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D. Philosophie der Skeptiker

Der Skeptizismus vollendete die Ansicht der Subjektivität alles Wissens und setzte allgemein an die Stelle des Seins im Wissen den Ausdruck des Scheinens. Die letzte Spitze ist der Skeptizismus: die Form des Seienden und des Wissens des Seienden wird ganz zunichte gemacht. Skeptizismus ist Philosophie, die jedoch nicht System genannt werden kann, noch sein will.
Vor ihm haben die Menschen großen Respekt.

Dieser Skeptizismus erscheint nun allerdings als etwas ganz Imponierendes.
Der Skeptizismus hat zu allen Zeiten, und noch jetzt, für den furchtbarsten Gegner der Philosophie gegolten und für unbezwinglich, indem er die Kunst sei, alles Bestimmte aufzulösen, es in seiner Nichtigkeit zu zeigen;
so daß es gleichsam scheint, er werde für an sich unbezwinglich gehalten und der Unterschied gleichsam nur darein gelegt, daß der Einzelne sich gleichsam für ihn oder für eine positive dogmatische Philosophie entschließe. Sein Resultat ist allerdings die Negation, die Auflösung des Bestimmten, Wahren, alles Inhalts.
Die Unbezwinglichkeit des Skeptizismus ist auch allerdings zuzugeben, indessen nur als subjektiv in Rücksicht auf das Individuum; dies kann sich so stellen, daß es keine Notiz nimmt von der Philosophie, kann sich auf dem Standpunkte halten, nur das Negative zu behaupten, - aber dies ist nur subjektive Unbezwinglichkeit.
Der Skeptizismus scheint so etwas zu sein, dem man sich ergebe; und man hat die Vorstellung, daß man einem, der sich ihm so in die Arme werfe, gar nicht beikommen könne, und der andere nur darum ruhig bei seiner Philosophie bleibe, weil er keine Notiz vom Skeptizismus nehme, - was er eigentlich tun sollte, da er doch eigentlich nicht zu widerlegen sei. Wenn in der Tat ihm nur entgangen würde, so wäre er nicht bezwungen, sondern er bliebe seinerseits bestehen, und er hätte die Oberhand.
Denn die positive Philosophie läßt ihn neben ihr stehen; er hingegen greift über sie über, er weiß sie sich zu überwinden, - sie hingegen ihn nicht.

In der Tat kann einer, wenn er schlechterdings ein Skeptiker sein will, nicht überwunden werden, oder er kann nicht zur positiven Philosophie gebracht werden, - sowenig als einer, der an allen Gliedern paralytisch ist, zum Stehen zu bringen ist.
Eine solche Paralyse ist in der Tat der Skeptizismus, - eine Unfähigkeit der Wahrheit, die nur bis zur Gewißheit selbst,
aber nicht des Allgemeinen kommen kann, nur im Negativen und im einzelnen Selbstbewußtsein stehenbleibt.
Sich in der Einzelheit zu halten, ist eben der Wille eines Einzelnen; davon kann ihn keiner abhalten, aber so einer kann nicht allein sein. Allerdings kann man aus dem Nichts niemand heraustreiben. Ein anderes ist aber der denkende Skeptizismus, welcher dieses ist, von allem Bestimmten und Endlichen aufzuzeigen, daß es ein Wankendes ist. Die positive Philosophie kann über ihn dies Bewußtsein haben: sie hat das Negative des Skeptizismus in ihr selbst, er ist nicht ihr entgegengesetzt, nicht außer ihr, sondern ein Moment derselben,
aber das Negative in seiner Wahrheit, wie es der Skeptizismus nicht hat.

Näher ist nun das Verhältnis des Skeptizismus zur Philosophie dies, daß derselbe die Dialektik alles Bestimmten ist.
Von allen Vorstellungen vom Wahren kann die Endlichkeit aufgezeigt werden, da sie eine Negation, somit einen Widerspruch in sich enthalten.
Und das gewöhnliche Allgemeine, Unendliche ist nicht hierüber erhaben; denn das Allgemeine, was dem Besonderen,
das Unbestimmte, was dem Bestimmten, das Unendliche, was dem Endlichen gegenübersteht, ist eben auch nur bestimmt,
- es ist nur die eine Seite und, als solche, bestimmt. So ist denn der Skeptizismus gegen das verständige Denken gerichtet,
welches die bestimmten Unterschiede als letzte, als seiende gelten läßt. Der logische Begriff ist ebenso selbst diese Dialektik;
denn die wahrhafte Kenntnis der Idee ist diese Negativität, die im Skeptizismus ebenso einheimisch ist.
Und der Unterschied liegt nur darin, daß die Skeptiker bei dem Resultat als einem Negativen stehenbleiben: dies und dies hat einen Widerspruch in sich,
also löst es sich auf, also ist es nicht.
Dies Resultat ist so das Negative; aber das Negative selbst ist wieder eine einseitige Bestimmtheit gegen das Positive,
d. h. der Skeptizismus verhält sich nur als Verstand. Er verkennt, daß diese Negation ebenso affirmativ ist, ein bestimmter Inhalt in sich; denn es ist Negation der Negation, näher die unendliche Affirmation, die sich auf sich beziehende Negativität.
Dies ist ganz abstrakt das Verhältnis der Philosophie zum Skeptizismus. Die Philosophie ist dialektisch, diese Dialektik ist die Veränderung: die Idee als abstrakte Idee ist das Träge, Seiende, aber sie ist nur wahrhaft, insofern sie als lebendige sich faßt;
dies ist, daß sie dialektisch in sich ist, um jene Ruhe, jene Trägheit aufzuheben. Die philosophische Idee ist so in sich dialektisch,
und nicht nach Zufälligkeit; der Skeptizismus dagegen übt seine Dialektik aus nach Zufälligkeit,
- wie ihm der Stoff, der Inhalt gerade vorkommt, zeigt er auf, daß er in sich das Negative sei.

Es muß alter Skeptizismus vom neuen unterschieden werden, wir haben es nur mit jenem zu tun; er ist wahrhafter, tiefer Natur.
Der neue Skeptizismus ist eher Epikureismus; d. h. Schulze40) in Göttingen und andere legen zugrunde:
man müsse für wahr halten das sinnliche Sein, was das sinnliche Bewußtsein uns gebe; an allem anderen aber müsse man zweifeln,
was wir meinen, sei das Letzte, - Tatsachen des Bewußtseins.
Das ist Subjektivität, - heute nicht Skeptizismus, - Eitelkeit des Bewußtseins; diese ist allerdings unüberwindlich,
- nicht der Wissenschaft, Wahrheit, sondern sich, der Subjektivität.
Denn sie bleibt dabei stehen: dies gilt mir für wahr, meine Empfindung, mein Herz ist mir das Letzte.
Hier ist nur von Gewißheit die Rede, nicht von Wahrheit. Mit der Überzeugung dieses einzelnen Subjekts ist nichts gesagt,
es ist aber Hohes damit ausgesprochen: wie man sagt, die Wahrheit soll auf der andern Seite doch auch nur Überzeugung des anderen sein, die eigene Überzeugung soll aber hoch sein, oder diese ist auch ein Nur; - einmal muß man dies Subjekt bei seinem Hochmut,
dann bei seiner Demut stehenlassen. Das Resultat des Skeptizismus ist auch nur Subjektivität des Wissens;
diese ist aber auf entwickelnde denkende Zunichtemachung alles als wahr und seiend Geltenden begründet,
- daß alles unbeständig.

Was nun zunächst zu betrachten, ist die äußerliche Geschichte des Skeptizismus.
Die Entstehung des Skeptizismus ist sehr alt,
wenn wir ihn im ganz unbestimmten, allgemeinen Sinne nehmen. Die Ungewißheit des Sinnlichen ist eine alte Überzeugung ebenso unter dem unphilosophischen Publikum als unter den bisherigen Philosophen.
Die Skeptiker haben diese Stellung auch geschichtlich aufgewiesen. Skeptizismus im allgemeinen Sinn ist, daß man sagt:
Die Dinge sind veränderlich; sie sind, aber ihr Sein ist nicht wahrhaft, es setzt sich ebenso ihr Nichtsein. Z. B. heute ist heute, heute ist auch morgen usf.; jetzt ist es Tag, aber jetzt ist auch Nacht usf. Von dem, was man so als Bestimmtes gelten läßt, sagt man so auch das Gegenteil. Wenn man nun sagt, alle Dinge sind veränderlich, so sind die Dinge zuerst möglich, verändert zu sein,
- aber nicht nur möglich. Sondern, daß alles veränderlich ist, heißt in seiner Allgemeinheit genommen in der Tat so viel:
Es ist nichts an sich, sondern sein Wesen ist, sich aufzuheben; sie sind an ihnen selbst veränderlich, es ist ihre Notwendigkeit. Jetzt nur sind sie so, in einer anderen Zeit sind sie anders; und diese Zeit, das Jetzt, ist selbst nicht mehr, indem ich von ihm spreche,
- die Zeit ist selbst nicht fest und macht nichts fest. Diese Negativität aller Bestimmung macht das Charakteristische des Skeptizismus aus. Als philosophisches Bewußtsein ist der Skeptizismus aber später. Unter Skeptizismus ist zu verstehen ein gebildetes Bewußtsein,
dem teils nicht nur das sinnliche Sein nicht für Wahres gilt, sondern auch das gedachte; alsdann mit Bewußtsein sich Rechenschaft zu geben weiß von der Nichtigkeit dieses als wahr und Wesen Behaupteten; endlich auf allgemeine Weise nicht nur dies und jenes Sinnliche oder Gedachte, sondern gebildet ist, in allem seine Unwahrheit zu erkennen.

Das Geschäft des Skeptizismus ist unrecht als eine Lehre vom Zweifel ausgedrückt. Zweifeln ist nur die Ungewißheit, ein entgegengesetzter Gedanke gegen etwas Geltendes, - Unentschlossenheit, Unentschiedenheit. Zweifel enthält leicht Zerrissenheit des Gemüts und Geistes, er macht unruhig; es ist Zweiheit des Menschen in sich, er bringt Unglück.
Die Situation des Zweiflers war in der Poesie bei uns Hauptmoment. Das setzt tiefes Interesse an den Inhalt voraus und Verlangen des Geistes, daß dieser Inhalt in ihm befestigt werde oder nicht: entweder das eine oder das andere ist. Zweifel ist Schlaffheit, um zu nichts zu kommen; es soll den feinen scharfsinnigen Denker bekunden, ist aber Eitelkeit, Quäkelei.
Heutzutage ist der Skeptizismus ins Leben getreten, - diese allgemeine Negativität.
Der alte Skeptizismus zweifelt nicht, sondern er ist der Unwahrheit gewiß;
er irrlichtert nicht nur mit Gedanken hin und her, die die Möglichkeit lassen, daß dies doch noch wahr sein könnte,
sondern er beweist mit Sicherheit die Unwahrheit.
Oder sein Zweifeln ist ihm Gewißheit, hat nicht die Absicht, zur Wahrheit zu gelangen, läßt nicht unentschieden,
sondern ist schlechthin Entschiedenheit, vollkommen fertig; dies Entschiedene ist ihm aber nicht eine Wahrheit,
sondern die Gewißheit seiner selbst.
Es ist Ruhe, Festigkeit des Geistes in sich, - nicht mit einer Trauer.

Vorher Geschichte des Skeptizismus.
Die Geschichte des eigentlich sogenannten Skeptizismus wird gewöhnlich mit
Pyrrhon angefangen; daher auch der Name Pyrrhonismus.41) Es ist schon erinnert, daß er im unbestimmten Sinne älter.
Die Skeptiker selbst, z. B. Sextus Empiricus, aber sprechen davon, daß er sehr alt sei. Sextus Empiricus, der Hauptschriftsteller über den Skeptizismus, fängt geschichtlich von demselben zu sprechen an.
Im unbestimmten Sinne führen nämlich die Skeptiker an, schon Homer sei ein Skeptiker gewesen, weil er von denselben Dingen auf entgegengesetzte Weise spreche. Hierher rechnen sie dann Bias mit seinem Wahlspruch:
Verbürge dich nicht (dies hat den allgemeinen Sinn: Halte nicht irgend etwas für etwas, halte dich überhaupt nicht an irgend etwas, dem du dich hingibst, man solle nicht glauben an die Festigkeit irgendeines Verhältnisses, Gegenstandes usf.); so die negative Seite der Xenophanischen, Parmenideischen Philosophie; Heraklit mit seinem Prinzip, daß alles fließe, alles mithin widersprechend und vergänglich sei; Platon und die Akademie, nur daß er hier noch nicht ganz rein ausgedrückt sei.42) Alles dies kann zum Teil als die skeptische Ungewißheit aller Dinge genommen werden. Allein es gehört nicht hierher. Es ist nicht diese bewußte und allgemeine Negativität: nicht diese bewußte, die beweist;
allgemeine, die ihre Unwahrheit des Objektiven auf alles ausdehnt; nicht eine Negativität, die bestimmt sagt, daß alles nicht an sich, sondern nur fürs Selbstbewußtsein ist und alles nur in die Gewißheit seiner selbst zurückgeht. Sonst grenzte die Neue Akademie so nahe an den Skeptizismus, daß die Skeptiker genug zu tun hatten, sie sich vom Halse zu halten, und in der skeptischen Schule ein langer wichtiger Streit darüber herrschte, ob Platon und dann die Neue Akademie dem Skeptizismus angehöre oder nicht.43)
Die Skeptiker sind auch sehr sorgfältig, sich von anderen Systemen zu unterscheiden, - so von der Akademie; dieser Unterschied ist weitläufig behandelt. Näheres über den Unterschied von der Neuen Akademie noch nachher.

 Pyrrhon also gilt für den Stifter des eigentlichen Skeptizismus. Sextus Empiricus sagt von ihm44) , daß er körperlicherweise (substantieller, vollständiger) und deutlicher an die Skepsis gegangen sei, mit bestimmtem Bewußtsein, mit bestimmtem Ausdruck.
Er ist älter als mehrere der schon Betrachteten. Allein indem der Skeptizismus überhaupt zusammenzufassen ist, so ist der gebildetere Skeptizismus, der sich mehr gegen das Gedachte richtet, später; erst dieser hat eigentliches Aufsehen gemacht und gehört dem Denken an. Der Skeptizismus des Pyrrhon geht gegen die unmittelbare Wahrheit teils des Sinnlichen sowie des Sittlichen, - nicht diese Wahrheit als gedachte; wie weiterhin sich näher ergeben wird.

Was seine Lebensumstände45) anbetrifft, so sehen sie ebenso skeptisch aus als seine Lehre; es ist wenig Sicheres bekannt.
Pyrrhon gehört in Aristoteles' Zeit, war aus Elis gebürtig. Ich will die Namen seiner Lehrer nicht anführen; besonders wird darunter Anaxarch, ein Schüler Demokrits erwähnt. Wo er eigentlich gelebt hat, wenigstens den größten Teil, ist nicht zu bestimmen.
Die Umstände seines Lebens sind ohne Zusammenhang. Als ein Beweis, wie sehr er während seines Lebens in Achtung gestanden,
wird angeführt, daß seine Vaterstadt ihn sogar zum Oberpriester erwählt und die Stadt Athen ihm das Bürgerrecht geschenkt habe.
Endlich wird erwähnt, daß er Alexander den Großen auf seinem Zuge nach Asien begleitet habe; dort wird ihm viel mit den Magiern und Brahmanen zu tun gemacht.
Man erzählt, Alexander habe ihn hinrichten lassen, weil er den Tod eines persischen Satrapen verlangt haben soll; und dieses Schicksal habe ihn in seinem 90. Jahre betroffen. Ist dieses alles so gegründet, so muß, da Alexander etwa zwischen 12 und 14 Jahren in Asien zubrachte, also Pyrrhon frühstens noch im 78. Jahre sich zur Reise dahin aufgemacht haben.
Pyrrhon scheint nicht als öffentlicher Lehrer aufgetreten zu sein, sondern nur einzelne, von ihm gebildete Freunde hinterlassen zu haben. Von ihm hießen die Skeptiker auch Pyrrhonier46) , ohne daß er doch eine Schule (αἵϱεσις) gestiftet; eine eigentliche Schule lag auch nicht in der Manier, im Geiste des Skeptizismus. Sextus sagt47) :
Skeptizismus ist nicht Häresis, Wahl für Dogmen, sondern nur eine Agoge (ἀγωγή), äußere Häresis nur im weitläufigeren Sinne;
mehr eine Anleitung, recht zu leben, richtig zu denken - nicht ein Vorzug für gewisse Dogmen -, Anleitung zum Skeptizismus.
Mehr als von seinen Lebensumständen werden Anekdoten von seinem persönlichen skeptischen Betragen erzählt, worin dasselbe lächerlich gemacht werden soll; wo denn das Allgemeine des Skeptizismus gegen einen besonderen Fall gesetzt wird, so daß in konsequent scheinende Verhältnisse und an solche das Widersinnige als von sich selbst einwuchert, - das Verhalten für sich selbst als widersinnig erscheint. Weil er nun behauptete, die Realität der sinnlichen Dinge habe keine Wahrheit, so erzählt man z. B., daß er im Gehen keinem Gegenstande, keinem Pferde oder Wagen, das auf ihn zurannte, aus dem Wege gegangen oder auch auf eine Wand geradezu losmarschiert sei, in dem gänzlichen Unglauben an die Gewißheit sinnlicher Empfindung und dergleichen; und daß nur seine Freunde, die ihn umgaben, ihn immer vor solchen Gefahren weggezogen und gerettet hätten. Das fällt aber weg, wenn er 90 Jahr alt nach Asien ging; dergleichen Anekdoten sind töricht, weil es nicht denkbar ist, daß er so hätte dem Alexander folgen können.
Man sieht aber zum Teil wohl sogleich, daß solche Anekdoten bloß erdichtet sind, um seine Philosophie zu persiflieren, diese Geschichten den Zweck haben, das skeptische Prinzip in seinem Extreme, in Konsequenzen zu zeigen, um den Skeptizismus lächerlich zu machen.
Den Skeptikern gilt allerdings das sinnliche Sein, aber als Erscheinung, sich im Leben danach zu betragen, nicht aber, es für Wahrheit zu halten. Sextus Empiricus sagt von den Neuakademikern, eine ihrer Lehren sei gewesen, man müsse sich im Leben betragen nicht nur nach den Regeln der Klugheit, sondern auch nach den Gesetzen der sinnlichen Erscheinung.

Nach Pyrrhon ist besonders Timon48) der Phliasier, der Sillograph berühmt geworden. Von seinen Sillen, d. h. bissigen Einfällen über alle Philosophien, werden viele von den Älteren angeführt; bitter sind und schmähend sie wohl, aber viele eben nicht sehr witzig und des Aufhebens wert. Der Dr. Paul hat sie in einer Dissertation gesammelt; aber es ist viel Unbedeutendes darunter. Goethes und Schillers ähnliche Sachen sind allerdings geistreicher.

Die Pyrrhonier verschwinden hierauf, scheinen überhaupt mehr oder weniger nur vereinzelt vorhanden gewesen zu sein.
Und den Peripatetikern, Stoikern und Epikureern sehen wir in der Geschichte lange mehr nur die Akademiker gegenüberstehen, und was von älteren Skeptikern etwa auch erwähnt wird.

Den Skeptizismus erweckte insbesondere erst Ainesidemos wieder, ein Gnossier aus Kreta, der zu Ciceros Zeiten in Alexandrien lebte49) , welches bald mit Athen um den Sitz der Philosophie und der Wissenschaften zu wetteifern anfängt.
In folgenden Zeiten verliert sich die Akademie in den Skeptizismus, die ohnedem nur noch eine dünne Scheidewand von ihm trennt;
und wir sehen den Skeptizismus herrschend, als die negative Seite. Pyrrhons Skeptizismus zeigt noch nicht viel Bildung und Richtung auf den Gedanken, sondern geht nur gegen das Sinnliche; ein solcher Skeptizismus konnte bei der Bildung der Philosophie als Stoizismus, Epikureismus, Platonismus usf. kein Interesse haben. Und daß der Skeptizismus erst mit der Würde auftrat, die der Philosophie angemessen ist, dazu gehört, daß er selbst nach der Seite der Philosophie ausgebildet wurde; dies hat nun Ainesidemos getan.

Einer der berühmtesten Skeptiker, dessen Werke wir großenteils noch haben, der bei weitem wichtigste für uns, ist jedoch Sextus Empiricus, von dessen Leben uns leider so gut als gar nichts bekannt ist. Er hieß Empiricus, weil er ein Arzt war.
Daß er ein empirischer Arzt war, der nicht nach der Theorie, sondern nach dem, was scheint, handelte, lehrt uns sein Name.
Ausführliche Darstellungen dieses Philosophierens haben wir von ihm. Er lebte, lehrte ungefähr in der Mitte des zweiten Jahrhunderts nach Christus.
Seine Werke teilen sich in zwei Partien:
1. Seine Pyrrhonianae hypotyposes in drei Büchern geben uns mehr eine allgemeine Darlegung des Skeptizismus überhaupt;
2. von seinen Büchern Adversus mathematicos - d. h. gegen die Wissenschaft überhaupt, speziell gegen die Geometrie, Arithmetik, Grammatiker, Musiker, Logik, Physik und Ethik -, in allem elf, sind sechs wirklich gegen die Mathematiker gerichtet, die anderen fünf aber gegen die Philosophen.

In dem, was die Philosophie oder vielmehr die Manier der Skeptiker ausmacht, trennt sich ebenso dasjenige, was dem Skeptizismus des Pyrrhon und der älteren angehört, von dem, was die neueren zu dieser Manier hinzugefügt haben, wie bei der näheren Betrachtung zu sehen sein wird.

Schon ist der Unterschied zwischen der Akademie und dem Skeptizismus berührt worden, - eine Materie, welche von Skeptikern viel bearbeitet worden. Ein Hauptsatz des Skeptizismus ist, daß man seine Zustimmung zurückhalten müsse. Der Unterschied von der neueren Akademie ist nur in der Form des Ausdrucks. Weither ist dieser Unterschied eben nicht und gründet sich überhaupt auf die Sucht der Skeptiker, alle Art von behauptendem (dogmatischem) Ausdrucke abzuschneiden und zu vermeiden: daß ihnen in dem,
was sie von dem Skeptizismus sagen, kein Sein, kein Aussprechen eines Seins aufgezeigt werden könne; so daß sie z. B. in einem Satze statt Sein immer Scheinen (ϕαίνεσϑαι) setzen. Sie sagen: "Nichts bestimmen (οὐδεν ὁϱίζειν); alles ist falsch",
oder "Nichts ist wahr; οὐδὲν μαλλον hält der Skeptiker auch nicht dafür, sagt sich auch von sich selbst."50)
Die Neue Akademie des Karneades sagt nicht irgend etwas als das Wahre und Seiende aus oder als etwas, dem das Denken zustimmen könne. Die Skeptiker stehen so der Akademie sehr nahe. Der reine Skeptizismus setzt so an der Akademie nur aus, daß sie noch unrein sei, indem sie sage, solches Zustimmen sei ein Übel, die Zurückhaltung des Beifalls aber ein Gut, - weil sie sagen, es sei, und nicht, es scheine; deshalb haben sie sich nicht hervorgehoben zur Reinheit der Skepsis. Es ist dies aber nichts als eine bloße Form; denn der Inhalt hebt das, was in der Form läge, was wie behauptend aussähe, sogleich auf. Wenn wir sagen, "es ist etwas ein Gut, das Denken stimmt ihm zu", und fragen wir, "aber was ist das Gut, was ist das, dem das Denken zustimmt, als wahr setzt", so ist der Inhalt hier dies, daß es nicht zustimmen solle; also die Form ist, "es ist ein Gut", aber der Inhalt ist, daß man nicht etwas für gut, für wahr gelten lassen soll.
So setzen sie auch aus, daß die Akademiker, wie erwähnt, sagen, man müsse eine Wahrscheinlichkeit der anderen vorziehen in bezug auf Wahrheit, als ob eine Vorstellung mehr oder weniger Wahrheit habe oder die Wahrscheinlichkeit das eine dem anderen vorziehbar mache. Die Skeptiker hingegen sprechen weder jenes Sein aus (sie wollen das ist noch in scheint verwandelt wissen), noch unterscheiden sie eine Vorstellung von der anderen in bezug auf den Grund, auf Wahrheit, sondern jede ist ihnen insofern gleich,
- eine ebensowenig ein solches, das als wahr ausgesagt werden kann, als das andere. Vorziehen ist so eine von den Formen, die die Skeptiker auch angreifen; solche Ausdrücke klangen noch zu positiv.51) Es war dies ein Streit, mit dem sie sich viel herumgetrieben haben.

Der Zweck des Skeptizismus aber ist nun im allgemeinen, ...   >>>

 

40) Gottlob Ernst Schulze, 1761-1833, Philosoph

41) Sextus Empiricus, Pyrrhoniae hypotyposes I, 3, § 7

42) Diogenes Laertios IX, § 71-73

43) Sextus Empiricus, Pyrrhoniae hypotyposes I, 33

44) Sextus Empiricus, Pyrrhoniae hypotyposes I, 3,§ 7

45) Diogenes Laertios IX, § 58, 61-65; Brucker I, 1320-1323

46) Diogenes Laertios IX, § 67-70

47) Pyrrhoniae hypotyposes I, 8

48) Diogenes Laertios IX, § 109

49) Diogenes Laertios IX, § 116; Brucker I, 1328

50) Sextus Empiricus, Pyrrhoniae hypotyposes I, 7, § 13-14

51) Sextus Empiricus, Pyrrhoniae hypotyposes I, 33, § 226-233

 

Pyrrhon

 Pyrrhon  Πύρρων,

* circa 360 v. Chr. 
        in Elis ;
† circa 270 v. Chr.

 

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