Pyrrhon also gilt für den Stifter des eigentlichen Skeptizismus. Sextus Empiricus sagt von ihm, daß er körperlicherweise (substantieller, vollständiger) und deutlicher an die Skepsis gegangen sei, mit bestimmtem Bewußtsein, mit bestimmtem Ausdruck. Er ist älter als mehrere der schon Betrachteten. Allein indem der Skeptizismus überhaupt zusammenzufassen ist, so ist der gebildetere Skeptizismus, der sich mehr gegen das Gedachte richtet, später; erst dieser hat eigentliches Aufsehen gemacht und gehört dem Denken an. Der Skeptizismus des Pyrrhon geht gegen die unmittelbare Wahrheit teils des Sinnlichen sowie des Sittlichen, - nicht diese Wahrheit als gedachte; wie weiterhin sich näher ergeben wird.
Was seine Lebensumstände anbetrifft, so sehen sie ebenso skeptisch aus als seine Lehre; es ist wenig Sicheres bekannt. Pyrrhon gehört in Aristoteles' Zeit, war aus Elis gebürtig. Ich will die Namen seiner Lehrer nicht anführen; besonders wird darunter Anaxarch, ein Schüler Demokrits erwähnt. Wo er eigentlich gelebt hat, wenigstens den größten Teil, ist nicht zu bestimmen. Die Umstände seines Lebens sind ohne Zusammenhang. Als ein Beweis, wie sehr er während seines Lebens in Achtung gestanden, wird angeführt, daß seine Vaterstadt ihn sogar zum Oberpriester erwählt und die Stadt Athen ihm das Bürgerrecht geschenkt habe. Endlich wird erwähnt, daß er Alexander den Großen auf seinem Zuge nach Asien begleitet habe; dort wird ihm viel mit den Magiern und Brahmanen zu tun gemacht. Man erzählt, Alexander habe ihn hinrichten lassen, weil er den Tod eines persischen Satrapen verlangt haben soll; und dieses Schicksal habe ihn in seinem 90. Jahre betroffen. Ist dieses alles so gegründet, so muß, da Alexander etwa zwischen 12 und 14 Jahren in Asien zubrachte, also Pyrrhon frühstens noch im 78. Jahre sich zur Reise dahin aufgemacht haben. Pyrrhon scheint nicht als öffentlicher Lehrer aufgetreten zu sein, sondern nur einzelne, von ihm gebildete Freunde hinterlassen zu haben. Von ihm hießen die Skeptiker auch Pyrrhonie , ohne daß er doch eine Schule (αἵϱεσις) gestiftet; eine eigentliche Schule lag auch nicht in der Manier, im Geiste des Skeptizismus. Sextus sagt : Skeptizismus ist nicht Häresis, Wahl für Dogmen, sondern nur eine Agoge (ἀγωγή), äußere Häresis nur im weitläufigeren Sinne; mehr eine Anleitung, recht zu leben, richtig zu denken - nicht ein Vorzug für gewisse Dogmen -, Anleitung zum Skeptizismus. Mehr als von seinen Lebensumständen werden Anekdoten von seinem persönlichen skeptischen Betragen erzählt, worin dasselbe lächerlich gemacht werden soll; wo denn das Allgemeine des Skeptizismus gegen einen besonderen Fall gesetzt wird, so daß in konsequent scheinende Verhältnisse und an solche das Widersinnige als von sich selbst einwuchert, - das Verhalten für sich selbst als widersinnig erscheint. Weil er nun behauptete, die Realität der sinnlichen Dinge habe keine Wahrheit, so erzählt man z. B., daß er im Gehen keinem Gegenstande, keinem Pferde oder Wagen, das auf ihn zurannte, aus dem Wege gegangen oder auch auf eine Wand geradezu losmarschiert sei, in dem gänzlichen Unglauben an die Gewißheit sinnlicher Empfindung und dergleichen; und daß nur seine Freunde, die ihn umgaben, ihn immer vor solchen Gefahren weggezogen und gerettet hätten. Das fällt aber weg, wenn er 90 Jahr alt nach Asien ging; dergleichen Anekdoten sind töricht, weil es nicht denkbar ist, daß er so hätte dem Alexander folgen können. Man sieht aber zum Teil wohl sogleich, daß solche Anekdoten bloß erdichtet sind, um seine Philosophie zu persiflieren, diese Geschichten den Zweck haben, das skeptische Prinzip in seinem Extreme, in Konsequenzen zu zeigen, um den Skeptizismus lächerlich zu machen. Den Skeptikern gilt allerdings das sinnliche Sein, aber als Erscheinung, sich im Leben danach zu betragen, nicht aber, es für Wahrheit zu halten. Sextus Empiricus sagt von den Neuakademikern, eine ihrer Lehren sei gewesen, man müsse sich im Leben betragen nicht nur nach den Regeln der Klugheit, sondern auch nach den Gesetzen der sinnlichen Erscheinung.
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