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Philosophie der Stoiker  >    1. Physik /  >    2. Logik /  >
 

3. Moral

Das Theoretische des Geistes, das Erkennen, fällt in die Untersuchung des Kriteriums, wovon schon gesprochen ist.
Am berühmtesten hat nun die Stoiker ihre Moral gemacht. Sie kommt ebensowenig über dieses Formelle hinaus,
wenn sich gleich nicht leugnen läßt, daß sie in ihrer Darstellung einen Gang genommen haben,
der für die Vorstellung plausibel scheint, in der Tat aber mehr äußerlich und empirisch ist.

a) Begriff der Tugend.
Über dieses Praktische überhaupt führt Diogenes Laertios (VII, § 85-86) näher einige ganz gute Expositionen von Chrysipp an, - psychologische Ausführungen; Chrysipp hält die formale Übereinstimmung seiner mit sich selbst fest. Sie sagen nämlich:
"Die erste Begierde des Tiers geht darauf, sich selbst zu erhalten, nach seiner einheimischen (immanenten),
ursprünglichen bestimmten Natur." Dies hat es durch das ἡγεμονιϰόν.
Das Erste (die Hauptbestimmung in diesem Triebe, ihr Zweck) sei also die Zusammenstimmung des Tiers mit sich selbst und das Bewußtsein hiervon, das Selbstgefühl, sich selbst sich nicht zu entäußern.
So treibt es das Schädliche von sich ab und nimmt das ihm Dienliche auf; Begriff des Aristoteles von der Natur, des Zweckmäßigen, - Prinzip der Tätigkeit, Gegensatz und Aufhebung. Nicht das Vergnügen sei das Erste, sondern dies (das Gefühl der Befriedigung) komme nur erst hinzu, wenn die Natur eines Tiers, die sich durch sich selbst sucht, das, was seiner Zusammenstimmung mit sich gemäß ist, in sich empfängt; - ebenfalls beifallswürdig: Selbstgefühl, Vergnügen ist eben diese Rückkehr, Bewußtsein dieser Einheit; ich genieße etwas, meine Einheit als dieses Einzelnen im gegenständlichen Elemente. So ist es auch in Ansehung des Menschen; seine Bestimmung ist, sich selbst zu erhalten, aber mit bewußtem Zweck, mit Besonnenheit, nach dem λόγος.
"In den Pflanzen wirkt die Natur ohne Trieb und Begierde; aber dies ist in den Tieren nicht geschieden, sondern so, daß auch in uns einiges nach Weise der Pflanze."
In der Pflanze ist auch der λόγος als Same, der λόγος σπεϱ?ματιϰ?ός, - aber bei ihr ist er nicht als Zweck, ist nicht ihr Gegenstand;
sie weiß nichts davon. "In den Tieren kommt der Trieb hinzu; in diesen macht die Natur dem Ursprünglichen das, was nach dem Triebe ist, gemäß", - d. h. der Endzweck des Triebs ist eben das Ursprüngliche seiner Natur, es geht auf seine Selbsterhaltung.
"Die vernünftigen Tiere aber machen ebenso die Natur zum Zwecke; im Menschen ist der λόγος, das Vernünftige macht er zu seinem Zwecke. Und die Vernunft wird in ihnen der Künstler des Triebes", die ein Kunstwerk beim Menschen aus dem macht, was nur Trieb ist. (Dies sieht aus wie Rezepte der Stoiker, die rechten Beweggründe zur Tugend zu finden.)

Deswegen ist das Prinzip der Stoiker im allgemeinen das: Man müsse der Natur gemäß leben, d. h. der Tugend gemäß leben;
denn zu ihr führt (ἄγει) uns die (vernünftige) Natur. Das ist das höchste Gut, der Endzweck von allem; der Natur gemäß leben,
heißt vernünftig leben. Aber auch hier sehen wir denn sogleich, daß wir damit nur formell im Kreise herumgeführt werden.
Der Natur gemäß leben, darin besteht die Tugend; und was der Natur gemäß ist, ist die Tugend. Das Denken soll bestimmen,
was der Natur gemäß ist; der Natur gemäß ist aber nur das, was durch den λόγος bestimmt ist. Dies ist ganz formell.
Denn was ist der Natur gemäß?
Der λόγος. - Was ist der λόγος?
Was der Natur gemäß ist. Näher bestimmen sie so, was der Natur gemäß sei: nämlich was uns die Erfahrung und die Einsicht von den Gesetzen sowohl der allgemeinen Natur als unserer Natur lehre. "Diese Natur ist das allgemeine Gesetz, die richtige Vernunft, die durch alles hindurchgedrungen ist" - unsere richtige Vernunft und die allgemeine -, "dieselbe im Jupiter, dem Lenker (ϰαϑηγεμόνι) des Systems der Dinge. Die Tugend des Glücklichen ist diese, wenn alles geschieht in der Übereinstimmung des Genius (δαίμονος) eines jeden nach dem Willen der Ordnung des Ganzen."65)
Dies bleibt also alles in dem allgemeinen Formalismus stehen.

Indem die Tugend überhaupt das dem Wesen oder Gesetze der Dinge Angemessene ist, so hieß im allgemeinen Sinne bei den Stoikern alles Tugend in jedem Fache, was das Gesetzmäßige desselben ist. Sie sprechen deswegen von "logischen, physischen Tugenden"66) , - eine Moral, welche die einzelnen Pflichten dadurch darstellt, daß sie die einzelnen natürlichen Verhaltnisse durchgeht, in denen der Mensch ist, und zeigt, was in ihnen vernünftig ist, - Weg des Räsonnements, Gründe, wie wir bei Cicero sehen.

Die Tugend ist, dem Gedachten zu folgen, d. h. dem allgemeinen Gesetze, der richtigen Vernunft. Etwas ist insofern sittlich und recht, als allgemeine Bestimmung darin vollführt, zur Darstellung gebracht ist. Das ist das Substantielle, die Natur eines Verhältnisses; dieses ist die Sache. Das ist nur im Denken. Das Allgemeine im Handeln muß die letzte Bestimmung sein; das ist richtig. Dieses Allgemeine ist nicht abstrakt, sondern das Allgemeine in diesem Verhältnisse; z. B. im Eigentum wird das Besondere auf die Seite gestellt.
Der Mensch muß also als denkend gebildeter Mensch handeln. Nach seiner Einsicht muß er handeln und die Triebe, Neigungen dem Allgemeinen unterordnen; denn diese sind einzeln. In jedem Tun des Menschen ist Einzelnes, das Tun ist Besonderes;
es ist aber Unterschied, ob das Besondere als solches festgehalten wird oder ob in diesem Besonderen das Allgemeine festgehalten wird. Im Festhalten dieses Allgemeinen besteht das Energische des Stoizismus. 

Dieses Allgemeine hat so noch keinen Inhalt, ist unbestimmt; dadurch ist ihre Tugendlehre mangelhaft, hohl, leer, langweilig. Die Tugend wird energisch, erweckend, erbaulich empfohlen; was aber dies allgemeine Gesetz, die Tugend sei, da fehlt es an Bestimmungen.

b) Die andere Seite zum Guten ist nun die äußerliche Existenz und die Zustimmung der Umstände, der äußeren Natur zu dem Endzweck des Menschen. Das Gute ist dies Gesetzmäßige, in Beziehung auf den Willen ausgesprochen; es ist der Gegenstand als praktisch.
Sie bestimmten es als Gegenstand zugleich als das Nützliche: "entweder an und für sich unmittelbar nützlich, oder nicht entfernt von der Nützlichkeit"; so daß überhaupt das Nützliche gleichsam das Akzidenz der Tugend ist. "Das an sich Gute ist das Vollkommene"
(seinen Zweck Erfüllende) "nach der Natur des Vernünftigen, als vernünftig, - die Tugend; das Hinzukommende sei die Freude, Vergnügen und dergleichen", Zweck des Individuums, seine Befriedigung für sich. Sie unterschieden das vielfache Gute als
"Gutes der Seele und äußerliches; jenes die Tugenden und die Handlungen derselben, - dieses z. B. einem edlen Vaterlande anzugehören, tugendhaften Freund haben und so fort. Weder äußerlich noch in dem Selbstbewußtsein liege es allein, wenn derselbe
Eine tugendhaft und glücklich ist."67) Diese Bestimmungen sind nun ganz gut. Was die Nützlichkeit betrifft, so braucht die Moral nicht so spröde dagegen zu tun; denn jede gute Handlung ist in der Tat nützlich, d. h. eben, sie hat Wirklichkeit, bringt etwas Gutes hervor.
Eine gute Handlung, die nicht nützlich ist, ist keine Handlung, hat keine Wirklichkeit. Das Unnützliche an sich des Guten ist die Abstraktion desselben als einer Nichtwirklichkeit. Man darf nicht nur, sondern muß auch das Bewußtsein der Nützlichkeit haben; denn es ist wahr, daß das Gute nützlich ist zu wissen. Die Nützlichkeit heißt nichts anderes als wissen, was man tut, Bewußtsein über die Handlung zu haben. Wenn dieses Bewußtsein tadelhaft ist, so ist es ebenso noch mehr, viel von der Güte seiner Handlung zu wissen und sie weniger in der Form der Notwendigkeit zu betrachten. Jene Einheit der Tugend und der Glückseligkeit, die Mitte, ist als das Vollendete vorgestellt, nicht nur weder dem Selbstbewußtsein noch dem Äußeren angehörig. Die Verbindung der Tugend und Glückseligkeit aber ist dasjenige, was für das große Problem auch in neueren Zeiten angesehen worden: ob die Tugend an und für sich glücklich mache oder nicht oder der Begriff der Glückseligkeit in ihrem Begriffe liege.

α) Allgemeine Beantwortung dieser Frage. Erinnern wir uns des Obigen, des Prinzips der Selbsterhaltung, daß die Tugend auf die vernünftige Natur gehe. Die Erfüllung seines Zwecks ist Glückseligkeit, - sich realisiert finden, und wissen, Anschauen seiner selbst als eines Äußerlichen; eine Übereinstimmung seines Begriffs, seines Genius mit seinem Sein, mit seiner Realität.
Diese Übereinstimmung ist Glückseligkeit, wie wir gesehen. Stimmt nun die Tugend mit der Glückseligkeit überein? heißt:
Das tugendhafte Handeln, realisiert es sich an und für sich selbst? Wird der Mensch sich darin unmittelbar selbst zum Gegenstande? Kommt er zur Anschauung seiner selbst als Gegenständlichen oder des Gegenständlichen als seiner?
- Es liegt dies im Begriff des Handelns, und zwar des guten Handelns. Denn das Schlechte zerstört das Wesen, es ist der Selbsterhaltung entgegengesetzt; das Gute ist eben, das auf seine Selbsterhaltung geht und sie bewirkt. Dies ist die allgemeine Beantwortung dieser Frage: Guter Zweck ist der Inhalt, der im Handeln sich realisiert. Allein so betrachtet hat eigentlich weder das Bewußtsein des an sich seienden Zwecks genau die Bedeutung der Tugend, noch sein Handeln genau die Bedeutung des tugendhaften Handelns, noch die Realität, die es erlangt, die Bedeutung der Glückseligkeit. Der Unterschied liegt darin. Die Stoiker sind nur bei diesem allgemeinen Begriffe stehengeblieben und haben ihn unmittelbar als Wirklichkeit gesetzt; in dieser ist aber damit auch nur der Begriff des tugendhaften Handelns ausgedrückt, nicht die Realität. Bei diesem sind die Stoiker stehengeblieben.

β) Ein Weiteres ist, daß die Frage aufgeworfen wurde, wie sich Tugend und Glückseligkeit zueinander verhalten.
Dieses Thema haben auch die Epikureer behandelt. Tugend ist dies, der Natur gemäß, dem allgemeinen Gesetze zufolge zu leben. Diesem und dem Willen, der es vollbringt, steht Befriedigung des Subjekts als solchen in seiner Besonderheit entgegen.
Ich bin nur der formelle Charakter, die Energie des Allgemeinen; ich bin nur formelle Tätigkeit des Gesetzes.
Zweitens bin ich aber auch besonderes Individuum; danach fordere ich auch Übereinstimmung. Ich bin Übereinstimmung mit mir als denkend, das Allgemeine wollend; dann bin ich abstrakt Dieser. Diese Besonderheit hat nach den verschiedensten Seiten Dasein, Existenz in mir; im Einzelnen ist Voraussetzung bestimmter Triebe. Daß mein Dasein mit den Forderungen meiner Besonderheit übereinstimme, ist das Zweite; hierher gehört Lust, Vergnügen. Beides kommt nun in Kollision miteinander; und indem ich die eine oder die andere Befriedigung suche, bin ich in Kollision mit mir, weil ich auch Einzelner bin. Die Stoiker sagten, das an sich Gute, das Vollkommene nach der Natur ist die Tugend. Lust, Vergnügen kann hinzukommen; es ist aber gleichgültig, wenn es auch nicht kommt. Diese Befriedigung ist nicht Zweck; es kann ebenso Schmerz hinzukommen. Diese Gegensätze sind honestum und utile bei Cicero;
um ihre Vereinigung handelt es sich.68) Die Stoiker sagten: Nur Tugend sei zu suchen; mit der Tugend ist aber für sich selbst Glückseligkeit gefunden, sie beseligt für sich als solche. Diese Glückseligkeit ist die wahrhafte, unerschütterliche, wenn auch sonst der Mensch in Unglück ist. 

Eine Hauptform in Rücksicht auf die Moral, die auch bei Cicero vorkommt, ist finis bonorum et malorum, summum bonum, das höchste Gut; dies ist bei den Stoikern die richtige Vernunft, das höchste Prinzip, - und daß dies für sich festzuhalten ist.
Da tritt nun sogleich der Gegensatz ein von Tugend und Glückseligkeit, - in abstrakter Form: von Denken (λόγος) und Bestimmung desselben. Was wir bei den Stoikern sehen und was sie auszeichnet, ist, daß der Mensch und der Weise sich nur nach der Vernunft betrage. Dies Sich-nach-der-Vernunft-Betragen enthält näher die Abstraktion des Menschen in sich, die Konzentration des Menschen in sich; so daß er Verzicht leistet, gleichgültig ist gegen alles, was den unmittelbaren Trieben, Empfindungen usf. angehört.
In diesem ganz formellen Prinzip, sich nur in sich zusammenzuhalten, sich denkend zu halten in reiner Übereinstimmung mit sich, liegt das Versagen, das Sich-gleichgültig-Machen gegen jeden besonderen Genuß, Neigung, Leidenschaft, Interesse.
Hierin liegt die Kraft, diese innere Unabhängigkeit, diese Freiheit des Charakters in sich, die die Stoiker ausgezeichnet hat.
Es wird nun näher viel darüber gesprochen, worin die Glückseligkeit, der Genuß zu suchen sei; Glückseligkeit heißt im allgemeinen nichts als das Gefühl der Übereinstimmung mit sich. Das Angenehme beim sinnlichen Genuß sagt uns zu, es ist eine Übereinstimmung mit uns darin enthalten; das Widrige, Unangenehme dagegen ist eine Negation, ein Mangel am Entsprechen unserer Triebe.
Die Stoiker haben nun eben die Übereinstimmung des Innern mit sich als wesentlich gesetzt; und das Bewußtsein oder nur das Gefühl dieser Übereinstimmung ist dann der Genuß. Diese Übereinstimmung wird aber bei den Stoikern wesentlich nur gesetzt als Übereinstimmung des Innern mit sich; und in der Tugend ist dann so der Genuß selbst enthalten. Es ist dieser Genuß jedoch ein Sekundarium, eine Folge, die insofern nicht zum Zweck gemacht werden, sondern nur als ein Akzessorium betrachtet werden soll.
Diese Energie der Stoiker, daß der Mensch nur dies zu suchen habe, sich selbst gleich zu bleiben, zu werden, zu erhalten, frei zu sein, ist das Ausgezeichnete bei ihnen; was aber zusammenhängt mit dem Formellen selbst, was ich angegeben habe.

Das Prinzip der stoischen Moral ist also das Zusammenstimmen des Geistes mit sich selbst; aber es ist darum zu tun, daß dies nicht formell bleibe. Und da ergibt sich gleich der Gegensatz von dem Zusammenhalten in sich und dem, was nicht mehr darin, was ausgeschlossen ist. Man sagt, der Mensch ist frei und hat Beziehung auf Anderes; darin ist er nun aber nicht frei, sondern abhängig,
- und in diese Seite fällt die Glückseligkeit. Meine Unabhängigkeit ist nur die eine Seite, der die andere Seite, die besondere Seite meiner Existenz deshalb noch nicht entspricht. Es ist also die alte Frage, die in dieser Zeit hervorgetreten ist, die der Harmonie von Tugend und Glückseligkeit. Wir sagen statt Tugend Moralität, indem das, wonach ich mich in meinen Handlungen richten soll, nicht mein Wille sein soll, der zur Gewohnheit geworden ist wie in der Tugend; Moralität enthält wesentlich meine subjektive Reflexion, meine Überzeugung, daß das, was ich tue, den allgemeinen, vernünftigen Willensbestimmungen, den allgemeinen Pflichten gemäß ist. Jene Frage ist eine notwendige, ein Problem, das uns auch zu Kants Zeit beschäftigt hat; und der Punkt, von wo aus es aufzulösen ist, geht darauf, in was die Glückseligkeit zu setzen ist. Darüber kann man denn viele triviale Dinge hören, z. B. dem Tugendhaften gehe es oft schlecht, dem Lasterhaften gut, er sei glückselig usf. Unter dem Gutgehen sind dann alle äußerlichen Umstände begriffen, und im Ganzen ist der Inhalt dann ganz platt; Erreichung gewöhnlicher Zwecke, Absichten, Interessen machen ihn aus. Dergleichen Absichten, Interessen kündigen sich jedoch gleich als nur zufällig, äußerlich an; und über diesen Standpunkt des Problems ist man bald hinaus, so daß die äußerlichen Genüsse, Reichtum, Vornehmigkeit usf. nicht der Tugend, der Glückseligkeit gemäß sind. Es kommt also darauf an, in was die Glückseligkeit zu setzen ist; vom Äußerlichen dem Zufalle Preisgegebenen muß man jedoch sogleich abbrechen.

Die Stoiker haben nun gesagt, die Glückseligkeit ist der Genuß oder die Empfindung der Übereinstimmung selbst, die jedoch nur als innere Freiheit, innere Notwendigkeit, innere Übereinstimmung mit sich selbst ist. Sie sind verlacht worden, weil sie gesagt haben,
der Schmerz ist kein Übel.69) Von Zahnschmerzen usf. ist nicht die Rede in diesem Problem. Man muß wissen, daß man dergleichen hingegeben ist; ein solcher Schmerz und Unglück ist aber zweierlei. Das Problem ist durchaus nur so zu verstehen, daß gefordert wird eine Harmonie des vernünftigen Wollens mit der äußerlichen Realität. Dahin gehört denn auch die Sphäre des besonderen Daseins, der Subjektivität, des Persönlichen, der besonderen Interessen. Aber von diesen Interessen gehört auch wieder nur das Allgemeine in diese Realität, denn nur insofern es allgemein ist, kann es harmonieren mit der Vernünftigkeit des Willens. Leiden, Schmerz usf., sagen die Stoiker, ist kein Übel; und dies ist ganz richtig. Es ist kein Übel, wodurch die Gleichheit mit mir selbst, meine Freiheit gestört werden könnte; es kann mich nicht in mir entzweien, ich bin im Zusammenhalten mit mir erhaben über dergleichen: ich kann es wohl empfinden, aber es soll mich nicht entzweien. Diese innere Einheit mit mir, als empfunden, ist die Glückseligkeit; und diese wird nicht gestört durch äußerliche Übel. Das Große in der stoischen Philosophie ist, daß in den Willen, wenn er so zusammenhält, nichts einbrechen kann,
alles andere draußen gehalten wird, der Schmerz selbst nicht Zweck werden kann, der befriedigt werden soll.

γ) Ein anderer Gegensatz ist der innerhalb der Tugend selbst. Indem die richtige Vernunft allein das Bestimmende des Handelns sein soll, so gibt es eigentlich keine feste Bestimmung mehr. Das allgemeine Gesetz soll zur Richtschnur genommen werden.
Alle Pflicht ist immer besonderer Inhalt; sie können freilich in allgemeiner Form gefaßt werden, das tut aber dem Inhalte nichts.
Ein letztes entscheidendes Kriterium, was gut sei, kann nicht aufgestellt werden. Jeder Grundsatz ist gleich ein Besonderes;
insofern der Grundsatz bestimmungslos ist, fällt die letzte Entscheidung in das Subjekt. Wie früher das Orakel das Entscheidende war,
so ist bei dem Beginne dieser tieferen Innerlichkeit das Subjekt zum Entscheidenden des Rechts gemacht. In Athen war durch Sitte das Rechtliche, Sittliche bestimmt; dieses hat seit Sokrates aufgehört, ein Letztes zu sein. Bei den Stoikern fällt alle äußere Bestimmung weg; das Entscheidende kann nur als ein Subjektives sein, es entscheidet aus sich als letzter Instanz (Gewissen).

Es gibt nur eine Tugend70) , und der Weise ist der Tugendhafte. Wieder sehen wir die höchste Bestimmung in das Subjekt als solches gesetzt. Obschon sich hierauf viel Erhebendes und Erbauliches stützen läßt, so mangelt es doch an einer wirklichen Bestimmung.
Aber das hat die Stärke und Kraft des Stoizismus ausgemacht, daß das Bewußtsein für das Wahre in sich gehe und den Bestimmungen seiner Vernunft folge. Dieses Folgen der Vernunft ist dem Vergnügen entgegengesetzt. In nichts also soll man seine Bestimmung oder Befriedigung suchen als eben darin, seiner Vernunft gemäß zu sein, sich in sich, nicht aber in etwas äußerlich Bedingtem zu befriedigen.
Ist nun auch diese Unabhängigkeit und Freiheit nur formell, so muß man doch die Größe dieses Prinzips anerkennen.

Über das Leidenschaftliche als etwas Widersprechendes ist von den Stoikern viel räsoniert worden. Senecas und Antonins Schriften enthalten viel Wahres und mögen den noch nicht zu höherer Überzeugung gelangten Menschen sehr lehrreich unterstützen.
Man wird Senecas Talent anerkennen, aber sich auch überzeugen müssen, daß das nicht ausreiche. Antonin (VIII, § 7) zeigt psychologisch, daß Lust, Vergnügen kein Gut. "Reue ist ein gewisser Tadel seiner selbst, weil man etwas Nützliches verfehlt hat
(παϱειϰέναι); das Gute muß etwas Nützliches sein, und der schöne und gute Mensch muß dasselbe sich angelegen sein lassen"
(zu seinem Interesse machen). "Kein schöner und guter Mensch aber wird Reue empfinden, daß er ein Vergnügen (ἡδονήν) verfehlt (vorbeigelassen, nicht gehabt) hat; das Vergnügen ist also nichts Nützliches noch Gutes."
- "Wer Begierde des Ruhms nach seinem Tode hat, bedenkt nicht, daß jeder, der ihn im Andenken hat, auch selbst stirbt, und wieder, der auf diesen folgt, bis alle Erinnerung durch diese Bewundernden und Untergegangenen selbst erlischt."

c) Die Stoiker haben auch die Manier gehabt, ein Ideal des Weisen aufzustellen; d. h. weiter nichts als der Wille des Subjekts,
der in sich nur sich will, bei dem Gedanken des Guten stehenbleibt, weil es gut ist, fest sich durch nichts anderes, Begierde, Schmerz usf., bewegen läßt, nur seine Freiheit will, alles andere aufzugeben bereit ist, - der, wenn er auch äußerlich Schmerz, Unglück empfindet,
dies doch von der Innerlichkeit seines Bewußtseins abtrennt.

Die Frage nun, warum hat das Aussprechen der Moralität bei den Stoikern die Form des Ideals des Weisen.
Da der bloße Begriff des tugendhaften Bewußtseins, Handelns nach dem an sich seienden Zwecke das einzelne Bewußtsein ist,
das Element der sittlichen Realität, so sehen wir bei den Stoikern die reale Sittlichkeit so ausgesprochen als das Ideal des Weisen.
Wenn die Stoiker über den bloßen Begriff des Handelns für an sich seienden Zweck hinausgegangen wären, so würden sie nicht nötig gehabt haben, es als ein Subjekt auszudrücken. Die Tugend ist die vernünftige Selbsterhaltung. Was ist aber das, was dadurch hervorgebracht wird? Eben das vernünftige Selbsterhalten. Dies ist ein formaler Ausdruck. Die sittliche Realität ist nicht ausgesprochen als das bleibende, hervorgebrachte und sich immer hervorbringende Werk. Die sittliche Realität ist eben dies, zu sein.
Wie die Natur ein bleibendes, seiendes System ist, ebenso soll auch das Geistige als solches eine gegenständliche Welt sein.
Zu dieser Realität sind die Stoiker nicht gekommen. Oder wir können dies auch so fassen: ihre sittliche Realität ist nur der Weise,
- ein Ideal, nicht eine Realität; Ideal in der Tat der bloße Begriff, dessen Realität nicht dargestellt ist.
Diese Subjektivität ist schon darin ausgedrückt, daß die sittliche Wesenheit, als Tugend ausgedrückt, unmittelbar die Gestalt hat,
daß damit nur die sittliche Wesenheit des Einzelnen gemeint ist, - Eigenschaft des Einzelnen.
Diese Tugend als solche, insofern sie gemeint ist, kann nun nicht an und für sich zur Glückseligkeit gelangen;
aber Glückseligkeit wäre die Seite der Realisierung, aber auch nur des Einzelnen.
Denn die Glückseligkeit wäre eben der Genuß des Einzelnen, die Zusammenstimmung des Seins, der Existenz mit ihm als Einzelnem;
aber mit ihm als Einzelnem eben stimmt sie nicht zusammen, nur mit ihm als allgemeinem Menschen.
- Als einzelner Mensch aber muß der Mensch nicht wollen, daß sie mit ihm zusammenstimme:
nämlich er muß eben gegen die Einzelheit seiner Existenz gleichgültig sein, ebensosehr gegen die Zusammenstimmung als gegen die Nichtzusammenstimmung zu dem Einzelnen, ebensosehr der Glückseligkeit entbehren können, als, wenn er sie besitzt, frei von ihr sein, - oder eine Zusammenstimmung seiner mit sich selbst als eines Allgemeinen. Es ist darin eben nur der Begriff enthalten oder die subjektive Sittlichkeit; aber so, als subjektiv, ist dies ihr wahres Verhältnis. Sie ist diese Freiheit des in sich ruhenden und sich unabhängig von den Gegenständen genießenden Bewußtseins; und dies ist dann das Ausgezeichnete und Große der stoischen Moral.
Man kann diese Glückseligkeit auch zum Unterschiede von der anderen die wahre Glückseligkeit nennen; aber überhaupt ist Glückseligkeit alsdann ein schiefer Ausdruck. Der Selbstgenuß des vernünftigen Bewußtseins in sich ist ein so unmittelbar Allgemeines;
es ist ein Sein, das durch die Bestimmung der Glückseligkeit verstellt wird. Denn eben in der Glückseligkeit liegt das Moment des Selbstbewußtseins als seiner Einzelheit. Aber dieses unterschiedene Bewußtsein ist nicht in jenem Selbstgenusse;
sondern in jener Freiheit genießt das Einzelne sich selbst als Allgemeines oder Selbstgefühl seiner Allgemeinheit.
Das Streben nach der Glückseligkeit, nach dem geistigen Vergnügen, und das Schwatzen von der Vortrefflichkeit der Vergnügungen der Wissenschaft und Kunst usw. ist etwas Schales; denn die Sache selbst, mit der sich darin beschäftigt wird, hat eben nicht mehr die Form des Vergnügens, oder eben sie hebt jene Vorstellung auf. - Auch ist dies Geschwätze vergangen und hat kein Interesse mehr.
Es ist der wahre Geist, sich um die Sache nicht zum Vergnügen, d. h. mit der beständigen Reflexion der Beziehung auf sich als Einzelnen, sondern als Sache, als an sich Allgemeines zu bekümmern. Man muß sorgen, daß es einem als Einzelnem sonst leidlich geht; je vergnüglicher, nun desto besser.
Aber davon ist weiter kein Aufhebens und Sprechens zu haben, als ob darin soviel Vernünftiges und Wichtiges läge.

Das stoische Selbstbewußtsein hat denn auch nicht diese Form, worin es um die Einzelheit als solche zu tun ist; sondern es ist die Freiheit, worin es seiner nur als des Allgemeinen bewußt ist. Aber das stoische Bewußtsein bleibt beim Begriffe stehen, kommt nicht zum Erkennen des Inhalts, was das Werk [sei], welches es vollbringen soll. Und es ist ihm als Einzelnem nicht um seine Einzelheit zu tun;
aber es kommt doch nicht über diese Einzelheit hinaus, nicht zur Realität des Allgemeinen, hat nur die Form, das Reale als ein Einzelnes, den Weisen auszudrücken. Es liegt in ihm gerade diese Freiheit, dieses negative Moment der Abstraktion von der Existenz; eine Selbständigkeit, die alles aufzugeben fähig ist; nicht als eine leere Passivität, Selbstlosigkeit, so daß ihr alles genommen werden könnte, sondern die es freiwillig aufgeben kann, ohne ihr Wesen damit verloren zu haben, - sondern ihr Wesen ist ihr eben die einfache Vernünftigkeit, der reine Gedanke seiner selbst. Hier gelangt sie zu sich selbst, als Gegenstand, - das reine Bewußtsein ist sich selbst Gegenstand; und weil ihr das Wesen nur dieser einfache Gegenstand, so tilgt er in sich alles Sein oder alle Weise der Existenz, ist nichts an und für sich, sondern darin nur in Form eines Aufgehobenen.
- Das Höchste des Aristoteles, Denken des Denkens,
- dies ist im Stoizismus; aber so, daß jenes nicht einzeln steht, wie es bei Aristoteles den Schein hat, und anderes neben ihm,
sondern daß es das Einzige ist.

Alles hierein zurückgegangen ist die Einfachheit des Begriffs in Beziehung auf alles gesetzt, - seine reine Negativität.
Aber die reale Erfüllung, die gegenständliche Weise fehlt; und in diese einzugehen bedarf der Stoizismus, daß der Inhalt gegeben werde.

Von dem Ideal des Weisen haben sie deswegen auch insbesondere sehr beredte Ausmalungen gegeben, wie er vollkommen selbstgenügend und selbständig sei. Was der Weise tut, ist recht.
Die Beschreibung des Ideals, das die Stoiker machten, ist Rederei oder allgemein und eben ohne Interesse; das Negative ist merkwürdig. "Er ist frei, auch in Fesseln; denn er handelt aus sich selbst, unbestochen durch Furcht oder Begierde."
Alles, was der Begierde und der Furcht angehört, rechnet er nicht zu seinem Selbst, gibt ihm die Stellung eines Fremden gegen sich;
keine besondere Existenz ist fest. "Der Weise allein ist der König; denn er allein ist nicht an die Gesetze gebunden, Rechenschaft niemand schuldig."71) Auch diese Autonomie und Autokratie gegen bestimmte Gesetze:
Der Weise, bloß der Vernunft folgend, ist freigesprochen von allen bestimmten Gesetzen, die gelten und für die sich kein vernünftiger Grund angeben läßt oder die mehr auf einem natürlichen Abscheu oder Instinkt zu beruhen scheinen.
Eben in Beziehung aufs wirkliche Handeln hat kein bestimmtes Gesetz eigentlich Realität für ihn, am wenigsten, die nur der Natur als solcher anzugehören scheinen. Z. B. eheliche Verbindungen einzugehen, die für Blutschande gelten, Beiwohnung von männlichem mit männlichem Geschlecht; denn in der Vernunft ist gegen die einen dasselbe schicklich, was gegen die anderen. Ebenso kann er auch Menschenfleisch essen usw.72) Aber ein allgemeiner Grund ist etwas ganz Unbestimmtes. Bei der Bestimmung dieser Gesetze sind die Stoiker bei ihrem abstrakten Verstande stehengeblieben und haben ihrem Könige viel Unsittliches erlaubt; während doch z. B. Blutschande, Päderastie, Essen von Menschenfleisch, die zwar nur als durch einen natürlichen Instinkt verboten erscheinen,
auch vor dem Gerichte der Vernunft nicht bestehen können. Der Weise ist also auch aufgeklärt in dem Sinne, daß, was bloß natürlich erscheint und wo er sich den natürlichen Instinkt nicht in die Form eines vernünftigen Grundes zu bringen gewußt hat, er das Natürliche mit Füßen tritt. Es tritt das, was Naturgesetz oder Naturinstinkt heißt, dem gegenüber, was als unmittelbar, als allgemein vernünftig gesetzt ist. Z. B. jene Handlungen scheinen auf Empfindungen der Natur zu beruhen, Empfindungen aber sind nicht gedacht; hingegen Eigentum ist schon etwas Gedachtes an ihm selbst, Anerkanntsein meines Besitzes von allen, eines Allgemeinen an ihm selbst,
- ist im Gebiete des Verstandes. Deswegen soll der Weise nicht an jenes gebunden sein, weil es nicht unmittelbar ein Gedachtes ist;
aber das ist nur der Fehler des Nichtbegreifens. So wie wir gesehen, daß im Theoretischen der Wahrheit gedachtes Einfaches alles Inhalts fähig ist, so auch das Gute, das praktisch Gedachte, alles Inhalts, - und keiner an sich. Einen solchen Inhalt rechtfertigen durch einen Grund, ist eine Verwechslung der Einsicht im einzelnen mit der Einsicht der ganzen Realität; - diese Oberflächlichkeit der Einsicht, die etwas nicht anerkennt, weil sie es in diesem und jenem Betracht nicht erkennt, aber eben darum, weil sie nur die nächsten Gründe aufsucht und kennt, nicht wissen kann, ob es nicht andere Seiten und andere Gründe gibt. Solcherlei Gründe lassen für und gegen alles finden: eine Seite, eine Beziehung auf etwas sonst Notwendiges, das auch als solches wieder aufgehoben werden kann; oder eine negative Beziehung, Aufheben eines Notwendigen, das ebenso als geltend oder ungültig betrachtet werden kann.

Die Stoiker setzten zwar die Tugend im Denken - das Gute, dem Gesetze Gemäße ist das Gedachte, Allgemeine, insofern es ein Gedachtes ist -, fanden aber kein konkretes Prinzip, formelles, abstraktes Prinzip, kein Prinzip der vernünftigen Selbstbestimmung,
kein Prinzip, wodurch Bestimmtheit, Unterschied herauskäme, sich entwickelte.

So haben sie α) Räsonnement aus Gründen; sie führen Tugend auf Gründe zurück. Aus Umständen, Zusammenhang, Folgen,
einem Widerspruch oder Gegensatz leiten sie ab; so Antonin, Seneca, mit großem Witze, erbaulich. Gründe sind eine wächserne Nase, für alles gibt es gute Gründe; wie "eingepflanzt von Natur diese Triebe", "kurzes Leben". Welche Gründe als gute gelten sollen, hängt vom Zweck, Interesse ab; dies ist das Vorausgesetzte, diese geben ihnen Kraft. Deswegen sind Gründe ein Subjektives überhaupt. Diese Weise des Nachdenkens über sich, Räsonierens, was soll ich tun, führt darauf, seinen Zwecken diese Reflexionsausbreitung durch Scharfsinn, Weitläufigkeit des Bewußtseins zu geben; ich bin es, der diese weisen guten Gründe herbeibringt. Sie sind nicht die Sache, das Objektive selbst, - Sache meiner Willkür, meines Beliebens, Brimborium, wodurch ich mir weitläufig meine edle Gesinnung vormache, das Gegenteil davon ist die Selbstvergessenheit in der Sache.
- In Seneca selbst ist mehr Brast und Bombast moralischer Reflexion als wahrhafte Gediegenheit.
Einesteils sein Reichtum, seine Pracht der Lebensart ist ihm entgegengesetzt worden - er hatte sich unermeßliche Reichtümer von Nero schenken lassen73) -, andernteils kann man ihm seinen Zögling, den Nero, entgegensetzen:
dieser hält eine von Seneca gemachte Rede.74) - Dieses Räsonnement ist glänzend, oft Rederei, wie bei Seneca.
Man wird angeregt, aber oft nicht befriedigt. Man kann dies sophistisch nennen; Scharfsinn und redliche Meinung muß man anerkennen. Das Letzte der Überzeugung bleibt aber mangelhaft.

β) Zugleich liegt das höhere, obwohl negativ formelle Prinzip darin, daß das Gedachte allein als solches Zweck und Gut sei,
hiermit in dieser abstrakten Form allein, ohne anderen Inhalt (wie Kants Prinzip der Pflicht) das sei, worauf der Mensch den Halt seines Selbstbewußtseins gründen und befestigen müsse, - in der Form des Denkens, d. h. in sich, in seiner Abstraktion nichts, insofern es irgend Inhalt für sich hat, achten und verfolgen.75) Die formelle Festigkeit des von allem abstrahierenden Geistes in sich stellt uns keine Entwicklung objektiver Grundsätze auf, sondern ein Subjekt, das sich in dieser Unwandelbarkeit und - nicht stumpfen, sondern gewollten - Gleichgültigkeit erhält; - Unendlichkeit des Selbstbewußtseins.

Indem das sittliche Prinzip der Stoiker bei diesem Formalismus bleibt, so bleibt alles Reden derselben darein eingeschlossen.
Ihre Gedanken sind eben das beständige Zurückführen des Bewußtseins auf seine Einheit mit sich selbst.
Die Kraft des Verschmähens der Existenz ist groß, die Stärke dieses negativen Verhaltens erhaben.
Das stoische Prinzip ist ein notwendiges Moment in der Idee des absoluten Bewußtseins; es ist auch eine notwendige Zeiterscheinung. Denn wenn die Realität der Welt verlorengegangen wie in der römischen Welt, der reale Geist, das Leben im abstrakten Allgemeinen verschwunden, muß das Bewußtsein, dessen reale Allgemeinheit zerstört ist, in seine Einzelheit zurückgehen und in seinen Gedanken sich selbst erhalten.

Es liegt hierin die Bestimmung der abstrakten Freiheit, der abstrakten Unabhängigkeit. Wenn nun das Bewußtsein der Freiheit mein Zweck ist, so sind in diesem allgemeinen Zweck alle besonderen Bestimmungen verschwunden; und diese besonderen Bestimmungen der Freiheit machen die Pflichten, die Gesetze aus; als besondere Bestimmungen verschwinden sie in dieser Allgemeinheit der Freiheit, im reinen Bewußtsein meiner Selbständigkeit. Wir sehen so bei ihnen diese Stärke des Willens, die das Besondere nicht zu seinem Wesen rechnet, sich daraus herauszieht; wir sehen, daß dies einerseits wahrhaftes Prinzip ist, aber andererseits zugleich abstrakt bleibt.
Es liegt also darin, nicht daß der Zustand der Welt ein vernünftiger, ein rechtlicher sei, sondern nur das Subjekt als solches soll seine Freiheit in sich behaupten. Alles, was daher nach außen geht, Welt, Verhältnisse usf., erhält hiermit die Stellung, daß es aufgehoben werden kann; es ist so darin nicht gefordert die reale Harmonie der Vernünftigkeit überhaupt und der Existenz, des Daseins, - oder es liegt darin nicht das, was wir als objektive Sittlichkeit, Rechtlichkeit ausdrücken können. Platon hat das Ideal einer Republik aufgestellt,
d. h. eines Zustandes der Menschen, der vernünftig ist; dieser Zustand der Menschen im Staate, dies Gelten von Recht, Sitte und Gewohnheit macht die Seite der Realität des Vernünftigen aus. Und nur durch einen solchen vernünftigen Zustand der Welt ist es dann konkret gesetzt, daß das Äußerliche auch dem Innern entspricht; diese Harmonie ist dann in diesem konkreten Sinn vorhanden.
Man kann nichts Vortrefflicheres lesen in Rücksicht auf Moral, Stärke des guten Willens, Meditation über sich selbst als das, was Marcus Antoninus geschrieben hat; er war Kaiser der ganzen damals bekannten kultivierten Erde und hat sich auch als Privatmann edel und rechtlich betragen. Allein der Zustand des Römischen Reichs ist durch diesen philosophischen Kaiser nicht verändert worden;
und sein Nachfolger, der von einem anderen Charakter war, war durch nichts gebunden, einen so schlechten Zustand eintreten zu lassen, als er immer in seiner Willkür, Schlechtigkeit lag. Es ist ein viel höheres, inneres Prinzip des Geistes, des vernünftigen Willens, das sich auch verwirklicht, so daß ein Zustand vernünftiger Verfassung, ein gebildeter, gesetzlicher Zustand wird.
Durch solche Objektivität der Vernünftigkeit werden die Bestimmungen, die im Weisen, im Ideal zusammenfallen, erst befestigt.
Es ist dann vorhanden ein System von sittlichen Verhältnissen, dies sind die Pflichten, sie sind in einem System; so ist jede Bestimmung an ihrem Orte, eine der anderen untergeordnet, und die höhere herrscht. Damit tritt ein, daß das Gewissen, was höher ist als die stoische Freiheit, gebunden wird, daß die Bestimmungen im Geiste sich befestigen, daß die objektiven Verhältnisse, die wir Pflichten nennen, auch festgehalten werden nach der Weise des rechtlichen Zustandes und daß sie auch im Gewissen gelten als feste Bestimmungen.

Das Gewissen ist, daß diese Pflichten nicht bloß als geltend erscheinen, sondern auch in mir gelten als gewiß, den Charakter des Allgemeinen in mir haben, innerlich anerkannt sind. Da ist denn Harmonie des vernünftigen Willens und der Realität; und diese ist einerseits sittlich, gesetzlicher, rechtlicher Zustand, objektive Freiheit, System der Freiheit, das als Notwendigkeit existiert;
andererseits ist das Gewissen vorhanden, und so ist das Vernünftige in mir real. Zu diesem Konkreteren als abstrakte Sittlichkeit einmal und das andere Mal als in mir, der ein Gewissen hat, ist das stoische Prinzip noch nicht gekommen.
Die Freiheit des Selbstbewußtseins in sich ist die Grundlage, hat aber noch nicht seine konkrete Gestalt; und das Verhältnis, was zur Glückseligkeit gemacht worden ist, ist nur als ein Gleichgültiges, ein Zufälliges bestimmt, was aufgegeben werden muß. Im konkreten Prinzip des Vernünftigen ist der Zustand der Welt, meines Gewissens nicht gleichgültig. 

Dies ist das Allgemeine der stoischen Philosophie; das, worauf es ankommt, ist, den Standpunkt, das Hauptverhältnis derselben zu erkennen. In der römischen Welt ist es eine ganz konsequente und dem Zustande entsprechende Stellung, die sich das Bewußtsein darin gegeben hat; in der römischen Welt ist daher besonders die stoische Philosophie zu Hause gewesen. Die edlen Römer haben daher nur das Negative bewiesen, diese Gleichgültigkeit gegen Leben, gegen alles Äußerliche; sie haben nur auf subjektive oder negative Weise groß sein können, in Weise eines Privatmannes. Auch die römischen Rechtsgelehrten sollen stoische Philosophen gewesen sein; einmal aber findet man, daß unsere Lehrer des römischen Rechts von der Philosophie ganz schlecht sprechen, andererseits aber begehen sie die Inkonsequenz, daß sie es den römischen Rechtsgelehrten zum Ruhme nachsagen, Philosophen gewesen zu sein.
Soviel ich vom Recht verstehe, so habe ich bei den Römern nichts von Gedanken, von Philosophie, vom Begriff darin finden können. Wenn man Verstandeskonsequenzen, konsequentes Denken logisches Denken nennt, so kann man sie wohl Philosophen heißen;
dies findet sich aber auch bei Herrn Hugo76) , der doch wahrlich keinen Anspruch darauf macht, ein Philosoph zu sein. Verstandeskonsequenz und philosophischer Begriff ist zweierlei.
- Bei Seneca finden wir viel Erbauliches, Erweckendes, Bekräftigendes für das Gemüt, geistreiche Antithesen, Rhetorik,
Scharfsinnigkeit der Unterscheidung; aber wir empfinden zugleich Kälte, Langeweile über diese moralischen Reden.

Wir gehen nun zum Gegensatz der stoischen Philosophie, zum Epikureismus über. 

 

65) Diogenes Laertios VII, § 87-88

66) Diogenes Laertios VII, § 92

67) Diogenes Laertios VII, § 94-95

68) Cicero, De officiis I, 3; III; Diogenes Laertios VII, § 98-99

69) Cicero, De finibus III, 13; Tusculanae quaestiones II, 25

70) 34 M: Plutarch, De stoicorum repugnantia, p. 1034 (ed. Xyl.); Stobaios, Eclogae ethicae II, p. 110; Diogenes Laertios VII, § 125

71) Diogenes Laertios VII, § 121, 116-117, 122

72) Sextus Empiricus, Adversus mathematicos XI, § 190-194; Diogenes Laertios VII, § 129

73) Tacitus, Annales XIV, 53; XIII, 42

74) Tacitus, Annales XIII, 3

75) vgl. Seneca, De vita beata, c. 5

76) Gustav Hugo, 1764-1844, Begründer der historischen Rechtsschule

 

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* um 333/332 v. Chr. im Königreich Kition auf Zypern;
† 262/261 v. Chr. 

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