner Erfahrung, überhaupt aus seiner Gegenwart spricht. Es ist populäres Philosophieren, wird aus der inneren und äußeren Erfahrung geschöpft. Ein verständiger Mensch sagt:
Was ihn das Leben gelehrt, was ihm durchs Leben geholfen.
Die Gefühle des Menschen usf. sind zu bemerken für würdig gefunden worden, gegen das Prinzip der Selbstlosigkeit. Von solcher Art Schriften sind große Menge hervorgegangen, teils unbefangen für sich, teils im Gegensatz gegen die Scholastiker. Sosehr die Menge von philosophischen Schriften dieser Art, z. B. die Petrarchischen, auch vieles von Erasmus hierher Gehörige, vergessen sind und wenig inneren Wert haben, so wohltuend sind sie, nach der scholastischen Dürrheit und ihrem bodenlosen Herumtreiben in Abstraktionen, - bodenlos, denn es hat eben das Selbstbewußtsein nicht zu seinem Boden. Petrarca schrieb aus sich selbst, seinem Gemüt, als denkender Mann.
Dieser ciceronianische Zuschnitt gehört in dieser Rücksicht auch zur kirchlichen Reform durch den Protestantismus. Sein Prinzip ist eben dieses, den Menschen in sich selbst zurückgeführt, das Fremde für ihn aufgehoben zu haben, - das Fremde in der Sprache. Den deutschen Christen das Buch ihres Glaubens in ihre Muttersprache übersetzt zu haben, ist eine der größten Revolutionen, die geschehen konnte; wie Italien große Werke der Dichtkunst erhielt, da sie in der Landessprache abgefaßt wurden, so Dante, Boccaccio, Petrarca, während seine politischen Werke in lateinischer Sprache geschrieben sind. Erst in der Muttersprache ausgesprochen ist etwas mein Eigentum. Luther, Melanchthon haben das Scholastische ganz verworfen und aus der Bibel, dem Glauben, dem menschlichen Gemüt entschieden. Melanchthon zeigt kühle, populäre Philosophie. Der Mensch will selbst dabeisein; es ist der ungeheuerste Kontrast gegen die leblose, dürre Scholastik. In den verschiedensten Richtungen und Formen ist Angriff gegen die scholastische Manier gemacht worden. Das eine wie das andere fällt mehr ins Literarische, in die Geschichte der Bildung, der Religion als der Philosophie. Eine Menge Werke hatte die Bearbeitung alter Philosophien zum Gegenstande. Dies ist mehr nur Wiederherstellung von etwas Vergessenem; es wurde für sich kein Fortschritt gemacht. Ebenso die populären Schriften von Montaigne, Charron enthalten Anmutiges, Geistreiches, Lehrreiches; sie können nicht zur eigentlichen Philosophie gerechnet werden, sie gehören zum gesunden Menschenverstand. Der Mensch hat wieder in sein Herz geschaut und es geltend gemacht, alsdann das Wesen des Verhältnisses des Einzelnen zum absoluten Wesen in sein eigenes Herz und Verstand, in seinen Glauben zurückgeführt. Obzwar noch ein entzweites Herz, so ist diese Entzweiung, dies Sehnen eine Entzweiung seiner selbst geworden; er fühlt diese Entzweiung in ihm selbst und seine Ruhe in sich. - Die eigentliche philosophische Belehrung muß man in den Quellen selbst, den Alten, suchen.
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