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3. Philosophie des Geistes
Teils haben wir von diesem sein spekulatives Wesen (nicht die Bedeutung des Geistes, nicht realisiert, wie sie es heißen, am Geiste und an der Natur) schon gesehen, teils aber finden wir bei Platon noch kein ausgebildetes Bewußtsein über den Organismus des theoretischen Geistes. Wir finden Empfindung, Erinnerung usf., Vernunft bei ihm unterschieden, aber diese Momente des Geistes weder genau bestimmt, noch in ihrem Zusammenhange exponiert, wie sie nach der Notwendigkeit sich zueinander verhalten. (Die Unterschiede in Ansehung des Erkennens sind zwar sehr wichtig, aber sie sind schon angeführt.) Sondern die reale, die praktische Seite des Bewußtseins ist vorzüglich das Glänzende bei Platon. Und was uns denn von dem, was auf die Seite des Geistes fällt, interessieren kann, ist die Idee Platons über die sittliche Natur des Menschen. (Dies hat denn auch nicht die Form, daß er sich um ein oberstes Moralprinzip bemüht hätte, wie es jetzt genannt wird und woran man etwas Leeres hat, indem man alles zu haben glaubt, - noch um ein Naturrecht, diese triviale Abstraktion über das reale praktische Wesen, das Recht.) Diese sittliche Natur ist es, die er in seinen Büchern von der Republik expliziert. Die sittliche Natur des Menschen scheint uns entfernt zu sein vom Staate. Aber Platon erschien die Realität des Geistes - des Geistes, insofern er der Natur entgegengesetzt ist - in ihrer höchsten Wahrheit, nämlich als die Organisation eines Staats; und er erkannte, daß die sittliche Natur (der freie Wille in seiner Vernünftigkeit) nur zu ihrem Rechte, zu ihrer Wirklichkeit kommt in einem wahrhaften Volke.
Näher ist nun zu bemerken, daß Platon in den Büchern von der Republik die Untersuchung seines Gegenstandes so einleitet, daß gezeigt werden solle, was die Gerechtigkeit sei. Nach mancherlei Hin- und Herreden und nach mehreren negativen Betrachtungen ihrer Definitionen sagt Platon endlich in seiner einfachen Weise: In Ansehung dieser Untersuchung verhalte es sich so, wie wenn jemandem aufgegeben worden wäre, kleine und entfernte Buchstabenschrift zu lesen, und die Bemerkung gemacht würde, daß dieselben Buchstaben sich in einem näheren Orte und größer vorfinden, - so würde er sie, wo sie größer sind, lieber erst lesen und dann auch die kleineren leichter lesen können. Ebenso wolle er nun mit der Gerechtigkeit verfahren. Die Gerechtigkeit sei nicht nur am Einzelnen, sondern auch am Staate, und der Staat größer als der Einzelne; sie werde deswegen auch an Staaten in größeren Zügen ausgedrückt und leichter zu erkennen sein. (Das ist verschieden von stoischem Reden von dem Weisen.) Er wolle sie deswegen lieber, wie sie als Gerechtigkeit des Staats ist, betrachten (II, 368-369), - eine naive, anmutige Einleitung. Platon führt so durch Vergleichung die Frage nach der Gerechtigkeit herüber zur Betrachtung des Staats. Das ist ein sehr naiver Übergang, er scheint willkürlich; der große Sinn führte die Alten aber zum Wahren. Was Platon bloß für eine größere Leichtigkeit ausgibt, ist in der Tat vielmehr die Natur der Sache. Denn die Gerechtigkeit in ihrer Realität und Wahrheit ist allein im Staate. Das Recht ist Dasein der Freiheit, Wirklichkeit des Selbstbewußten, die reale Seite und Weise des Geistes. Der Staat ist objektive Wirklichkeit des Rechts. Das Recht ist das geistige Insich- und Beisichsein, das Dasein haben will, tätig ist, - Freiheit, die sich Dasein gibt; die Sache ist mein, d. h. ich setze meine Freiheit in diese äußerliche Sache. Der Geist ist einerseits erkennend, nach der andern Seite will er, d. h. er will sich Realität geben. Die Realität, worin der ganze Geist ist, nicht das Mich-Wissen als diesen Einzelnen, ist der Staat. Denn wie der freie vernünftige Wille sich bestimmt, sind es Gesetze der Freiheit; aber diese Gesetze sind eben als Gesetze der Staaten, da es eben der Staat ist, daß der vernünftige Wille existiere, wirklich vorhanden sei. Im Staate also gelten die Gesetze, sind seine Gewohnheit und seine Sitte; weil aber die Willkür ebenso unmittelbar dabei ist, so sind sie nicht bloß Sitte, sondern müssen zugleich auch Macht sein gegen die Willkür, wie sie in den Gerichten und Regierungen erscheint. Das ist das Wesen des Staats; und mit diesem Instinkt der Vernunft hält er sich an diese Züge, wie der Staat diese Züge der Gerechtigkeit darstellt.
Das Gerechte an sich stellt sich uns gemeiniglich in der Form vor. Wenn von einem natürlichen Recht, vom Recht in einem Naturzustande gesprochen wird, so ist ein solcher Naturzustand unmittelbar ein sittliches Unding. Was an sich ist, wird von denen, die das Allgemeine nicht erreichen, für etwas Natürliches gehalten, wie die notwendigen Momente des Geistes für angeborene Ideen. Das Natürliche ist vielmehr das vom Geist Aufzuhebende, und der Naturzustand kann nur so auftreten, sein Recht ist nur dieses, daß er das absolute Unrecht des Geistes ist. Der Staat ist der reale Geist. Der Geist in seinem einfachen, noch nicht realisierten Begriff ist das abstrakte Ansich, und dieser Begriff, das Ansich, muß allerdings vorhergehen der Konstruktion seiner Realität; und dies ist es, was als Naturzustand aufgefaßt worden ist. Wir sind es gewohnt, von der Fiktion eines Naturzustandes auszugehen, der freilich kein Zustand des Geistes, des vernünftigen Willens, sondern der Tiere untereinander ist. Der Krieg aller gegen alle ist der wahre Naturzustand, wie Hobbes sehr richtig bemerkt hat. Dieses Ansich oder der nicht reale Begriff des Geistes ist zugleich der einzelne Mensch; er existiert als solcher. Alsdann trennt sich in der Vorstellung überhaupt das Allgemeine von dem Einzelnen, als ob der Einzelne an und für sich wäre, so wie er einmal ist, als ob das Allgemeine ihn nicht zu dem machte, was er in Wahrheit ist, es nicht sein Wesen wäre, sondern das das Wichtigste wäre, was er Besonderes an sich hat. Die Fiktion des Naturstandes fängt von der Einzelheit der Person an und deren freiem Willen und der Beziehung auf andere Personen nach diesem freien Willen. Was von Natur Recht sei, hat man das genannt, was am Einzelnen und für den Einzelnen Recht ist; und den Zustand der Gesellschaft und des Staats hat man bloß gelten lassen als Mittel für die einzelne Person, die der Grundzweck ist. Platon umgekehrt legt das Substantielle, Allgemeine zugrunde, und zwar so, daß der Einzelne als solcher eben dies Allgemeine zu seinem Zweck, seiner Sitte, seinem Geiste habe, daß der Einzelne für den Staat wolle, handle, lebe und genieße, so daß er seine zweite Natur, seine Gewohnheit und seine Sitte sei. Diese sittliche Substanz, die den Geist, das Leben und das Wesen der Individualität ausmacht und die Grundlage ist, systematisiert sich in einem lebendigen organischen Ganzen, indem es sich wesentlich in seine Glieder unterscheidet, deren Tätigkeit eben das Hervorbringen des Ganzen ist. Dies Verhältnis des Begriffs zu seiner Realität ist bei Platon freilich nicht zum Bewußtsein gekommen. Wir finden bei ihm keine philosophische Konstruktion, welche zuerst die Idee an und für sich, alsdann in ihr selbst die Notwendigkeit ihrer Realisation und diese selbst aufzeigt.
Platon hat also in seiner Republik ein sogenanntes Ideal von einer Staatsverfassung gegeben, die als sobriquet sprichwörtlich geworden ist in dem Sinne, daß es eine Chimäre sei. Oder über die Platonische Republik hat sich dieses Urteil fixiert, daß sie, wie sie Platon beschreibt, allerdings vortrefflich wäre - in dem Sinne, daß sie wohl gedacht werden könne im Kopfe, an sich im Gedanken diese Vorstellung wahr sei; daß sie auch ausführbar sei, aber unter der Bedingung nur, daß die Menschen vortrefflich sind, - wie vielleicht im Monde; daß sie aber nicht ausführbar sei für die Menschen, wie sie einmal auf Erden sind (man müsse die Menschen nehmen, wie sie sind, das Ideal kann man wegen der Schlechtigkeit der Menschen nicht ins Dasein bringen), und daß daher so ein Ideal doch sehr müßig sei.
α) Fürs erste ist hierüber zu bemerken, daß in der christlichen Welt überhaupt ein Ideal eines vollkommenen Menschen gang und gäbe ist, das freilich nicht wohl in Menge wie der Menge eines Volkes vorhanden sein kann. Wenn wir es in Mönchen oder in Quäkern oder dergleichen frommen Leuten realisiert finden, so könnte ein Haufen solcher tristen Geschöpfe kein Volk ausmachen, sowenig als Läuse (Parasitenpflanzen) für sich existieren könnten, nur auf einem organischen Körper. Wenn sie ein solches konstituieren sollten, so müßte diese lammsmäßige Sanftmut, diese Eitelkeit, die sich nur mit der eigenen Person beschäftigt und diese hegt und pflegt, sich immer das Bild und Bewußtsein der eigenen Vortrefflichkeit gibt, zugrunde gehen. Denn das Leben im und fürs Allgemeine fordert nicht jene lahme und feige, sondern eine ebenso energische Sanftmut, - nicht eine Beschäftigung mit sich und seinen Sünden, sondern mit dem Allgemeinen und dem, was für dieses zu tun ist. Wem nun jenes schlechte Ideal vorschwebt, der findet freilich die Menschen immer mit Schwäche und Verderbnis behaftet und findet jenes Ideal nicht realisiert. Denn sie machen eben aus Lumpereien eine Wichtigkeit, worauf kein Vernünftiger sieht, und meinen, solche Schwachheiten und Fehler seien doch vorhanden, wenn sie sie auch übersehen. Allein es ist nicht ihre Großmut zu schätzen; sondern vielmehr, daß sie auf das, was sie Schwachheit und Fehler nennen, sehen, ist ihr eigenes Verderben, das etwas daraus macht. Der Mensch, der sie hat, ist unmittelbar durch sich selbst davon absolviert, insofern er nichts daraus macht. Das Laster ist nur dieses, wenn sie ihm wesentlich sind, und das Verderben dieses, sie für etwas Wesentliches zu halten.
Die Wahrheit ist keine Chimäre. Wünsche zu machen, ist freilich ganz erlaubt. Wenn man aber über Großes und Wahrhaftes in sich nur frommes Wünschen hat, so ist das gottlos; ebenso wenn man nichts tun kann, weil alles heilig und unverletzlich sei, und nichts Bestimmtes sein will, weil alles Bestimmte seinen Mangel habe. Jenes Ideal muß uns also nicht im Wege stehen, in welcher feinen Form es sei: nicht gerade Mönche und Quäker, aber doch dies Prinzip der sinnlichen Entbehrung und der Energie des Tuns, das vieles zu Boden schlagen muß, was sonst gilt. Alle Verhältnisse erhalten, ist widersprechend; es ist immer eine Seite, wo sie beleidigt werden, die sonst gelten. Was ich schon über das Verhältnis der Philosophie zum Staate angeführt habe, zeigt, daß dies Ideal nicht in diesem Sinne zu nehmen ist. Wenn ein Ideal überhaupt in sich Wahrheit hat durch die Idee, durch den Begriff, so ist es keine Chimäre, ist wahrhaft; und ein solches Ideal ist nichts Müßiges, nichts Kraftloses, sondern ist das Wirkliche. Das wahrhafte Ideal soll nicht wirklich sein, sondern ist wirklich und allein das Wirkliche; - dies glaubt man zunächst. Soll eine Idee zur Existenz zu gut sein, so ist dies Fehler des Ideals selbst. Die Platonische Republik wäre deswegen eine Chimäre, nicht weil solche Vortrefflichkeit der Menschheit fehlt, sondern sie, diese Vortrefflichkeit, zu schlecht für sie wäre. Die Wirklichkeit ist zu gut; was wirklich ist, ist vernünftig. Man muß aber wissen, unterscheiden, was in der Tat wirklich ist; im gemeinen Leben ist alles wirklich, aber es ist ein Unterschied zwischen Erscheinungswelt und Wirklichkeit. Das Wirkliche hat auch äußerliches Dasein; das bietet Willkür, Zufälligkeit dar, wie in der Natur Baum, Haus, Pflanze zusammenkommen. Die Oberfläche im Sittlichen, das Handeln der Menschen hat viel Schlimmes; da könnte vieles besser sein. Erkennt man die Substanz, so muß man durch die Oberfläche hindurchsehen. Menschen werden immer lasterhaft, verderbt sein; das ist nicht die Idee. An der Oberfläche balgen sich die Leidenschaften herum; das ist nicht die Wirklichkeit der Substanz. Das Zeitliche, Vergängliche existiert wohl, kann einem wohl Not genug machen, aber dessenungeachtet ist es keine wahrhafte Wirklichkeit, wie auch nicht die Partikularität des Subjekts, seine Wünsche, Neigungen.
Mit Beziehung auf diese Bemerkung ist an den Unterschied zu denken, der vorhin bei der Platonischen Naturphilosophie gemacht ist: Die ewige Welt, als der in sich selige Gott, ist die Wirklichkeit, nicht drüben, nicht jenseits, sondern die gegenwärtige wirkliche Welt in ihrer Wahrheit betrachtet, nicht wie sie dem Gehör, Gesicht usf. in die Sinne fällt. Wenn wir so den Inhalt der Platonischen Idee betrachten, so wird sich ergeben, daß Platon in der Tat die griechische Sittlichkeit nach ihrer substantiellen Weise dargestellt hat. Das griechische Staatsleben ist das, was den wahrhaften Inhalt der Platonischen Republik ausmacht. Platon ist nicht der Mensch, der sich mit abstrakten Theorien und Grundsätzen herumtreibt, sein wahrhafter Geist hat Wahrhaftes erkannt und dargestellt; und dies konnte nichts anderes sein als das Wahrhafte der Welt, worin er lebte, dieses einen Geistes, der in ihm so gut lebendig gewesen ist wie in Griechenland. Es kann niemand seine Zeit überspringen, der Geist seiner Zeit ist auch sein Geist; aber es handelt sich darum, ihn nach seinem Inhalte zu erkennen.
β) Auf der andern Seite ist eine vollkommene Konstitution in Beziehung auf ein Volk so zu betrachten, daß die Konstitution nicht für jedes Volk taugt. In dieser Rücksicht ist wesentlich - wenn gesagt wird, daß eine wahrhafte Konstitution nicht für die Menschen, wie sie nun sind, passe - αα) dies zu bedenken, daß eben die Konstitution eines Volkes, je vortrefflicher sie ist, das Volk eben um so vortrefflicher macht, aber ββ) umkehrt (da die Sitten die lebendige Konstitution sind) die Konstitution ebenso in ihrer Abstraktion nichts für sich ist, sondern sich auf sie beziehen muß, und der lebendige Geist dieses Volkes sie erfüllen muß. Es kann darum gar nicht gesagt werden, daß eine wahrhafte Konstitution für jedes Volk passe; und es ist allerdings der Fall, daß für die Menschen, wie sie sind, z. B. wie sie Irokesen, Russen, Franzosen sind, nicht jede tauglich ist. Denn das Volk fällt in die Geschichte. Aber wie der einzelne Mensch im Staate erzogen, d. h. er als Einzelheit in die Allgemeinheit erhoben wird und aus dem Kinde erst ein Mensch wird, so wird auch jedes Volk erzogen; sein Zustand, worin es Kind ist, oder die Barbarei geht in einen vernünftigen Zustand über. Und die Menschen bleiben nicht nur, wie sie sind, sondern sie werden anders; ebenso ihre Konstitutionen. Und es ist hier die Frage, welches die wahrhafte ist, der das Volk zugehen muß, - wie die Frage ist, welches die wahre Wissenschaft der Mathematik oder jede andere ist; aber nicht, als ob Kinder oder Knaben jetzt diese Wissenschaft besitzen sollten, sondern daß sie so erzogen werden, daß sie dieser Wissenschaft fähig werden. So steht dem geschichtlichen Volke die wahre Konstitution bevor, so daß es ihr zugeht. Jedes Volk muß mit dem Fortgange der Zeit solche Veränderungen mit seiner vorhandenen Konstitution machen, welche sie der wahren immer näher bringen. Sein Geist tritt selbst seine Kinderschuhe aus; und die Konstitution ist das Bewußtsein über das, was er an sich ist, - die Form der Wahrheit, des Wissens von sich. Ist ihm das Ansich nicht mehr wahr, was ihm seine Konstitution noch als das Wahre ausspricht, sein Bewußtsein oder Begriff und seine Realität verschieden, so ist der Volksgeist ein zerrissenes, geteiltes Wesen. Es treten zwei Fälle ein. Das Volk zerschlägt durch einen inneren gewaltsameren Ausbruch dies Recht, das noch gelten soll, oder ändert auch ruhiger und langsamer dasjenige, was noch als Recht gilt, das Gesetz, das nicht mehr wahre Sitte ist, worüber der Geist hinaus ist. Oder es hat den Verstand und die Kraft nicht dazu, sondern bleibt bei dem niedrigeren Gesetze stehen oder ein anderes Volk hat seine höhere Konstitution erreicht, es ist hierdurch ein vortrefflicheres Volk, - und jenes erste hört gegen es auf, ein Volk zu sein, und muß ihm unterliegen.
Deswegen ist es wesentlich, zu wissen, was die wahre Konstitution ist; denn was ihr widerstreitet, hat keinen Bestand, keine Wahrheit, es hebt sich auf. Es hat ein zeitliches Dasein und kann sich nicht erhalten: es hat gegolten, aber kann nicht fortwährend gelten; daß es abgeschafft werden muß, liegt in der Idee der Konstitution. Diese Einsicht kann allein durch die Philosophie erreicht werden. Staatsumwälzungen geschehen ohne gewaltsame Revolutionen, wenn die Einsicht allgemein ist; Einrichtungen fallen ab, verlieren sich, man weiß nicht wie, - jeder ergibt sich drein, sein Recht zu verlieren. Daß es aber an der Zeit damit ist, muß die Regierung wissen. Knüpft aber die Regierung, unwissend über das, was die Wahrheit ist, sich an zeitliche Einrichtungen, nimmt sie das unwesentlich Geltende in Schutz gegen das Wesentliche - und was dieses ist, ist in der Idee enthalten -, so wird sie selbst damit von dem drängenden Geiste gestürzt, und die Auflösung der Regierung löst das Volk selbst auf; es entsteht neue Regierung, - oder die Regierung und das Unwesentliche behält die Oberhand.
Der Hauptgedanke, der nun Platons Republik zugrunde liegt, ist der, der als Prinzip der griechischen Sittlichkeit anzusehen ist, daß nämlich das Sittliche das Verhältnis des Substantiellen habe, als göttlich festgehalten werde, - so daß jedes einzelne Subjekt den Geist, das Allgemeine zu seinem Zwecke, zu seinem Geiste und Sitte habe, nur aus, in diesem Geiste wolle, handle, lebe und genieße, - so daß dies seine Natur, d. i. seine zweite geistige Natur sei, das Subjektive es in der Weise einer Natur als Sitte und Gewohnheit des Substantiellen habe. Dies ist nun allerdings die Grundbestimmung, das Substantielle überhaupt. Die Bestimmung, die diesem entgegensteht - diesem substantiellen Verhältnis der Individuen zur Sitte -, ist die subjektive Willkür der Individuen, die Moral; daß die Individuen nicht aus Achtung, Ehrfurcht für die Institutionen des Staats, des Vaterlandes aus sich heraus handeln, sondern aus eigener Überzeugung, nach einer moralischen Überlegung einen Entschluß aus sich fassen, sich danach bestimmen. Dies Prinzip der subjektiven Freiheit ist ein späteres, ist das Prinzip der modernen, ausgebildeten Zeit. Dies Prinzip ist in die griechische Welt auch gekommen, aber als Prinzip des Verderbens der griechischen Staaten, des griechischen Lebens. Es war das Verderben, weil der griechische Geist, Staatsverfassung, Gesetze nicht berechnet waren und darauf nicht berechnet sein konnten, daß innerhalb ihrer dies Prinzip auftreten würde. Beides ist nicht homogen; und so mußten griechische Sitte und Gewohnheit untergehen. Platon hat nun den Geist, das Wahrhafte seiner Welt erkannt und aufgefaßt und hat es ausgeführt nach der näheren Bestimmung, daß er dies neue Prinzip verbannen, unmöglich machen wollte in seiner Republik. Es ist so ein substantieller Standpunkt, auf dem er steht, indem das Substantielle seiner Zeit zugrunde liegt; aber er ist auch nur relativ so, da es nur ein griechischer Standpunkt ist und das spätere Prinzip mit Bewußtsein ausgeschlossen wird. Dies ist das Allgemeine des Platonischen Ideals vom Staate; und aus diesem Gesichtspunkte muß man es betrachten. Untersuchungen, ob ein solcher Staat möglich und der beste ist, die sich auf die neuesten Gesichtspunkte basieren, führen nur auf schiefe Ansichten. In modernen Staaten ist Freiheit des Gewissens; jedes Individuum kann fordern, für seine Interessen sich ergehen zu können; dies ist aber aus der Platonischen Idee ausgeschlossen.
Erstens. Ich will nun in näherer Ausführung die Hauptmomente angeben, insofern sie philosophisches Interesse haben. Was nun das Wesen des Staats und was der Staat in seiner Wahrheit ist, stellt Platon dar. Er hat eine Schranke, die wir kennenlernen werden: daß der Einzelne nicht im formalen Recht dieser Allgemeinheit entgegensteht wie in der toten Konstitution der Rechtsstaaten. Der Inhalt ist nur das Ganze, die Natur des Individuums, - aber sich reflektierend ins Allgemeine, nicht fixiert, an und für sich geltend. Es ist schon bemerkt, daß ausgegangen wird von der Gerechtigkeit, daß Platon sagt, es sei bequem, die Gerechtigkeit im Staate zu betrachten. Es ist aber nicht die Bequemlichkeit, die ihn dahin führt; sondern es ist dies, daß die Ausführung der Gerechtigkeit nur möglich ist, insofern der Mensch Mitglied des Staates ist, der als solcher wesentlich sittlich ist. Die Gerechtigkeit schließt allein in sich, daß der Gerechte nur als sittliches Mitglied des Staats existiere. Die Gerechtigkeit ist nun nach Platon, daß der substantielle Geist Wirklichkeit habe und wie diese Wirklichkeit beschaffen sei. Platon zeigt das praktische Wesen am Staate zuerst auf, und dann, daß es dasselbe am Einzelnen ist. Die Idee ist konkret, ebenso das Sittliche. In der näheren Weise der Behandlung legt er nun den Organismus des sittlichen Gemeinwesens, d. h. die Unterschiede, die in der sittlichen Substanz liegen, auseinander; sie ist so lebendig, daseiend. Er entfaltet die Momente, die im Begriffe liegen; sie sind nicht unabhängig, sondern nur gehalten in der Einheit. Platon betrachtet diese Momente des sittlichen Organismus in drei Gestalten: α) wie sie im Staate als Stände sind, β) als Tugenden, Momente des Sittlichen, γ) wie sie Momente des einzelnen Subjekts, der empirischen Wirksamkeit des Willens sind. Platon predigt nicht Moral, er zeigt, wie das Sittliche sich lebendig in sich bewegt; seine Funktionen, Eingeweide stellt er auf. Innere Systematisierung wie im organischen Leibe, nicht gediegene, tote Einheit wie die Metallität, sondern in sich lebendige, sich bewegende, kommt eben durch die Unterschiede (Funktionen der Eingeweide) hervor, welche sie machen.
a) Ohne Stände, ohne diese Teilung in große Massen, hat der Staat keinen Organismus; diese großen Unterschiede sind der Unterschied des Substantiellen. Der Gegensatz des Allgemeinen, als Staatsgeschäfts und Lebens im Staate, und des Einzelnen, als Lebens und Arbeitens für das Einzelne, kommt gleichfalls vor. Beide Geschäfte sind so verteilt, daß die eine Klasse, ein Stand, jenem gewidmet ist, ein anderer aber diesem. Platon führt nun drei Systeme der Wirklichkeit des Sittlichen auf: Die Funktionen α) der Gesetzgebung, Beratung, überhaupt der Tätigkeit, Vorsorge für das Allgemeine, die Interessen des Ganzen als solchen, β) der Verteidigung des Gemeinwesens nach außen gegen Feinde, γ) der Sorge für das Einzelne, das Bedürfnis: Ackerbau, Viehzucht, Verfertigung der Bekleidung, Häuser, Geräte usf. Dies ist im allgemeinen ganz richtig, doch erscheint es mehr als äußere Notwendigkeit, weil sich solche Bedürfnisse vorfinden; es ist nicht aus der Idee des Geistes selbst entwickelt. Ferner werden diese unterschiedenen Funktionen nun an verschiedene Systeme verteilt, - einer Masse von Individuen zugeteilt, die dazu besonders bestimmt sind. Und das gibt die unterschiedenen Stände des Staats, indem Platon ebenfalls gegen die oberflächliche Vorstellung ist, daß einer und derselbe alles zusammen sein müsse. Er führt nun drei Stände auf: α) den der Regierer, Gelehrten, Wissenden; β) den der Krieger; γ) den des Anschaffens der Bedürfnisse: Ackerbauer und Handwerker. Den ersten nennt er auch den der Wächter, wesentlich philosophisch gebildete Staatsmänner, die die wahrhafte Wissenschaft besitzen. (II, 369-376) Diese Abteilung der Stände deduziert Platon nicht, diese Unterschiede sind aber notwendig; jeder Staat ist notwendig ein System dieser Systeme innerhalb seiner selbst. Auf diese Weise bildet die Einteilung in Stände die Konstitution des Platonischen Staates. Platon geht dann hierbei zu einzelnen Bestimmungen über, die zum Teil kleinlich sind und besser entbehrt würden; z. B. er bestimmt sogar für den ersten Stand besondere Titulaturen (V, 463), spricht von der Erziehung, wie die Ammen sich benehmen sollen (V, 460) usf.
b) Alsdann zeigt Platon die Momente, welche hier in Stände realisiert sind, als dasjenige, was wir Eigenschaften nennen, die in den Individuen vorhanden sind, als sittliche Wesenheiten auf, - der einfache sittliche Begriff in seine Bestimmtheiten verteilt, die allgemein. Indem Platon die Stände auf diese Weise unterscheidet, gibt er als Resultat an, daß durch solch einen Organismus alle Tugenden im Gemeinwesen lebendig vorhanden seien. Diese Tugenden, die er nun angibt, sind vier, und man hat sie Kardinaltugenden genannt.
α) Als erste Tugend erscheint die Weisheit und die Wissenschaft. "Ein solcher Staat wird weise und wohlberaten sein und zwar so sein nicht wegen der mannigfaltigen Wissenschaften (Kenntnisse), die darin vorhanden sind, welche sich auf die einzelnen Beschäftigungen beziehen, aufs Viele, was gemein ist, und ein Eigentum der Menge sind (Handwerkswissenschaften), wie Schmiedekunst, Ackerbau (Kameral-Wissenschaften), sondern wegen der wahrhaften Wissenschaft, der Wissenschaft der Vorsteher und Regenten, welche das Ganze berät, das Allgemeine weiß, sowohl wiefern es sich in sich selbst und zu anderen Staaten aufs Beste verhält, und die eigentlich nur der Besitz des kleinsten Teils ist. Diese Einsicht hat ihre Realität an dem Stande der Beratenden (Regenten)." (IV, 427-429)
β) Die zweite Tugend ist die Tapferkeit, welche Platon so bestimmt, daß sie "eine feste Behauptung der gerechten und den Gesetzen gemäßen Meinung ist, von dem, was mächtig, wichtig, zu fürchten ist (δdεινων), und die, im Gemüte befestigt, sich durch Begierden, durch Vergnügen nicht wankend machen läßt. Dieser Tugend entspricht der Stand der Tapferen." (IV, 429-430)
γ) Die dritte Tugend ist die Mäßigung (σωϕϱοσύνη), "die Gewalt über die Begierden und Leidenschaften, die wie eine Harmonie durch das Ganze verbreitet ist; so daß die schwächeren Menschen und die stärkeren, es sei nach dem Verstande betrachtet, nach der Stärke oder Menge oder Reichtum, oder in welcher Rücksicht es sei, auf ein und dasselbe zusammenwirken und miteinander übereinstimmen. Diese Tugend ist nicht, wie Weisheit und Tapferkeit, auf Teile (Stände) eingeschränkt, sondern den Regenten und Regierten gemeinschaftlich, als eine Harmonie verteilt, die Tugend aller." (IV, 430-432) Diese Mäßigung ist eigentlich die Tugend des dritten Standes. Die Harmonie, in der alles zu einem Zwecke wirkt, scheint bei dem ersten Anblicke dem dritten Stande (Herbeischaffung der Bedürfnisse und Arbeit) nicht sogleich zu entsprechen. Allein die σsωϕϱσsύνη ist eben dieses, daß kein Moment, keine Bestimmtheit, Einzelheit sich isoliert (im Moralischen, daß kein Bedürfnis sich zum Wesen macht, Laster wird). Die Arbeit ist gerade dies Moment der aufs Einzelne sich beschränkenden Tätigkeit, die aber ins Allgemeine zurückgeht, für es ist. Diese Tugend ist allgemein; aber sie findet besonders statt in Ansehung des dritten Standes, der zunächst nur in Harmonie zu bringen ist, indem er nicht die absolute Harmonie hat, die die anderen Stände in sich selbst haben.
δ) Die vierte Tugend endlich ist die Gerechtigkeit, um die es von Anfang zu tun gewesen. Diese wird im Staate (als Rechtschaffenheit) "darin gefunden, daß jeder Einzelne sich nur um eine Sache, die sich auf den Staat bezieht, bemühe (ἐπpιτtηδdεύειν), wozu seine Natur am geschicktesten geboren ist, - so daß jeder nicht vielerlei treibt, sondern das ihm Zukommende: Jung und Alt, Knaben, Weiber, Freie, Sklaven, Handwerker, Obrigkeiten und Regierte". Es ist hierüber zu bemerken: Platon stellt die Gerechtigkeit hier neben die anderen Momente; sie erscheint so als das Vierte, als eine der vier Bestimmungen. Aber er nimmt dies so zurück, daß sie es nun sei, "welche dem anderen - Mäßigkeit, Tapferkeit, Weisheit -, was zu den Staatseinrichtungen gehört, und denselben, unter diese allgemeinen Gesichtspunkte zusammengefaßt, die Kraft (δύναμιν) gibt, daß sie werden und daß sie, wenn sie vorhanden sind, ihre Wirkung, das Ganze zu erhalten, hervorbringen (ὥσsτε ἐγγενέσϑαι ϰαaὶ` εe̓γγενόμενά εeσsωτtηϱίαν πpαaϱέχεeιν)." Deswegen er auch gesagt hatte, die Gerechtigkeit werde für sich selbst schon vorhanden angetroffen werden, wenn jene anderen Tugenden gefunden sind (ἔσsεσϑαι τὸ` ὑπpολειϕϑὲ`ν ἐϰείνων, εἰ τtαà` τtϱία εὕϱοιμεν). (IV, 432-433) Bestimmter dies gesagt, so ist der Begriff der Gerechtigkeit die Grundlage, die Idee des Ganzen, welches so in sich organisch geteilt ist, daß jeder Teil nur als Moment im Ganzen ist und das Ganze durch ihn ist so, daß an diesem jene Stände oder Eigenschaften nur eben diese Momente sind. Die Gerechtigkeit nur ist dies Allgemeine, Durchdringende, - das Fürsichsein jedes Teils, den der Staat für sich gewähren läßt. Es erhellt hieraus, daß Platon unter Gerechtigkeit nicht das Recht des Eigentums, wie gemeinhin in der Rechtswissenschaft, verstanden hat, sondern daß der Geist in seiner Totalität zu seinem Rechte, Dasein gelange. Im Eigentum ist höchst abstrakt meine Persönlichkeit, meine ganz abstrakte Freiheit vorhanden. Bestimmungen dieser Rechtswissenschaft hält Platon (IV, 425) im Ganzen für überflüssig. In den Büchern über die Gesetze betrachtet er hauptsächlich auch das Sittliche; doch läßt er sich etwas mehr hierauf ein. Es erhellt hieraus, daß die Gerechtigkeit das ganze Wesen ist, - in Ansehung des Einzelnen so bestimmt, daß jeder das, zu dem er geboren ist, aufs Beste treiben lerne und treibe. Hierdurch kommt er als bestimmte Individualität allein zu seinem Rechte, sie ist im Allgemeinen des Staats; er gehört dem allgemeinen Geiste an und kommt zum Allgemeinen seiner als eines Diesen. Das Recht ist das Allgemeine mit einem bestimmten Inhalte, - formell Allgemeines. Hier ist dieser Inhalt die bestimmte ganze Individualität, nicht dies oder jenes Ding, Zufall des Besitzes; sondern seine eigentliche Habe ist der ausgebildete Besitz und Gebrauch seiner Natur. Die Gerechtigkeit läßt überhaupt jeder besonderen Bestimmung ihr Recht widerfahren und führt sie ebenso ins Ganze zurück. (Die Partikularität eines Individuums muß ausgebildet werden, zum Rechte, Dasein kommen. Jeder ist so an seiner Stelle, jeder erfüllt seine Bestimmung; so daß also jedem sein Recht widerfährt.) Sie heißt nach ihrem wahrhaften Begriff bei uns die Freiheit im subjektiven Sinn. Hier ist sie dies, daß das Vernünftige zu seinem Dasein komme, Existenz erhalte. Das Recht, daß die Freiheit zur Existenz komme, ist allgemein. Deswegen stellt Platon die Gerechtigkeit oben hin als Bestimmung des Ganzen und die Freiheit in dem Sinne, daß die vernünftige Freiheit zur Existenz gelange durch den Organismus des Staats, - eine Existenz, die dann eine notwendige, eine Weise der Natur ist.
c) Das besondere Subjekt als Subjekt hat ebenso diese Eigenschaften an ihm; diese Momente des Subjekts entsprechen den drei realen Momenten des Staats. Diese dritte Form, in der diese Momente aufgezeigt werden, bestimmt Platon auf folgende Weise. (Daß ein Rhythmus, ein Typus die Idee im Staate ist, - das ist eine große und schöne Grundlage des Platonischen Staates.) "Es zeigen sich am Subjekte zuerst α) Bedürfnisse, Begierden (ἐπpιϑυμίαι) wie Hunger und Durst, deren jede auf etwas Bestimmtes und nur auf dieses geht. Die Begierde, für die Arbeit, entspricht der Bestimmung des dritten Standes. β) Zugleich aber auch findet sich im einzelnen Bewußtsein etwas anderes, was die Befriedigung dieser Begierde aufhält und hindert und über den Reiz zu derselben die Oberhand hat; dies ist der λόγος, das Vernünftige. Diesem entspricht der Stand der Vorsteher, die Weisheit des Staats. γ) Außer diesen zwei Ideen der Seele ist ein Drittes, der Zorn (ϑυμός, Gemüt), welcher einesteils den Begierden verwandt ist, aber ebenso auch gegen die Begierde streitet und der Vernunft beisteht. Teils wenn einer Unrecht getan hat und der ihn Hunger und Kälte ausstehen läßt, von dem er mit Recht dies zu leiden glaubt, so wird er, je edler er ist, desto weniger in Zorn gegen ihn entbrennen; teils, wenn er Unrecht leidet, so gärt es in ihm auf, und er steht dem, was gerecht ist, bei, und Hunger und Frost und sonstige Mühseligkeiten, die der Begierde entgegen sind duldet er und überwindet sie und gibt das Rechte nicht auf, bis er es durchgesetzt oder den Tod gefunden oder durch Gründe, wie ein Hund vom Schäfer, besänftigt ist. Der ϑυμός entspricht dem Stande der tapferen Verteidiger im Staate; wie diese für die Vernunft des Staats zu den Waffen greifen, so steht der Zorn der Vernunft bei, wenn er nicht durch schlechte Erziehung verderbt worden." (IV, 437-441)
"So ist also die Weisheit des Staats dasselbe als des Einzelnen; so auch die Tapferkeit, und so im Übrigen: die Mäßigung, die Übereinstimmung der einzelnen Momente des Natürlichen; und die Gerechtigkeit, wie in den äußeren Handlungen, daß jedes das Seinige vollbringt, so im Innern, daß jedes Moment des Geistes sein Recht erlangt und andere sich nicht in sein Geschäfte mischen, - die Austeilung, welche jedem das Seinige gibt und es gewähren läßt." (IV, 441-443) Wir haben den Schluß dreier Momente: α) die Allgemeinheit, β) die Mitte, der Zorn für sich gegen das Gegenständliche, in sich zurückkehrend und negativ, besser die negativ sich betätigende Freiheit, γ) die Vereinzelung. Platon ist auch hier, wo er kein Bewußtsein seiner abstrakten Idee, wie beim Timaios, hat, diese in Wahrheit im Innern gegenwärtig; und alles bildet sich darnach. Dies ist nun die Weise, wie Platon die Disposition für das Ganze macht. Die Ausführung ist Detail, das für sich weiter kein Interesse hat.
Zweitens. Platon gibt dann die Mittel an, den Staat zu erhalten. Dies Mittel ist Erziehung, Bildung. Überhaupt beruht nun das ganze Gemeinwesen auf Sitte, als zur Natur gewordenem Geist der Individuen, daß jeder als sittliches Tun und Wollen vorhanden sei. Wie bewirkt dies nun Platon? Eben wie macht er, daß in ihnen das, was ihre Bestimmung ist, wirklich zum eigenen Sein und Wollen des Individuums werde, daß jeder (nach der Mäßigung) sich unterwerfe dieser seiner Stelle, Geschäfte? - Die Hauptsache ist, die Individuen dazu zu erziehen. Er will diese Sitte direkt hervorbringen in den Individuen, zuerst und vornehmlich in den Wächtern. Da den Wächtern gerade die Sorge überlassen ist, diese Sitte hervorzubringen, so muß auf ihre Erziehung besonders geachtet werden, - hernach auch auf die der Krieger. Wie es im Stande der Gewerbe sei, macht dem Staat wenig Sorge; "denn ob die Schuhflicker schlecht und verdorben werden und das nur zu sein scheinen, was sie sein sollen, - das ist dem Staat kein Unglück (οὐδdὲ`ν δdεινόν)." (IV, 421) Zum wichtigsten Teil des Ganzen gehört also die Bildung der Vorsteher, als Grundlage. Diese Bildung soll aber durch die Wissenschaft sein, durch die Kunde von dem philosophischen Wissen, von dem Allgemeinen, Anundfürsichseienden, dessen Wissenschaft die Philosophie ist. Platon geht dabei die einzelnen Bildungsmittel durch: Religion, Kunst, Wissenschaft. Ausführlicher redet Platon auch ferner darüber, wie weit Musik und Gymnastik als Mittel zuzulassen seien. Die Dichter aber, Homer und Hesiod, verbannt er aus seinem Staate, weil er ihre Vorstellungen von Gott unwürdig findet. Denn es fing damals an, Ernst zu werden mit der Betrachtung des Glaubens an Jupiter und die Homerischen Geschichten; einzelne Darstellungen wurden als allgemeine Maxime, göttliches Gesetz genommen. Auf einer Stufe der Bildung sind Kindermärchen unschuldig; aber wenn sie zum Grunde der Wahrheit des Sittlichen gelegt werden sollen, als gegenwärtiges Gesetz - so Schriften der Israeliten, das Alte Testament, als Maßstab im Völkerrecht das Ausrotten der Völker, die unzähligen Schändlichkeiten, die David, der Mann Gottes, begangen, Greulichkeiten, welche die Priesterschaft (Samuel) gegen Saul verübt und geltend gemacht hat -, dann ist es Zeit, sie zu einem Vergangenen, zu etwas bloß Historischem herabzusetzen. Platon geht die Gymnastik und Musik durch und spricht vorzüglich von der Philosophie. (II, 376) Dann will er Einleitungen in die Gesetze, worin die Bürger zu ihren Pflichten ermahnt, überzeugt werden usf.; Erziehung, Wahl der Vortrefflichsten, kurz Sittlichkeit.
(Die Wächter wachen also für die Erhaltung der Gesetze und die Gesetze beziehen sich besonders auf sie. Allerdings finden wir auch bei Platon Gesetze über Eigentum, Polizei usw. "Aber", sagt er, "edlen und schönen Männern darüber Gesetze zu geben, verlohnt sich nicht der Mühe." (IV, 425) Wirklich, wie will man darüber göttliche Gesetze erfinden, wo der Stoff an sich nur Zufälligkeiten enthält?)
Hier ist aber der Zirkel vorhanden: Das öffentliche Staatsleben besteht durch die Sitten, und umgekehrt die Sitten durch Institutionen. Die Sitten dürfen nicht unabhängig von den Institutionen sein oder die Institutionen bloß auf die Sitten gerichtet sein durch Erziehungsanstalten, Religion. Eben Institutionen müssen als das Erste angesehen werden, wodurch die Sitte wird, die Weise, wie die Institutionen subjektiv sind. Platon selber gibt zu verstehen, wieviel Widerspruch er zu finden erwarte. Und noch jetzt pflegt man den Mangel darin zu setzen, daß er idealisch sei; darin liegt er vielmehr, daß er nicht idealisch genug ist. Denn wenn die Vernunft die allgemeine Macht ist, diese aber wesentlich geistig ist, so gehört zum Geistigen die subjektive Freiheit; und diese subjektive Freiheit ist das Prinzip, was schon bei Sokrates war, bei ihm aufgegangen und sich betätigend als das, was das Verderben Griechenlands ausgemacht hat. Griechenland beruhte auf der substantiellen sittlichen Freiheit; das Erblühen der subjektiven Freiheit hat es nicht auszuhalten vermocht. Also die Vernünftigkeit soll die Grundlage des Gesetzes sein und ist es auch im ganzen; aber auf der andern Seite ist das Gewissen, die eigene Überzeugung - kurz alle Formen der subjektiven Freiheit - wesentlich darin enthalten. Den Gesetzen, dem Staatsorganismus steht die Subjektivität gegenüber. Jene Vernunft ist die absolute Macht, die das Individuum der Familie - durch äußere Notwendigkeit der Bedürfnisse, worin aber Vernunft an und für sich - sich anzueignen den Trieb hat. Es geht von der Subjektivität der freien Willkür aus, schließt sich dem Ganzen an, wählt sich einen Stand, bringt sich empor als sittliche Sache. Aber dieses Moment überhaupt, diese Bewegung des Individuums, dieses Prinzip der subjektiven Freiheit ist bei Platon teils nicht beachtet, teils sogar absichtlich verletzt, und er betrachtet nur, wie die Organisation des Staats die beste sei, nicht wie die subjektive Individualität. Im Hinausgehen über das Prinzip der griechischen Sittlichkeit faßt die Platonische Philosophie es zugleich auf und ging sogar darin noch weiter.
Was nun den anderen Gesichtspunkt betrifft, das Ausschließen des Prinzips der subjektiven Freiheit, so ist dies ein Hauptzug bei der Platonischen Republik. Der Geist derselben besteht wesentlich darin, daß alle Seiten, worin sich die Einzelheit als solche fixiert, im Allgemeinen aufgelöst werden, - alle nur als allgemeine Menschen gelten. Dieser Bestimmung gemäß, das Prinzip der Subjektivität auszuschließen, ist es nun, daß Platon (spezieller)
a) es nicht den Individuen gestattet, sich einen Stand zu wählen, - was wir für die Freiheit als notwendig fordern. Diese Stände sind aber in Ansehung der Individuen nicht durch die Geburt getrennt und für sie bestimmt; sondern je nachdem einer natürliches Geschick und Anlage hat (nach dem Urteile über seine Talente, Erziehung), wird von den Regenten des Staats, den Ältesten des ersten Standes, welche die Individuen erziehen lassen, prüfen, die Auswahl und die Abscheidung gemacht und jeder einem bestimmten Geschäfte zugeteilt (III, 412-415). (Der erste Stand sind Regenten, die Weisheit des Staats, und haben die Krieger auf ihrer Seite als Betätigung, aber so, daß nicht ein Zivil- und Militärstand auseinanderfällt, sondern beides vereint ist, - so daß die Ältesten die Wächter.) Dies erscheint unserem Prinzip durchaus widersprechend. Denn obwohl man es für billig findet, daß zu einem gewissen Stande eine besondere Tätigkeit und Geschicklichkeit gehöre, so bleibt es doch immer eine Neigung, welchem Stande man angehört; und mit dieser Neigung - frei scheinenden Wahl - macht der Stand sich für sich selber. Aber von einem anderen Individuum läßt man sich das nicht vorschreiben: "Weil du zu nichts Besserem zu brauchen bist als zu einem Handwerker" usw. Er kann es selbst versuchen; man muß ihn machen lassen, über ihn als Subjekt auch auf subjektive Weise entscheiden lassen durch eigene Willkür, ohnehin nach äußeren Umständen: "Ich will auf das Studieren mich legen."
b) Ferner kommt es aus dieser Bestimmung her, daß Platon ebenso in seinem Staate das Prinzip des Privateigentums überhaupt aufgehoben hat (III, 416-417). Denn in ihm wird die Einzelheit, das einzelne Bewußtsein absolut, oder die Person angesehen als das Ansichseiende ohne allen Inhalt. Im Recht als solchem gelte ich als Dieser an und für mich. Es gelten alle so, und ich gelte nur, weil alle gelten oder ich gelte nur als Allgemeines; aber der Inhalt dieser Allgemeinheit ist die fixierte Einzelheit. Wenn es im Recht um das Recht als solches zu tun ist, den Richtern der Sache nichts daran gelegen ist, ob eigentlich dieser oder ein anderer dies Haus besitze, und auch den Parteien nichts am Besitze dieses Dings, um das sie streiten, sondern am Recht um des Rechts willen (wie der Moralität an der Pflicht um der Pflicht willen), so wird an dieser Abstraktion festgehalten und von dem Inhalt der Realität abstrahiert. Aber das Allgemeine der Philosophie ist nicht eine Abstraktion, sondern das Wesen der Einheit des Allgemeinen und der Realität oder seines Inhalts. Es gilt daher nur der Inhalt, insofern er im Allgemeinen negativ gesetzt wird, zurückkehrend, nicht an und für sich geltend. Insofern ich die Dinge brauche - nicht insofern ich sie habe oder sie mir als seiend, als fixiert an mir als Fixiertem gelten -, stehen die Dinge in Beziehung auf mich als Besitz und Eigentum. - Der (andere) dritte Stand aber treibt Handwerke, Handel, Ackerbau und schafft das Nötige für das Allgemeine herbei, ohne Eigentum durch seine Arbeit zu gewinnen; sondern das Ganze ist eine Familie, worin jeder sein angewiesenes Geschäft treibt, aber das Produkt der Arbeit gemeinsam ist und er von seinem sowie von allen Produkten das erhält, was er braucht. Eigentum ist ein Besitz, der mir als dieser Person angehört, worin meine Person als solche zur Existenz, zur Realität kommt. Aus diesem Grunde schließt er es aus. Es bleibt aber unerörtert, wie in Entwicklung der Gewerbe ohne Hoffnung auf Privateigentum ein Reiz der Tätigkeit stattfinden soll. Darin, daß ich Person bin, liegt ja vielmehr meine Fähigkeit zum Eigentum. - Daß dann, wie Platon meint (V, 464), allen Streitigkeiten, Zwist, Haß, Habsucht usf. ein Ende gemacht sei, kann man sich wohl im allgemeinen vorstellen. Aber das ist nur eine untergeordnete Folge gegen das höhere und vernünftige Prinzip des Eigentumsrechts; und die Freiheit hat nur Dasein, sofern der Person Eigentum zukommt. Auf diese Weise sehen wir die subjektive Freiheit von Platon selbst mit Bewußtsein aus seinem Staate entfernt.
c) Aus demselben Grunde hebt Platon auch die Ehe auf, weil sie eine Verbindung ist, worin eine Person von einem Geschlechte einer Person vom anderen sich als diese gegenseitig bleibend angehört, auch außer der bloß natürlichen Beziehung, - dem "gegenseitigen Gebrauche", wenn es so genannt werden kann. Platon läßt das Familienleben in seinem Staate nicht aufkommen, - diese Eigentümlichkeit, wonach eine Familie ein Ganzes für sich ausmacht. Die Familie ist die erweiterte Persönlichkeit, - ein sittliches Verhältnis, innerhalb der natürlichen Sittlichkeit, ausschließend gegen Anderes; es ist zwar Sittlichkeit, aber eine solche, die dem Individuum als Einzelheit zugehört. Nach dem Begriff der subjektiven Freiheit muß das Individuum Eigentum haben; ebenso notwendig, ja heilig ist die Familie. So läßt Platon der Mutter das Kind gleich nach der Geburt wegnehmen, in einer eigenen Anstalt (Schafstall) zusammenbringen und durch Säugammen aus der Zahl der Mütter, die entbunden worden, nähren, - so jedoch, daß keine Mutter mehr ihr Kind soll erkennen können. Die Kinder erhalten eine gemeinsame Erziehung. Ebenso werden auch die Frauen verteilt. Es soll wohl Hochzeiten, besondere Frauen geben, - aber so, daß das Zusammensein von Mann und Frau nicht eine persönliche Neigung voraussetzt, das Individuum nicht sein besonderes Gefallen gelten machen kann, welches Mann und Frau füreinander bestimmt. Die Weiber sollen vom 20. bis 40. Jahre gebären, die Männer vom 30. bis 55. Jahre Frauen haben. Um Blutschande zu verhindern, sollen die Kinder, die zu der Zeit geboren, wo ein Mann verheiratet ist, alle seine Kinder genannt werden (V, 457-461). Die Frauen, deren wesentliche Bestimmung das Familienleben ist, entbehren hier dieses ihres Bodens. In der Platonischen Republik folgt daher: Indem die Familie aufgelöst ist und die Weiber nicht mehr dem Hause vorstehen, so sind sie auch keine Privatpersonen und nehmen die Weise des Mannes als des allgemeinen Individuums im Staate an. Und Platon läßt sie deswegen alle männlichen Arbeiten wie diese verrichten (V, 451-457), auch mit in den Krieg ziehen, setzt sie auf beinahe gleichen Fuß mit den Männern; aber er hat kein sonderliches Zutrauen zu ihrer Tapferkeit und stellt sie nur hinterdrein, und zwar nicht als Reserve, doch "als arrière-garde, um wenigstens dem Feinde durch die Menge Furcht einzujagen, zu imponieren und im Notfall auch zu Hilfe zu eilen" (V, 471).
Dies macht nun die Grundzüge der Platonischen Republik aus. Sie hat dies Wesentliche, daß das Prinzip der Einzelheit unterdrückt ist, und es scheint, daß die Idee dies erfordere, daß eben hierin der Gegensatz der Philosophie überhaupt gegen die Vorstellungsweise liegt, welche das Einzelne geltend macht und so auch im Staate, als dem realen Geiste, Eigentumsrecht, Schutz der Personen und des Eigentums sogar als die Basis alles Staats ansieht. Das ist die Grenze der Platonischen Idee; jenes nur die abstrakte Idee. Aber in der Tat ist die wahre Idee eben diese, daß jedes Moment sich vollkommen realisiert, verkörpert und selbständig macht und in seiner Selbständigkeit für den Geist doch ein Aufgehobenes ist. Hiernach muß nach dieser Idee die Einzelheit sich vollkommen realisieren, ihr Feld und Reich im Staate haben und doch in ihm aufgelöst sein. Das Element des Staats ist die Familie, d. h. sie ist der natürliche, vernunftlose Staat; dies Element muß als solches vorhanden sein. Alsdann die Idee des Vernunftstaats hat die Momente ihres Begriffs so zu realisieren, daß sie Stände werden, daß die sittliche Substanz in Massen sich zerteilt, wie die körperliche Substanz in Eingeweide und Organe, deren jedes das Leben in eigentümlicher Bestimmtheit treibt, aber alle nur ein Leben zusammen ausmachen. Der Staat überhaupt, das Ganze, als Einzelwesen, noch nicht abstrakte Allgemeinheit der Persönlichkeit, die das Recht ausmacht, muß durch alles hindurchgehen. Aber ebenso muß das abstrakt Formelle, das Recht mit der Einzelheit als seiendem Inhalt, Prinzip, durchs Ganze hindurchlaufen; aber ein Stand gehört ihm besonders an. So muß auch ein Stand sein, worin das unmittelbare Eigentum, das bleibende Eigentum, wie der Besitz des Leibes, so ein Besitz eines Stücks Land ist, - und dann ein Stand, worin immer erworben wird, nicht solcher unmittelbarer Besitz ist, sondern ein sich immer wandelndes und veränderndes Gut. Diese beiden Stände gibt das Volk als einen Teil seiner selbst dem Prinzip der Einzelheit preis und läßt hier das Recht regieren, eine Beständigkeit, das Allgemeine, das Ansich in diesem Prinzipe suchen, das vielmehr das der Beweglichkeit ist. Dies Prinzip muß seine ganze vollständige Realität haben, es muß auch als Eigentum vorkommen. Dies ist erst der wahre reale Geist, daß jedes Moment seine vollkommene Selbständigkeit und er sein Anderssein in völliger Gleichgültigkeit des Seins erhält; - dies vermag die Natur nicht, selbständiges Leben ihrer Teile darzustellen, außer im großen Systeme.
Dies ist, wie wir sonst sehen werden, die große Erhebung der modernen Welt über die alte, worin das Gegenständliche größere, absolute Selbständigkeit erhält, die aber darum um so schwerer unter die Einheit der Idee zurückkehrt.
Dieser Mangel der Subjektivität ist der Mangel der griechischen sittlichen Idee selbst. Das Prinzip, was bei Sokrates aufging, war nur bisher untergeordneter vorhanden; es muß nun auch absolutes Prinzip, notwendiges Moment der Idee selbst werden.
Durch dies Ausschließen des Eigentums, des Familienlebens, durch die Aufhebung der Willkür bei Wahl des Standes, durch alle diese Bestimmungen, die sich auf das Prinzip der subjektiven Freiheit beziehen, glaubt Platon allen Leidenschaften, Haß, Streit usf. die Tür verschlossen zu haben. Er hatte wohl erkannt, daß das Verderben des griechischen Lebens davon hergekommen ist, daß die Individuen als solche ihre Zwecke, ihre Neigungen, Interessen geltend zu machen anfingen, Interessen, die über den gemeinsamen Geist Meister geworden sind. Indem dies Prinzip aber notwendig ist durch die christliche Religion - in der die Seele des Einzelnen absoluter Zweck ist und so als notwendig im Begriff des Geistes eingetreten ist in die Welt -, so sieht man, daß die Platonische Staatsverfassung untergeordnet ist, das nicht erfüllen kann, was die höhere Forderung von einem sittlichen Organismus verlangt. Platon hat das Beruhen, Wissen, Wollen, Beschließen des Individuums nicht anerkannt, nicht zu vereinigen gewußt mit seiner Idee. Die Gerechtigkeit erfordert ebenso für dies sein Recht wie die höhere Auflösung und Harmonie mit dem Allgemeinen. Das Entgegengesetzte gegen das Prinzip Platons ist das Prinzip des bewußten freien Willens der Einzelnen, was in späterer Zeit besonders durch Rousseau obenangestellt worden ist: daß die Willkür des Einzelnen als Einzelnen, das Aussprechen des Einzelnen notwendig ist. Da ist denn das Prinzip bis in das direkte Extrem gesteigert und in seiner ganzen Einseitigkeit hervorgetreten. Dieser Willkür und Bildung gegenüber muß das an und für sich Allgemeine, Gedachte nicht als weise Vorsteher, Sitte, sondern als Gesetz, und zugleich mein Wesen und mein Gedanke, d. h. Subjektivität und Einzelheit sein. Die Menschen müssen das Vernünftige selbst aus sich mit ihrem Interesse, ihrer Leidenschaft hervorgebracht haben, so wie es in die Wirklichkeit tritt durch dringende Not, Gelegenheit, Veranlassungen.
Wir haben auch nicht den Kritias anzuführen, der ein Fragment geblieben ist und im Zusammenhange mit Timaios steht, mit dem sich Kritias so geteilt hatte, daß Timaios von dem spekulativen Ursprung des Menschen und der Natur handeln, Kritias die Geschichte der Menschenbildung (philosophische Geschichte) als die alte Geschichte der Athenienser darstellen sollte, wie sie bei den Ägyptern aufbewahrt werde.
Noch kann eine berühmte Seite der Platonischen Philosophie kurz betrachtet werden, nämlich das Ästhetische, die Erkenntnis dessen, was das Schöne ist. Hierüber hat Platon ebenso den einzigen wahren Gedanken aufgefaßt, daß das Wesen des Schönen intellektuell, die Idee der Vernunft ist. Er ist so zu verstehen, wenn er von einer geistigen Schönheit spricht: Die Schönheit als Schönheit ist die sinnliche Schönheit, nicht an einem anderen Orte, man weiß nicht wo; sondern was am Sinnlichen schön ist, ist eben geistig. Es ist dies der Fall wie mit seiner Idee überhaupt. Wie das Wesen und die Wahrheit des Erscheinenden die Idee ist, so ist auch die Wahrheit des erscheinenden Schönen eben diese Idee. Das Verhältnis zum Körperlichen, als ein Verhältnis der Begierde oder des Angenehmen und Nützlichen, ist kein Verhältnis zu ihm als Schönem; es ist ein Verhältnis zu ihm als dem nur Sinnlichen oder des Einzelnen zu Einzelnem. Sondern das Wesen des Schönen ist nur die auf sinnliche Weise als ein Ding vorhandene einfache Idee der Vernunft; aber sein Inhalt ist nichts anderes als sie.*) Es ist wesentlich ein geistiges Wesen; α) es ist nicht bloß sinnliches Ding, sondern die der Form der Allgemeinheit, der Wahrheit unterworfene Wirklichkeit. Aber β) dies Allgemeine behält auch nicht die Form der Allgemeinheit, sondern das Allgemeine ist Inhalt, dessen Form die sinnliche Weise ist, - Bestimmtheit des Schönen. In der Wissenschaft hat das Allgemeine auch wieder die Form des Allgemeinen oder des Begriffs. Das Schöne aber tritt als wirkliches Ding oder in der Sprache als Vorstellung hervor, in der Weise das Dingliche im Geiste ist. Die Natur, das Wesen usf., der Inhalt des Schönen wird allein durch die Vernunft erkannt, - derselbe Inhalt, den die Philosophie hat; und das Schöne ist seinem Wesen nach allein durch sie zu beurteilen. Weil sie im Schönen auf dingliche Weise erscheint, so bleibt das Schöne unter der Erkenntnis; und Platon hat eben deswegen seine wahre Erscheinung als das Geistige, wo sie in Geistes Weise ist, in die Erkenntnis gesetzt.
Dies wäre der Hauptinhalt der Platonischen Philosophie. Der Platonische Standpunkt ist α) zufällige Form, - Gespräche, Unterhaltung edler Geister, freier Menschen, ohne anderes Interesse als die Theorie, geistiges Leben; β) sie kommen dabei, fortgeführt durch den Inhalt, auf die tiefsten Begriffe, - schöne Stellen, tiefe Gedanken, wie Edelsteine, auf die man stößt, nicht in einer Sandwüste, freilich auf trockenem Gange, Blumengefilde, aber auf mühsamem Wege (Edelsteine, Blumen, wie erheiternde Natur); γ) nicht systematischer Zusammenhang, - mit einem Interesse; δ) nicht Subjektivität des Begriffes überhaupt, aber ε) substantielle Idee.
Platons Philosophie hatte zwei Stufen, nach welchen sie sich ausbilden und in ein höheres Prinzip hinaufarbeiten mußte. α) Das Allgemeine, welches in der Vernunft ist, mußte im stärksten unendlichen Gegensatz sich entzweien, in Selbständigkeit des persönlichen Bewußtseins, das für sich ist. So geht in der Neuen Akademie das Selbstbewußtsein in sich zurück und wird eine Art von Skeptizismus, - die negative Vernunft, welche überhaupt gegen alles Allgemeine sich wendet und die Einheit des Selbstbewußtseins und des Allgemeinen nicht zu finden weiß, daher an jenem stehenbleibt. β) Die Neuplatoniker aber machen die Rückkehr, diese Einheit des Selbstbewußtseins und des absoluten Wesens; ihnen ist Gott in der Vernunft unmittelbar gegenwärtig, - das vernünftige Erkennen ist selbst der göttliche Geist und sein Inhalt das Wesen Gottes. Beides werden wir späterhin sehen.
*) Hippias maior, 292, 295 ff., 302
Platon Politeia
Das Höhlengleichnis. Beschreibung der Lage der Gefangenen >>>
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Platon und Aristoteles >
A. Philosophie des Platon > 1. Dialektik / > 2. Naturphilosophie / > 3. Philosophie des Geistes >
B. Philosophie des Aristoteles > 1. Metaphysik / > 2. Naturphilosophie / > 3. Philosophie des Geistes > a. Psychologie / > b. Praktische Philosophie: > a. Ethik / > c. Politik / > 4. Logik >
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