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Manfred Herok  2014

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               G.W.F. Hegel
         Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie 

hegel
buddha_446

Siddhartha Gautama Pali:
Siddhattha Gotama

lehrte als Buddha (wörtlich: Erwachter, auch Bodhi) den Dharma (die Lehre) und wurde damit der Begründer des Buddhismus.
Sein Tod galt früher als das älteste sicher datierbare Ereignis der indischen Geschichte;
als Todesjahr wurde 483 v. Chr. errechnet,
als Geburtsjahr 563 v. Chr.
In der neueren Buddhismusforschung werden unterschiedliche Datierungen vertreten, alle um Jahrzehnte später als der traditionelle Ansatz.

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2. Die Philosophie des Gotama und Kanade  
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2. Die Philosophie des Gotama und Kanade

Die Philosophie des Gotama und Kanade gehören zusammen 1) ;
"die Philosophie des Gotama wird Njaja genannt (räsonierend), die des Kanade Waischeschika (partikuläre). 
Die erstere ist besonders ausgebildete Dialektik, die zweite dagegen beschäftigt sich mit der Physik, d. h. mit den besonderen oder sinnlichen Objekten". Colebrooke sagt:
"Kein Gebiet der Wissenschaft oder Literatur hat mehr die Aufmerksamkeit der Inder auf sich gezogen als die Njaja; und die Frucht dieser Studien ist eine unzählige Menge von Schriften, unter welchen sich Arbeiten von sehr berühmten Gelehrten befinden."

"Die Ordnung, welche Gotama und Kanade beobachten, ist die, welche in einer Stelle der Wedas angedeutet wird, als die erforderlichen Schritte zum Unterricht und Studium, nämlich: Enunziation, Definition und Untersuchung."
Die Enunziation sei die Erwähnung eines Dinges bei seinem Namen, d. h. bei dem es bezeichnenden Ausdrucke, wie die Offenbarung ihn lehre; denn die Sprache wird als dem Menschen geoffenbart betrachtet.
Die Definition stelle die besondere Eigenschaft dar, welche den wesentlichen Charakter eines Dinges ausmache.
Die Untersuchung bestehe in der Nachforschung über die Angemessenheit und das Genügende der Definition.
In Übereinstimmung hiermit schicken die Lehrer der Philosophie die wissenschaftlichen Ausdrücke voran, gehen zu den Definitionen fort und kommen dann auf die Untersuchung der so vorausgeschickten Subjekte. Mit dem Namen meint man die Vorstellung, womit in der Untersuchung verglichen wird, was in der Definition angegeben ist.

Das Fernere ist dann der zu betrachtende Gegenstand. "Gotama führt hier sechzehn Punkte an, unter welchen der Beweis, die Evidenz" (das Formelle), "und das, was zu beweisen ist, die Hauptpunkte sind; die übrigen sind nur subsidiarisch und akzessorisch, als zur Erkenntnis und Vergewisserung der Wahrheit beitragend. Die Njaja stimmt dann mit den übrigen psychologischen Schulen darin überein, daß sie Glückseligkeit, endliche Vortrefflichkeit und Befreiung vom Übel zum Lohne für eine vollkommene Erkenntnis der Prinzipien verspricht, welche sie lehre, d. h. der Wahrheit; meinend die Überzeugung von der ewigen Existenz der Seele als trennbar von dem Körper" - der Geist für sich selbst.
Die Seele ist dann selbst der Gegenstand, der erkannt und bewiesen werden soll. Das Nähere ist noch anzugeben.

Der erste Hauptpunkt, die Evidenz des Beweises habe vier Arten: erstens die Wahrnehmung; zweitens das Schließen (inference), welches drei Weisen habe: von der Folge auf die Ursache, von der Ursache auf die Wirkung, und nach Analogie. Die dritte Art der Evidenz sei die Vergleichung; die vierte die Versicherung (Behauptung), sowohl Tradition als Offenbarung in sich begreifend. Diese Arten des Beweises sind sehr ausgeführt, sowohl in dem alten Traktat, den man dem Gotama zuschreibt, als auch von unzähligen Kommentatoren.

Das zweite ist der Gegenstand, der zu beweisen ist, der evident werden soll; hier werden zwölf Gegenstände angegeben. Der erste und wichtigste aber sei die Seele, als vom Körper und den Sinnen sich unterscheidender Sitz der Empfindung und der Wissenschaft, - deren Existenz durch Neigung, Abneigung, Wollen usw. bewiesen werde. Sie habe vierzehn Qualitäten, wie Zahl, Größe, Besonderheit, Verbindung, Absonderung, Intelligenz, Vergnügen, Schmerz, Verlangen, Abneigung, Wille, Verdienst, Schuld und Einbildungskraft. - Wir sehen auch in diesen ganz ordnungslosen ersten Anfängen der Reflexion keinen Zusammenhang noch Totalität der Bestimmungen. Der zweite Gegenstand der Erkenntnis sei der Körper; der dritte die Organe der Empfindung, wobei die fünf äußeren Sinne genannt werden.
Sie seien nicht Modifikationen des Bewußtseins (wie die Samkhja behauptet), sondern Material aus den Elementen, respektiv aus Erde, Wasser, Licht, Luft und Äther bestehend. Der Augapfel sei nicht (sagen sie) das Organ des Sehens, noch das Ohr das des Hörens; sondern das Organ des Sehens sei ein Lichtstrahl, der vom Auge ausgehe zum Gegenstande: das Organ des Hörens der Äther, der in der Höhle des Ohrs mit dem gehörten Gegenstande durch den dazwischen befindlichen Äther kommuniziere. Jener Lichtstrahl sei gewöhnlich nicht sichtbar, gerade wie ein Licht nicht um Mittag gesehen werde; aber unter gewissen Umständen sei er zu sehen. Beim Geschmack sei Wäßriges (wie der Speichel) das Organ usw. Ähnliches, wie hier vom Sehen gesagt wird, findet sich auch bei Platon im Timaios (Steph. 45 f.).
Interessante Bemerkungen über Phosphor des Auges sind in einem Aufsatze von Schultz in Goethes Morphologie 2) enthalten. Beispiele, daß Menschen bei Nacht gesehen haben, so daß ihr Auge den Gegenstand erleuchtet, kommen in Menge vor; aber die Erscheinung verlangt allerdings besondere Umstände.
- Der vierte Gegenstand seien die Gegenstände der Sinne. Hier schaltet Cesava (ein Kommentator) die Kategorien des Kanade ein, deren sechs seien: Die erste derselben sei die Substanz; dieser gebe es neun: Erde, Wasser, Licht, Luft, Äther, Zeit, Raum, Seele, Verstand.
Die Grundelemente der "materiellen Substanzen werden von Kanade so angesehen, als seien sie ursprünglich Atome und nachher deren Aggregate.
Er behauptet die Ewigkeit der Atome"; und es wird dann vieles beigebracht über die Verbindung der Atome, wobei auch die Sonnenstäubchen vorkommen.
Die zweite Kategorie sei die Qualität, deren es vierundzwanzig gebe:
 "1. Farbe,
2. Geschmack,
3. Geruch,
4. Gefühl,
5. Zahl,
6. Größe,
7. Individualität,
8. Verbindung,
9. Trennung,
10. Priorität,
11. Posteriorität,
12. Schwere,
13. Flüssigkeit,
14. Zähigkeit,
15. Klang,
16. Intelligenz,
17. Vergnügen,
18. Schmerz,
19. Verlangen,
20. Abneigung,
21. Willen,
22. Tugend,
23. Laster,
24. eine Fähigkeit, welche drei Arten in sich begreife: Geschwindigkeit, Elastizität und Einbildungskraft.
Die dritte Kategorie sei die Aktion, die vierte die Gemeinschaft, die fünfte der Unterschied, die sechste die Verbindung (aggregation), die letzte des Kanade; andere Schriftsteller fügen noch die Negation als die siebente hinzu."
Dies ist die Art und Weise, wie die Philosophie bei den Indern aussieht.

Auf die zwei Hauptpunkte, die Evidenz und das, was zu wissen interessant ist, läßt nun die Philosophie des Gotama als den dritten Punkt "den Zweifel" folgen. Ein anderer Punkt ist "der regelmäßige Beweis", das förmliche Räsonieren,
"oder der vollständige Syllogismus (Njaja), welcher aus fünf Propositionen besteht: 1. der Satz,
2. der Grund,
3. der Beweis (the instance),
4. die Anwendung,
5. der Schluß. Z. B.: 1. Dieser Hügel ist feurig; 2. denn er raucht; 3. was raucht, ist feurig, wie ein Küchenherd; 4. zugegeben" (accordingly, nun aber) "der Hügel raucht; 5. darum ist er feurig."
Dies wird so vorgetragen wie bei uns die Syllogismen; aber es kommt so heraus, daß das, worum es sich handelt, vorn gesetzt ist. Wir würden hingegen mit dem Allgemeinen anfangen. Dies ist die gewöhnliche Form, und es kann uns an diesen Beispielen genügen. Wir wollen jedoch jetzt die Sache noch einmal zusammenfassen.

Wir haben in Indien gesehen, daß das Sammeln der Seele in sich, ihr Erheben in die Freiheit, das Denken, das sich für sich konstituiert, die Hauptsache ist. Dies Fürsichwerden der Seele auf die abstrakteste Weise können wir intellektuelle Substantialität nennen; aber es ist hier nicht Einheit des Geistes und der Natur, sondern gerade das Gegenteil vorhanden.
Dem Geist ist die Betrachtung der Natur nur Mittel, Übung des Denkens, die zum Ziel hat die Befreiung des Geistes.
Die intellektuelle Substantialität ist das Ziel; in der Philosophie aber ist sie im allgemeinen die wesentliche Grundlage, der Anfang; Philosophieren ist dieser Idealismus, daß das Denken für sich ist, die Grundlage der Wahrheit ist.
Die intellektuelle Substantialität ist das Gegenteil von der Reflexion, dem Verstande, der subjektiven Individualität der Europäer. Es ist bei uns von Wichtigkeit, daß ich es will, weiß, glaube, meine, nach den Gründen, die ich dazu habe, nach meiner Willkür; diesem wird ein unendlicher Wert zugeschrieben. Die intellektuelle Substantialität ist hierzu das Extrem, da vergeht alle Subjektivität des Ich; für diese ist alles Objektive eitel geworden, es gibt für sie keine objektive Wahrheit, Pflicht, Recht, und so ist die subjektive Eitelkeit das einzige Zurückbleibende.
Es ist das Interesse, zu der intellektuellen Substantialität zu kommen, um jene subjektive Eitelkeit mit aller ihrer Gescheitheit und Reflexion darin zu ersäufen. Dies ist der Vorteil dieses Standpunkts.

Der Mangel besteht darin, daß, indem die intellektuelle Substantialität als Ziel und Zweck für das Subjekt vorgestellt wird, als ein Zustand, der für das Interesse des Subjekts hervorgebracht werden soll, die Objektivität überhaupt mangelt.
So sehr auch diese intellektuelle Substantialität das Objektivste ist, so ist sie doch nur ganz abstrakt objektiv; daher fehlt ihr die wesentliche Form der Objektivität.
Eben jene intellektuelle Substantialität, die so in der Abstraktion bleibt, hat zu ihrer Existenz nur die subjektive Seele;
es soll alles darin untergehen.
Wie in der Eitelkeit, wo nur die subjektive Macht des Verneinens das Bleibende ist, alles untergeht, so enthält ebenso dies Abstrakte der intellektuellen Substantialität nur die Flucht ins Leere und Bestimmungslose. Es fehlt ihr die in sich selbst formierende Objektivität; und es ist nun darum zu tun, daß dieser Boden diese Bestimmung hervortreibe - die unendliche Form, die das ist, was man das Denken nennt, die sich bestimmende Objektivität.
Dies Denken ist erstens als subjektiv das meinige (Ich, meine Seele denkt);
aber zweitens ist dasselbe auch die Allgemeinheit, welche die intellektuelle Substantialität enthält;
und drittens ist das Denken die formierende Tätigkeit, das Prinzip des Bestimmens.
Wir haben so eine zweite Weise der Objektivität, die unendliche Form in sich ist.
Dies ist der wahrhafte Boden, der bereitet werden soll, der sich selbst entfaltet, bestimmt und auf diese Weise dem besonderen Inhalt einen Platz gibt, ihn gewähren läßt und in sich erhält.

In der orientalischen Anschauung taumelt das Besondere, ist bestimmt, vorüberzugehen; im Boden des Denkens dagegen hat es auch seine Stelle. Es kann sich in sich wurzeln, kann fest werden; und es ist dies der harte, europäische Verstand.
Um ihn sich abzutun, dienen solche orientalische Vorstellungen.
Aber im Boden des Denkens ist er flüssig erhalten, soll nicht für sich werden, sondern nur Moment des ganzen Systems sein. In der orientalischen Philosophie haben wir auch bestimmten Inhalt gefunden, der betrachtet wird; aber die Betrachtung ist ganz gedankenlos, ohne Systematisierung, weil sie darübersteht, außer der Einheit. Jenseits steht die intellektuelle Substantialität, diesseits ist es dann trocken und dürftig. Das Besondere hat so nur die hölzerne Form des Räsonierens und Schließens, wie auch bei den Scholastikern. In dem Boden des Denkens kann dagegen dem Besonderen sein Recht geschehen; es kann als Moment der ganzen Organisation angesehen, begriffen werden. In der indischen Philosophie ist die Idee nicht gegenständlich geworden; das Äußere, Gegenständliche ist daher nicht nach der Idee begriffen worden.
Es ist dies das Mangelhafte des Orientalismus.

Der wahrhaft objektive Boden des Denkens wurzelt in der wirklichen Freiheit des Subjekts.
Das Allgemeine, Substantielle selbst soll Objektivität haben. Indem das Denken dies Allgemeine, der Boden des Substantiellen ist und zugleich Ich ist - das Denken ist das Ansich und existiert als freies Subjekt -, so hat das Allgemeine unmittelbare Existenz und Gegenwart; es ist nicht nur ein Ziel, ein Zustand, in den übergegangen werden soll, sondern die Absolutheit ist gegenständlich. Diese Bestimmung ist es, die wir in der griechischen Welt vorfinden und deren Ausbildung der Gegenstand unserer weiteren Betrachtung ist. Zuerst tritt das Allgemeine als ganz abstrakt auf, so steht es der konkreten Welt gegenüber; aber es gilt für den Boden beider, für die konkrete Welt und für das, was an sich ist. Dies ist nicht ein Jenseitiges, sondern das Gegenwärtige gilt dafür, daß es in dem Ansich stehe, oder das Ansich, das Allgemeine ist die Wahrheit der Gegenstände 
3) .

 

1) M: Transactions of the Royal Asiatic Society, Vol. I, Part I, p. 92-118
(VII, Henry Thomas Colebrooke, Essay on the Philosophy of the Hindus, Part II)

2) Chr. L. Fr. Schultz, "Über physiologische Gesichts- und Farbenerscheinungen",
Zur Naturwissenschaft überhaupt, II. Bd., 1. Heft (1823)

3) Lasson: "oder daß das an sich Allgemeine die Wahrheit der Gegenstände sei"

 

 

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