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Manfred Herok  2014

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B. Philosophie des Aristoteles

Hiermit verlassen wir jetzt Platon; man trennt sich ungern von ihm.
Indem wir aber zu seinem Schüler Aristoteles übergehen, muß uns noch mehr bangen,
weitläufig werden zu müssen; denn er ist eins der reichsten und umfassendsten (tiefsten) wissenschaftlichen Genies gewesen, die je erschienen sind,
- ein Mann, dem keine Zeit ein Gleiches an die Seite zu stellen hat.
Und indem wir noch einen so großen Umfang seiner Werke besitzen, so wird der Stoff um so ausgedehnter; die Ausführlichkeit, die Aristoteles verdient, kann ich ihm leider nicht gewähren.
Wir werden bei Aristoteles uns beschränken müssen auf eine allgemeine Vorstellung von seiner Philosophie (Platon und Aristoteles sind, wenn irgendeiner, Lehrer des Menschengeschlechts zu nennen) und nur besonders bemerken, inwiefern Aristoteles in seiner Philosophie weitergeführt,
was das Platonische Prinzip begonnen, sowohl in der Tiefe der Ideen als nach deren Ausdehnung. Aristoteles ist in die ganze Masse und alle Seiten des realen Universums eingedrungen und hat ihren Reichtum und Zerstreuung dem Begriffe unterjocht; und die meisten philosophischen Wissenschaften haben ihm ihre Unterscheidung, ihren Anfang zu verdanken.
Indem die Wissenschaft auf diese Weise in eine Reihe von Verstandesbestimmungen bestimmter Begriffe auseinanderfällt, enthält die Aristotelische Philosophie zugleich die tiefsten spekulativen Begriffe.
Er ist so umfassend und spekulativ wie keiner.
Die allgemeine Ansicht seiner Philosophie erscheint aber nicht als ein sich systematisierendes Ganzes, dessen Ordnung und Zusammenhang ebenfalls dem Begriffe angehörte, sondern die Teile sind empirisch aufgenommen und nebeneinandergestellt; der Teil ist für sich als bestimmter Begriff erkannt, aber er ist nicht die zusammenhängende Bewegung. Und obwohl sein System nicht als in seinen Teilen entwickelt erscheint, sondern die Teile nebeneinanderstehen, so sind sie doch eine Totalität wesentlich spekulativer Philosophie.

Ein Grund, von Aristoteles weitläufig zu sein, liegt darin, daß keinem Philosophen soviel Unrecht getan worden ist durch ganz gedankenlose Traditionen, die sich über seine Philosophie erhalten haben und noch an der Tagesordnung sind, obgleich er lange Jahrhunderte der Lehrer aller Philosophen war.
Man schreibt ihm Ansichten zu, die gerade das Entgegengesetzte seiner Philosophie sind.         
Platon wird viel gelesen;
Aristoteles ist in neuerer Zeit fast unbekannt, und es herrschen die falschesten Vorurteile über ihn.
Seine spekulativen, logischen Werke kennt fast niemand; den naturgeschichtlichen hat man in neuerer Zeit mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen, aber nicht so seinen philosophischen Ansichten.
Es ist eine ganz allgemein verbreitete (die gewöhnliche) Meinung,
daß Aristotelische und Platonische Philosophie sich geradezu entgegengesetzt seien: diese sei Idealismus, jene Realismus, und zwar Realismus im trivialsten Sinne. Platon habe die Idee, das Ideal zum Prinzip gemacht, so daß die innere Idee aus sich selber schöpfe; nach Aristoteles sei die Seele eine tabula rasa, empfange alle ihre Bestimmungen ganz passiv von der Außenwelt, seine Philosophie sei Empirismus, der schlechteste Lockeanismus usf. Aber wir werden sehen, wie wenig dies der Fall ist. In der Tat übertrifft an spekulativer Tiefe Aristoteles den Platon, indem er die gründlichste Spekulation, Idealismus gekannt hat und in dieser steht bei der weitesten empirischen Ausbreitung.
Auch namentlich bei den Franzosen existieren noch jetzt ganz falsche Ansichten von Aristoteles.
Ein Beispiel, wie die Tradition blind ihm etwas nachsagt, ohne daß sie in seinen Werken selbst nachgesehen, ob es darin steht oder nicht, ist, daß in den alten Ästhetiken die drei Einheiten des Drama - der Handlung, der Zeit und des Orts - als règles d'Aristote, la saine doctrine gepriesen werden. Aristoteles spricht aber nur von der Einheit der Handlung 1) beiläufig von Einheit der Zeit2) - von der dritten Einheit, des Orts,
gar nicht.

Lebensumstände. Aristoteles ist aus Stagira gebürtig, einer thrakischen Stadt am strymonischen Meerbusen, einer griechischen Kolonie, - ob also schon in Thrakien, ein geborener Grieche.
Diese griechische Kolonie fiel inzwischen unter die Herrschaft Philipps von Makedonien, wie das übrige Land. Sein Geburtsjahr ist das erste der 99. Olympiade (384 v. Chr.).
Platon wurde im dritten Jahre der 87. Olympiade (430 v. Chr.) geboren;
Aristoteles ist mithin 46 Jahre jünger und wurde geboren 16 Jahre nach dem Tode des Sokrates
(Ol. 95, 1; 400 v. Chr.). Sein Vater Nikomachos, ein Arzt, war Leibarzt bei dem makedonischen Könige Amyntas, dem Vater des Philippos. 3) Nach dem Tode seiner Eltern, die er früh verlor, wurde er von Proxenos (seinem Verwandten) erzogen, dem er beständige Dankbarkeit widmete, dessen Andenken er sein ganzes Leben hindurch wert hielt und es durch Statuen ehrte, auch ihm seine Erziehung dadurch vergalt, daß er späterhin seinen Sohn Nikanor erzog und an Kindes Statt annahm und zu seinem Erben einsetzte.
Im 17. Jahre seines Alters kam Aristoteles nach Athen und verweilte daselbst 20 Jahre im Umgange mit Platon. Er hat so Gelegenheit gehabt, die Platonische Philosophie ganz genau kennenzulernen; und wenn man daher sagen hört, er habe sie nicht verstanden, so zeigt sich dies schon nach den äußeren Umständen als willkürliche, ganz  unbegründete Annahme.
Über das Verhältnis Platons zu Aristoteles, besonders über den Umstand, daß Platon nicht den Aristoteles zu seinem Nachfolger erwählte in der Akademie, sondern Speusipp, einen nahen Verwandten, werden von Diogenes (V, § 2) eine Menge unnützer, sich widersprechender Anekdoten beigebracht. Sollte die Fortsetzung der Platonischen Schule dies ausdrücken, daß seine Philosophie genauer im Sinne Platons darin sich erhielte, so konnte Platon allerdings den Aristoteles nicht zu seinem Nachfolger ernennen,
- so war Speusipp der Mann. Platon hat jedoch in der Tat den Aristoteles zum Nachfolger gehabt; denn Aristoteles trug die Philosophie im Sinne des Platon, aber tiefer und erweiterter vor, so daß er sie zugleich weitergebracht hat. Der Verdruß über dies Übergehen soll die Ursache gewesen sein,
daß Aristoteles nach Platons Tode (Ol. 108, 1; 348 v. Chr.) Athen verließ und einige Jahre bei Hermias, dem Dynasten von Atarnea in Mysien lebte.
Dieser war nämlich Aristoteles' Mitschüler bei Platon gewesen und hatte damals mit Aristoteles eine enge Freundschaft gestiftet.
Drei Jahre verlebte Aristoteles bei ihm. Hermias, ein unabhängiger Fürst, wurde nebst anderen absoluten griechischen Fürsten und Republiken in Kleinasien von einem persischen Satrapen unterjocht;
Hermias wurde nach Persien zu Artaxerxes gefangengeschickt,
der ihn ohne weiteres kreuzigen ließ.
Um einem ähnlichen Schicksale zu entgehen, entfloh Aristoteles mit der Tochter des Hermias, Pythias, seiner Gemahlin, nach Mytilene, lebte dort. Dem Hermias aber errichtete er eine Statue in Delphi mit einer Inschrift, die uns noch erhalten ist; aus ihr erhellt, daß er hinterlistig, durch Verrat in die Gewalt der Perser gekommen. Aristoteles verherrlichte seinen Namen ebenso durch eine schöne Hymne auf die Tugend, die gleichfalls auf uns gekommen ist. 4)

Von Mytilene wurde er (Ol. 109, 2; 343 v. Chr.) durch Philipp von Makedonien berufen,
um die Erziehung des Alexander zu übernehmen, der damals 15 Jahr alt war. Philipp lud ihn dazu in einem bekannten Briefe ein, den wir noch haben. Philipp schrieb:
"Ich habe einen Sohn, aber ich danke den Göttern weniger, daß sie mir ihn gaben, als daß sie ihn zu deiner Zeit geboren werden ließen. Ich hoffe, daß deine Sorgfalt und deine Einsichten ihn meiner und seines künftigen Reiches würdig machen werden." 5)
Es erscheint allerdings in der Geschichte als ein glänzendes Schicksal, der Erzieher eines Alexander gewesen zu sein; Aristoteles genoß an diesem Hofe die Gunst und Achtung des Philipp und der Olympias im höchsten Grade. Was aus seinem Zögling geworden ist, ist bekannt; und von welchem Erfolge seine Erziehung gewesen ist, ist die Größe von Alexanders Geist und Taten sowie dessen fortdauernde Freundschaft das höchste Zeugnis für Aristoteles, wenn er eines solchen Zeugnisses bedürfte,
- sie geben ein Zeugnis für den Geist der Erziehung. Aristoteles hatte auch an Alexander einen anderen, würdigeren Zögling, als Platon in dem Dionysios gefunden hatte. Platon war es um seine Republik, um ein Ideal eines Staates zu tun, das Individuum war nur Mittel; er läßt sich mit einem solchen Subjekte ein, durch das es ausgeführt werden sollte, das Individuum ist gleichgültig.
Bei Aristoteles dagegen fiel diese Absicht weg; er hatte rein nur das Individuum vor, die Individualität als solche großzuziehen, auszubilden. Aristoteles ist als tiefer, gründlicher, abstrakter Metaphysiker bekannt; daß er es ernstlich mit Alexander gemeint, zeigt sich. Die Bildung Alexanders schlägt das Geschwätz von der praktischen Unbrauchbarkeit der spekulativen Philosophie nieder.
Daß Aristoteles mit Alexander nicht nach der modernen Manier der gewöhnlichen oberflächlichen Prinzenerziehung verfuhr, ist teils schon von dem Ernste des Aristoteles, der wohl wußte, was das Wahre und das Wahre in der Bildung ist, an und für sich zu erwarten; teils erhellt es aus dem äußeren Umstande, daß Alexander, wie er mitten unter seinen Eroberungen tief in Asien hörte, daß Aristoteles von dem Akroamatischen seiner Philosophie in (metaphysischen, spekulativen) Schriften bekanntgemacht habe, ihm einen verweisenden Brief schrieb, worin er sagte, daß er das, was sie beide zusammen getrieben, nicht dem gemeinen Volke hätte bekanntmachen sollen. Aristoteles antwortete Alexander,
daß es ebensowohl bekanntgemacht als nach wie vor nicht bekanntgemacht sei. 6)

Es ist hier nicht der Ort, Alexander als historische Person zu würdigen.
Was in der Bildung Alexanders Aristoteles' philosophischem Unterricht zugeschrieben werden kann,
ist, daß das Naturell, die eigentümliche Größe der Anlagen seines Geistes auch innerlich befreit, zur vollkommenen, selbstbewußten Selbständigkeit erhoben worden, die wir in seinen Zwecken und Taten sehen.
Er erlangte diese vollkommene Gewißheit seiner selbst, die nur die unendliche Kühnheit des Gedankens gibt, und die Unabhängigkeit von besonderen, beschränkten Plänen und ihre Erhebung zu einem ganz allgemeinen Zweck, die Welt einzurichten zu einem gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Leben,
Verkehr, Stiftung von Staaten, der zufälligen Individualität entnommen. Alexander führte den Plan aus,
den sein Vater schon gefaßt hatte, an der Spitze der Griechen Europa an Asien zu rächen und Asien Griechenland zu unterwerfen, wie zum Trojanischen Krieg allein vereinigt
- am Anfang und Beschluß der eigentümlichen griechischen Welt.
Er rächte so zugleich die Treulosigkeit und Grausamkeit, die die Perser an Aristoteles' Freunde Hermias begangen hatten. Alexander breitete die griechische Kultur über Asien aus, um dies wilde, nur zerstörende,
in sich zerfallende Gemenge von höchster Roheit und in gänzliche Schlaffheit, Negation, Verkommenheit des Geistes versunkene Asien zu einer griechischen Weltbildung zu erheben. Und wenn gesagt wird, daß er nur ein Eroberer gewesen sei, der aber kein Reich von Bestand zu stiften verstanden habe, indem sein Reich nach seinem Tode sogleich wieder zerfallen sei,
so ist dies richtig, wenn die Sache oberflächlicherweise betrachtet wird, nämlich daß seine Familie nicht diese Herrschaft behalten hat, - aber die griechische Herrschaft ist geblieben. Alexander hat nicht ein Reich für seine Familie, sondern ein weites Reich des griechischen Volks über Asien gegründet; griechische Bildung, griechische Wissenschaft wurden dort einheimisch.
Die griechischen Reiche von Kleinasien, besonders von Ägypten, sind jahrhundertelang Sitze der Wissenschaft geworden; die Wirkungen davon mögen sich bis Indien und China erstreckt haben.
Wir wissen nicht, ob nicht die Inder das Beste von ihren Wissenschaften auf diesem Wege bekommen; es ist wahrscheinlich, daß die bestimmtere Astronomie der Inder wohl von Griechen zu ihnen gekommen ist. Und das syrische Reich, das sich tief in Asien hineinerstreckte, nach Baktrien (das griechisch-baktrische Reich), ist es, von wo aus ohne Zweifel durch die griechischen Kolonien, die dort angesiedelt worden sind, bis ins feste Asien, bis China die wenigen wissenschaftlichen Kenntnisse gebracht worden sind, die sich wie eine Tradition dort erhalten haben, die aber nicht in China wucherten. Die Chinesen sind so ungeschickt, nicht einen Kalender zu machen zu wissen, und für sich scheinen sie alles Begriffs unfähig zu sein;
sie zeigten alte Instrumente, die nicht in ihren Kram paßten, - die nächste Vermutung war, daß sie aus Baktrien kamen. Die Vorstellungen von den Wissenschaften der Inder und Chinesen sind falsch.

Nach [Karl] Ritter 7) soll Alexander nicht bloß zu erobern ausgezogen sein, sondern mit der Vorstellung, daß er der Herr sei. Ich bin nicht der Meinung, daß Aristoteles diesen Zweck noch mit einer anderen orientalischen Anschauung verknüpft in die Seele Alexanders gelegt
(nämlich im Orient blüht noch der Name Alexander, Ispander, auch als Dul-k-ar-nein, Mensch mit zwei Hörnern, Jupiter Ammon, älteres orientalisches Heldenbild); daß makedonische Könige Anspruch gemacht auf Herrschaft und Abstammung von Heroengeschlechtern Altindiens (Dionysos);
ob die "Kenntnis hiervon nicht die eigentliche religiöse Grundidee war,
welche sich der Seele des jungen Helden bemächtigte, als er, vor seinem Zuge nach Asien, indische Priesterstaaten, wo die Unsterblichkeit der Seele gelehrt ward, an dem unteren Ister fand, und sicher nicht ohne Aristoteles' Rat, der durch Platon und Pythagoras ein Eingeweihter indischer Weisheit war,
den Zug in den Orient begann und erst das Orakel der Ammonier (jetzt Schiwa) besuchte, dann das Perserreich zerstörte und Persepolis verbrannte, die alte Feindin indischer Götterlehre, um Rache zu nehmen für allen schon durch Darios an den Budiern und deren Glaubensgenossen verübten Frevel."
Dies ist sinnreiche Kombination aus der gründlichen Beschäftigung mit den Zusammenhängen orientalischer und indischer Ideen und dem höheren Standpunkt der Geschichte; - es ist heterogen.
α) Ich halte mich an das Geschichtliche; und
β) Alexanders Zug hat einen ganz anderen historischen, militärischen, politischen Charakter, ohnehin mit dem Indischen nicht viel zu tun gehabt, - es ist gerade offene Eroberung. Aristoteles' Metaphysik und Philosophie ist ganz entfernt von solchen Schwindeleien, Schwärmereiphantasien anzuerkennen.
α) Die Erhöhung Alexanders in orientalischen Phantasien zu einem allgemeinen Helden,
Gott, ist nicht verwundernswürdig.
Der Dalai-Lama ist es noch jetzt; Gott und Mensch sind überhaupt nicht so weit auseinander.
β) Griechenland ohnehin drängte sich zur Idee eines Gottes, der Mensch geworden,
- nicht entfernte fremde Bildsäule, sondern gegenwärtiger, in der gottlosen Welt.
Demetrios Phalereos und andere in Athen wurden bald nachher als Gott verehrt und gefeiert.
γ) Das Unendliche ist ohnehin im Selbstbewußtsein.
δ) Die Buddhisten gehen wohl den Alexander nichts an; in seinem indischen Zuge kommt nichts davon vor. Die Zerstörung von Persepolis ist genug gerechtfertigt als griechische Rache dafür, daß Xerxes die Tempel in Athen, Griechenland zerstört.

Während Alexander dieses große Werk vollbrachte, an der Spitze Griechenlands das größte Individuum, so dachte er immer an Kunst und Wissenschaft. Wie wir in neueren Zeiten wieder gesehen, daß Krieger auch an Wissenschaft und Kunst in ihren Feldzügen dachten, so ließ Alexander die Veranstaltung treffen, daß dem Aristoteles, was von neuen Tieren und Gewächsen in Asien gefunden wurde, entweder in Natur oder Zeichnungen und Beschreibungen davon zugeschickt wurde.
Diese Achtung des Alexander verschaffte dem Aristoteles die schönste Gelegenheit, zu seiner Erkenntnis der Natur Schätze sich zu sammeln. Plinius erzählt8) , daß Alexander etliche tausend Menschen, welche von Jagd, Fisch- und Vogelfang lebten, die Aufseher der Tiergärten, Vogelhäuser, Teiche des persischen Reichs, an Aristoteles gewiesen, ihm von allen Orten alles zu liefern, was merkwürdig war. Solchergestalt haben Alexanders Feldzüge in Asien die nähere Wirkung für Aristoteles gehabt,
daß er instand gesetzt wurde, der Vater der Naturgeschichte zu werden und in 50 Teilen, nach Plinius, eine Naturgeschichte zu verfassen.

Nachdem Alexander seinen Zug nach Asien angetreten, kehrte Aristoteles nach Athen zurück als öffentlicher Lehrer und lehrte dort auf einem öffentlichen Platze, Lyzeum, einer Anlage, die Perikles zum Exerzieren der Rekruten hatte machen lassen; sie bestand in einem Tempel, dem Apollo Δύϰεeιος geweiht, - Spaziergänge (πpεeϱίπpαaτtοι), mit Bäumen und Quellen und Säulenhallen belebt.
Von diesen Spaziergängen vielmehr erhielt seine Schule den Namen der peripatetischen, nicht vom Herumlaufen des Aristoteles - weil, wie man sagt, er besonders im Gehen seine Vorträge soll gehalten haben.
Er lebte so lehrend 13 Jahre in Athen.
Aber nach dem Tode Alexanders brach ein schon lang aus Furcht vor Alexander, wie es scheint, zurückgehaltenes Ungewitter los.
Er wurde der Impietät angeklagt. Das Nähere wird verschiedentlich angegeben: unter anderem auch,
daß ihm seine Hymne auf Hermias und die Inschrift auf der diesem geweihten Bildsäule zur Last gelegt worden sei.
Als er diesen Sturm herannahen sah, entfloh er nach Chalkis in Euböa,
dem jetzigen Negropont, um den Athenern, wie er selbst sagte, nicht eine Gelegenheit zu geben,
sich noch einmal an der Philosophie zu versündigen.
Dort starb er das Jahr darauf, im 63. Jahre seines Alters (Ol. 114, 3; 322 v. Chr.).

Die Quelle seiner Philosophie sind seine Schriften; allein wenn wir deren äußeres Schicksal und Beschaffenheit betrachten, so scheint es uns die Kenntnis seiner Philosophie aus ihnen sehr zu erschweren. Auf seine Schriften kann ich mich nicht näher einlassen. Diogenes Laertios (V, § 21-27) führt deren eine sehr große Anzahl an, unter deren Titel wir aber nicht immer genau wissen, welches die noch vorhandenen sind, die darunter verstanden sind; die Titel sind anders.
Er gibt als Reihenzahl derselben 44 Myriaden (440 000) 5270 versus an; ungefähr eine Myriade Zeilen auf ein Alphabet gerechnet, gibt 44 Alphabete; - was wir davon haben, möchte sich etwa auf 10 Alphabete belaufen, also ungefähr nur den vierten Teil.
Das Schicksal der Aristotelischen Handschriften wird so angegeben,
daß es scheinen sollte,
daß es eigentlich unmöglich ist (man muß wenig Hoffnung haben), daß wir eine seiner Schriften echt und unverdorben haben; es müssen Zweifel über ihre Echtheit entstehen, und wir müssen uns verwundern, sie noch in diesem Zustand auf uns gekommen zu sehen. Aristoteles machte nämlich, wie erzählt wird, bei seinen Lebzeiten wenige bekannt und hinterließ sie dem Theophrast, seinem Nachfolger, mit seiner übrigen sehr zahlreichen Bibliothek.
Dies ist wohl die erste beträchtliche Bibliothek, durch eigenen Reichtum und Alexanders Unterstützung entstanden; daher die Gelehrsamkeit des Aristoteles.
Später kam sie (ein Teil oder Abschriften) nach Alexandrien und machte den Grund zur Ptolemäischen Bibliothek aus, die bei der Einnahme Alexandriens durch Julius Cäsar eine Beute der Flammen wurde. Von den Manuskripten des Aristoteles selbst aber wird erzählt, daß Theophrast sie einem Neleus im Testamente vermacht habe, von dem sie in die Hände von Unwissenden kamen,
die sie entweder ohne alle Sorgfalt und Wertschätzung verwahrten,
oder es sollen (nach anderen) die Erben des Neleus, um sie vor den Königen von Pergamos, die sehr eifrig eine Bibliothek sammelten,
zu retten, sie in einem Keller vergraben haben, wo sie vergessen und 130 Jahre gelegen und also schlecht zugerichtet worden sind.
Nach diesem Zeitraum haben nämlich Nachkommen von Theophrast nach vielen Forschungen sie wieder aufgefunden und an einen Apellikon aus Tejos verkauft, der, was Würmer und Fäulnis verdorben, wieder hergestellt, aber dazu eigentlich nicht die Gelehrsamkeit und das Geschick besessen habe.
Deswegen noch andere darüber gekommen und die Lücken nach ihrem Gutdünken ausgefüllt und das Verdorbene hergestellt haben, so daß sie dadurch schon hinlänglich verändert worden. Aber noch nicht genug.
Gleich nach Apellikons Tod eroberte der Römer Sulla Athen, und unter der Beute, die er nach Rom schleppte, waren auch die Schriften des Aristoteles. Die Römer, die mit griechischer Wissenschaft und Kunst eben angefangen hatten bekannt zu werden und griechische Philosophie eben noch nicht schätzten, wußten aus dieser Beute keinen Gewinn zu ziehen.
Ein Grieche Tyrannio erhielt dann später in Rom die Erlaubnis, des Aristoteles Manuskripte zu gebrauchen und bekanntzumachen, und veranstaltete eine Ausgabe von ihnen, die jedoch auch der Vorwurf der Ungenauigkeit trifft; hier hatten sie noch das Schicksal, von den Buchhändlern in die Hände unwissender Abschreiber gegeben zu werden, die noch eine Menge Korruptionen hineinbrachten.9)

So soll nun die Quelle der Aristotelischen Philosophie beschaffen sein.
Aristoteles hat zu seinen Lebzeiten vieles bekanntgemacht - die Handschriften in der alexandrinischen Bibliothek -, sehr verbreitet scheinen sie nicht gewesen zu sein.
In der Tat sind mehrere Werke des Aristoteles höchst korrupt, lückenhaft und unvollständig.
Mehrere, z. B. die metaphysischen, scheinen zum Teil aus mehreren Schriften zusammengeflickt zu sein,
so daß die höhere Kritik hier ihrem ganzen Scharfsinn den Lauf lassen kann und nach diesem mit vieler Wahrscheinlichkeit sich die Sache auf eine Weise erklären kann,
- eine Weise, der dann ein anderer Scharfsinn wieder eine andere entgegenstellen kann.
Soviel bleibt, daß sie verdorben, oft im einzelnen (Poetik) und im größeren nicht zusammenhängend;
öfters kommen fast wörtliche Wiederholungen ganzer Absätze vor.
Da das Übel so alt ist, so ist freilich keine gründliche Kur zu erwarten.
Inzwischen ist die Sache nicht ganz so arg, als sie nach solchen Beschreibungen aussieht.
Es sind viele und Hauptwerke, die als ganz und unverletzt gelten können; andere,
wenn sie auch hier und da verdorben, nicht gut geordnet sind,
so tut dies für den Körper der Sache keinen so großen Eintrag, als es scheinen könnte.
Was wir haben, setzt uns darum doch hinreichend in den Stand, uns von der Aristotelischen Philosophie sowohl in ihrem großen Umfange als auch sogar in vielem Detail eine bestimmte Vorstellung zu machen.

Noch aber ist ein historischer Unterschied zu bemerken.
Es ist nämlich eine alte Tradition, daß Aristoteles zweierlei Lehrvortrag gehalten und zweierlei Schriften geschrieben, esoterische oder akroamatische, und exoterische, - ein Unterschied, der auch bei den Pythagoreern vorgekommen.
Den esoterischen Vortrag habe er des Morgens im Lyzeum gehalten; der exoterische habe sich auf die Übung in der Redekunst, im Disputieren, und die Kenntnis der bürgerlichen Geschäfte bezogen,
der andere aber auf die innere tiefere Philosophie, die Betrachtung der Natur und die eigentliche Dialektik.10)
Dieser Umstand ist von keiner Wichtigkeit.
Man sieht gleich selbst, welche Werke eigentlich spekulativ und philosophisch und welche mehr nur empirischer Natur sind; es ist nicht als etwas dem Inhalte nach Entgegengesetztes anzusehen, als ob einige fürs Volk, andere für sich.

a) Zunächst ist zu bemerken, daß der Name aristotelische Philosophie sehr vieldeutig ist,
- daß das, was man aristotelische Philosophie nennt, verschiedene Gestaltungen gehabt hat, sehr verschieden in verschiedenen Zeiten.
Er bezeichnet zuerst die eigentlich Aristotelische Philosophie.
Was nun die anderen Gestalten der aristotelischen Philosophie anbetrifft,
so hatte sie
α) zur Zeit Ciceros mehr die Form einer populären Philosophie, die sich besonders auf das Naturgeschichtliche, Moralische legte;
sie scheint nicht das Interesse gehabt zu haben an der eigentlich spekulativen Philosophie des Aristoteles, bei Cicero findet sich kein Begriff von der spekulativen Seite der aristotelischen Philosophie.
β) Eine weitere Form derselben ist die höchst spekulative der alexandrinischen Philosophie - dasselbe,
was die neupythagoreische,
auch die neuplatonische genannt, die aber ebensogut neuaristotelische zu nennen ist -, die Form,
wie sie von den Alexandrinern als identisch mit der platonischen angesehen und bearbeitet ist.
γ) Eine Hauptbedeutung ist ferner diejenige, welche der Ausdruck im Mittelalter gehabt hat, wo man bei der ungenauen Kenntnis die scholastische Philosophie als aristotelische bezeichnete.
Die Scholastiker haben sich viel mit ihr beschäftigt; aber die Gestalt, die die Philosophie des Aristoteles bei ihnen angenommen hat, können wir nicht für die echte Gestalt derselben halten.
Alle diese Ausführungen und der ganze Umfang von Verstandesmetaphysik und formeller Logik,
den wir da finden, gehört nicht dem Aristoteles an. Die scholastische Philosophie ist nur hervorgegangen aus Traditionen der Aristotelischen  Lehren.
δ) Und erst als die Schriften des Aristoteles im Abendland bekannt geworden sind, hat sich eine aristotelische Philosophie gebildet, die sich der scholastischen zum Teil entgegengesetzt hat,
- zu Ausgang der scholastischen Zeit, Wiederherstellung der Wissenschaften.
Erst nach der Reformation ging man zu den Quellen des Aristoteles selber zurück.
 ε) Neuste schiefe Vorstellungen und Auffassungen derselben.
Der große Tennemann ist mit zu wenig philosophischem Sinn begabt, um die aristotelische Philosophie auffassen zu können; in seinen Übersetzungen ist der Sinn des Textes oft verkehrt bis zum Gegenteil.

Die allgemeine Vorstellung, die man von der aristotelischen Philosophie hat, ist die, daß sie auf der Empirie beruhe und daß Aristoteles das, was man Erfahrung nennt, zum Prinzip des Wissens, des Erkennens gemacht hat. So falsch diese Ansicht auch einerseits ist, so ist doch die Veranlassung dazu in der Manier des aristotelischen Philosophierens zu suchen. Einige besondere Stellen, die in dieser Rücksicht herausgehoben werden und die man beinahe allein verstanden hat, werden gebraucht, um diese Vorstellung zu beweisen.

Der allgemeine Charakter des aristotelischen Philosophierens ist schon angegeben.
Ein System der Philosophie haben wir nicht im Aristoteles zu suchen. Aber über den ganzen Umkreis der menschlichen Vorstellungen verbreitet sich Aristoteles, er hat sie seinen Gedanken unterworfen, seine Philosophie ist so umfassend. In den besonderen Teilen des Ganzen schreitet Aristoteles ebensowenig deduzierend, ableitend fort; sondern er scheint empirischen Anfang zu nehmen, er räsoniert auch, spricht von Erfahrungen. Seine Manier ist oft die des gewöhnlichen Räsonnements, dabei ist dieses Eigentümliche, daß er bei diesem Verfahren doch auch durchaus aufs Tiefste spekulativ ist.

b) Von dem Charakter der Aristotelischen Manier ist nun zuerst zu sprechen.
Diese Manier besteht nun darin: Es ist ihm wesentlich um den bestimmten Begriff allenthalben zu tun, das Wesen der einzelnen Seiten des Geistes und der Natur auf eine einfache Weise, d. h. in Begriffsform aufzufassen; daher ein Reichtum und eine Vollständigkeit der Seiten, die zeigt, daß sie die ganze Anschauung vor sich hat und nichts, es sehe noch so gemein aus, auf der Seite liegen läßt.
Alle Seiten des Wissens sind in seinen Geist eingetreten, alle haben ihn interessiert, und alle hat er gründlich und ausführlich behandelt.
Die Abstraktion kann leicht in Verlegenheit durch den empirischen Umfang einer Erscheinung gesetzt werden, sich an diesem geltend zu machen, und für sich einseitig fortgehend sie nicht erschöpfen. Aristoteles faßt die Erscheinung meist auf; allerdings scheint er sich nur als ein denkender Beobachter zu zeigen, der alle Seiten des Universums beachtet.
Aber er nimmt alles jenes Einzelne mehr als spekulativer Philosoph auf und verarbeitet es so,
daß der tiefste spekulative Begriff daraus hervorgeht.
Wir sahen ohnedies den Gedanken erst aus dem Sinnlichen herkommen
und in der Sophistik überhaupt an der Erscheinung noch unmittelbar sich bemühen. In der Wahrnehmung, im Vorstellen kommen die Kategorien vor; das absolute Wesen, die spekulative Ansicht dieser Momente ist immer ausgesprochen im Aussprechen der Wahrnehmung.
Dies reine Wesen der Wahrnehmung nimmt Aristoteles auf. Wenn umgekehrt Aristoteles von dem Allgemeinen, dem Einfachen anfängt und zu seiner Bestimmung übergeht, so hat dies ebenso das Ansehen, daß er die Menge der Bedeutungen aufzählt, in welchen es vorkomme; und in dieser Menge geht er wieder alle Weisen, auch die ganz gemeinen und sinnlichen, durch. Aristoteles nimmt nun den Gegenstand, den er behandelt, auf und betrachtet ihn, was für einzelne Bestimmungen daran vorkommen.
Er betrachtet z. B. das Wesen, ἀϱχή, αaἰτtίαa, das Zugleich (ὁμου) usf.; er sagt:
Das Wesen wird gesagt so, und auch so, in diesem Sinne, in vielen Bedeutungen, diese Bestimmungen finden sich daran vor. Er nimmt jede Vorstellung vor: Denken; so in der Physik: Bewegung, Zeit, Ort, Wärme, Kälte. Diese Gegenstände werden empirisch aufgeführt; er nimmt auch die verschiedenen Gedanken vor, welche die Philosophen gehabt haben, widerlegt sie, oft empirisch, berichtigt sie, auf mannigfache Weise räsonierend, und kommt dann zur wahrhaften spekulativen Bestimmung.
Es ist oft (zum Teil) ermüdend, ihm in dieser bloßen Aufzählung zu folgen, die ohne Notwendigkeit fortgeht und wo die Reihe der Bedeutungen nur ihrem Wesen nach, das als ein gemeinschaftliches erscheint, nicht den Bestimmtheiten nach, nur äußerlich aufgefaßt sich zeigt.
Aber diese Weise bietet einesteils eine Vollständigkeit der Momente, andernteils reizt sie zum eigenen Suchen und Finden der Notwendigkeit.
Von dieser Reihe geht er dazu über, sie denkend zu betrachten; und dies Bestimmen des Gegenstandes nach den verschiedenen Seiten, so daß der Begriff daraus hervorgeht, der spekulative Begriff, die einfache Bestimmung, - dies ist es, wo Aristoteles eigentlich philosophisch wird und zugleich darin höchst spekulativ.

Es ist dem Aristoteles gar nicht darum zu tun, alles auf eine Einheit oder die Bestimmungen auf eine Einheit des Gegensatzes zurückzuführen, sondern im Gegenteil jedes in seiner Bestimmtheit festzuhalten und so es zu verfolgen.
α) Jenes kann einesteils oberflächlich sein, z. B. Irritabilität und Sensibilität, Sthenisch und Asthenisch ist leere Bestimmtheit; aber
β) ist es auch notwendig, die Realität in der einfachen Bestimmtheit aufzufassen,
- ihren Ausgangspunkt freilich nicht auf jene Weise.
Aristoteles verläßt die Bestimmung in einer anderen Sphäre, wo sie nicht mehr diese Gestalt hat,
aber zeigt, wie sie hier ist oder welche Bewegung, Veränderung mit ihr vorgegangen. In seiner eigentlichen Spekulation ist Aristoteles so tief als Platon und zugleich entwickelter und bewußter,
und die Gegensätze erhalten eine höhere Bestimmtheit.
Es fehlt bei Aristoteles freilich die schöne Form Platons, diese Süßigkeit der Sprache (des Schwatzens), dieser Unterredungston, der ebenso lebendig als gebildet und human ist.
Allein wo wir Platon - in seinem Timaios - seine Idee spekulativ aussprechen (thetisch) sehen,
sahen wir das Mangelhafte und Unreine sowohl daran, und das Reine entgeht ihr, da Aristoteles jenes rein und dies begriffen ausspricht.
Wir lernen den Gegenstand in seiner Bestimmung und den bestimmten Begriff desselben kennen.
Er sucht jeden Gegenstand zu bestimmen (ὁίζεeν, ὁϱς angeben); weiter dringt er aber spekulativ in die Natur des Gegenstandes ein.
Dieser Gegenstand bleibt aber in seiner konkreteren Bestimmung; er führt ihn selten auf abstrakte Gedankenbestimmungen zurück. Das Studium des Aristoteles ist so unerschöpflich.
Die Darstellung ist schwer, weil er nicht auf allgemeinere Prinzipien zurückführt.
Um aristotelische Philosophie anzugeben, müßte man den besonderen Inhalt jedes Dings aufführen.
Würde es Ernst mit der Philosophie, so wäre nichts würdiger, als über Aristoteles Vorlesungen zu halten.

In diesem Zusammenbringen der Bestimmungen zu einem Begriff ist Aristoteles groß und meisterhaft,
sowie in der Einfachheit des Fortgangs, in dem Urteil in wenig Worten.
Es ist dies eine Methode des Philosophierens, die eine sehr große Wirksamkeit hat und die ebenso in unserer Zeit angewendet worden ist, z. B. bei den Franzosen.
Sie verdient in weitere Anwendung zu kommen; denn es ist gut, die Bestimmungen der gewöhnlichen Vorstellung von einem Gegenstande zum Gedanken zu führen und sie dann in der Einheit, in dem Begriff zu vereinigen. Aber allerdings erscheint diese Methode nach einer Seite empirisch, und zwar nach der des Aufnehmens der Gegenstände, wie sie in der Vorstellung sind; es ist da keine Notwendigkeit.

Auf dieselbe Weise, wie nun Aristoteles im einzelnen verfährt, so verfährt er auch im ganzen.
Das Ganze des Universums, der geistigen und sinnlichen Welt, behandelt er so; aber diese Menge ist nur aufgeführt als eine Reihe von Gegenständen.
Es ist dies nun nicht Definition, Konstruktion usf.; die Notwendigkeit aufzuzeigen, kann man von dem Begriff der Philosophie damaliger Zeit nicht verlangen.
Es ist eine empirische Seite des Nacheinander-Betrachtens  der Gegenstände, aber es gehört mehr zur äußeren Manier; das Weitere ist auf das Tiefste spekulativ. Aristoteles verfährt nicht systematisch,
daß er aus dem Begriff selbst entwickelte; sondern sein Fortgang gründet sich auf die angegebene Weise, eben so äußerlich anzufangen. Und so kommt es, daß er oft eine Bestimmung nach der anderen abhandelt, ohne ihren Zusammenhang aufzuzeigen.

c) Das zweite ist die Bestimmung seiner Idee.
Die allgemeine Idee ist zunächst anzugeben mit den besonderen Hauptmomenten.
Ganz im allgemeinen ist zu sagen, daß Aristoteles mit der Philosophie überhaupt anfängt und zuerst über die Würde der Philosophie sagt im zweiten Kapitel des ersten Buchs der Metaphysik:
Der Gegenstand der Philosophie sei das am meisten Wißbare (τὰ` μάλιστtα ἐπpιστητά), nämlich
"das Erste und die Ursachen (ταa` πϱωτα ϰαὶ` τὰ` aἴτια);
denn durch diese und aus diesen wird alles andere erkannt", das ist das Vernünftige;
"die Prinzipien werden nicht erkannt durch die Substrate (Subjekte, ὑποϰείμενα)",
darin liegt schon das Entgegengesetzte der gewöhnlichen Ansicht.
Aristoteles hat erklärt für "die Hauptuntersuchung das wesentlichste Wissen (ἀϱχιϰωtάτη),
die Erkenntnis des Zwecks; dieser aber ist das Gute eines jeden Dinges, überhaupt aber das Beste in der ganzen Natur". Dies ist wie Platon und Sokrates; der Zweck ist aber das Wahrhafte, Konkrete gegen die abstrakte Platonische Idee.
Er sagt dann über den Wert der Philosophie: "Da man, um die Unwissenheit zu fliehen, zu philosophieren angefangen, so erhellt, daß man um des Erkennens willen das Wissen verfolgt hat und nicht um eines Nutzens oder Gebrauchs (χϱήσsεeως) willen.
Dies zeigt sich auch nach dem ganz äußerlichen Gange (ϰαaτtαà` τὸ` συμβεβηϰός).
Denn erst, wenn man mit allen Notwendigkeiten (den Bedürfnissen) und was zur Bequemlichkeit, fertig ist, hat man angefangen, eine solche (philosophische) Erkenntnis zu suchen.
Wir suchen sie daher nicht um eines anderen Gebrauchs willen.
Und so wie wir sagen, daß ein freier Mensch der ist, der um seiner selbst willen ist, nicht um eines anderen willen, so ist auch die Philosophie allein die freie unter den Wissenschaften; weil sie allein um ihrer selbst willen" (das Erkennen des Erkennens wegen) "ist.
Darum wird man sie mit Recht auch nicht für einen menschlichen Besitz halten"; sie ist nicht im Besitz eines Menschen.
"Denn vielfach ist die Natur der Menschen abhängig (δdούλη)"; die Philosophie ist aber frei.
"So daß, nach Simonides, Gott allein diesen Preis (γέϱαaς) besitzt; unwürdig ist es aber des Menschen, die Wissenschaft, die ihm gemäß (gegeben, τtη`ν ϰαaϑʼ' αaὑτtὸ`ν εe̓πpισsτtήμην), nicht zu suchen. Wenn aber die Dichter etwas sagen (λέγουσsί τtι) und der Neid (τὸ` ϕϑονειν) die Natur des Göttlichen ist, so müßten alle, die höher hinauswollen, unglücklich sein (ἰϰο`ς δdυστυχeις eἰναι πpάντας τὸ`ς πpεϱιττούς)"; die Nemesis bestraft eben, was sich über das Gewöhnliche erhebt, und macht alles wieder gleich.
"Aber das Göttliche kann nicht neidisch sein", d. h. das, was es ist, nicht mitteilen, nicht gemeinschaftlich haben wollen (wie Licht durch Anzünden, opfert es sich nicht auf), so daß den Menschen diese Wissenschaft nicht zukomme; "und nach dem Sprichwort lügen die Poeten viel, und es ist nicht dafür zu halten, daß irgendeine geehrter (höher zu achten, τtιμιωτtέϱαaν) sei.
Denn die die göttlichste ist, ist die geehrteste"; was das Vortrefflichste hat und mitteilt, ist geehrt,
- die Götter sind also zu ehren, darum weil sie diese Wissenschaft haben. "Gott ist gehalten (δοϰει) für die Ursache und das Prinzip von allem;
und darum hat Gott sie auch allein oder am meisten."
Aber eben deshalb ist es nicht des Menschen unwürdig, dieses höchste Gut, was seiner gemäß - diese Gott gehörende Wissenschaft -, suchen zu wollen. Notwendiger sind auch wohl alle anderen Wissenschaften als die Philosophie; keine aber ist vortrefflicher."

Das Nähere der Aristotelischen Philosophie anzugeben, ist schwierig; er ist viel schwerer als Platon zu verstehen. Dieser hat Mythen; über das Dialektische kann man weggehen und doch sagen, man habe den Platon gelesen.
Bei Aristoteles geht es aber gleich ins Spekulative. Aristoteles scheint immer nur über Einzelnes, Besonderes philosophiert zu haben und nicht zu sagen, was das Absolute, Allgemeine, was Gott ist; er geht immer von Einzelnem zu Einzelnem fort.
Er nimmt die ganze Masse der Vorstellungswelt vor und geht sie durch:
Seele, Bewegung, Empfindung, Erinnerung, Denken, sein Tagewerk,
was ist - wie ein Professor seine Arbeit im halbjährigen Kursus -,
und scheint nur das Wahrhafte im Besonderen, nur Besonderes erkannt zu haben, eine Reihe von besonderen Wahrheiten; das Allgemeine hebt er nicht heraus.
Dies hat nichts Glänzendes; er scheint nicht zur Idee, dem Allgemeinen sich erhoben zu haben wie Platon von den Ideen, ihrer Herrlichkeit spricht -,
führt das Einzelne nicht darauf zurück.
α) Die allgemeine Idee hat er nicht logisch herausgehoben - seine sogenannte Logik ist etwas anderes -,
so wäre sie für die Methode als der eine Begriff in allem zu erkennen;
β) nichts als das eine Absolute, - sondern es (die Idee Gottes) erscheint so auch als ein Besonderes an seiner Stelle neben den anderen, aber ist alle Wahrheit:
"Es gibt Pflanzen, Tiere, Menschen, dann auch Gott, das Vortrefflichste."
Wie schon bemerkt, geht Aristoteles ganze Reihen von Begriffen durch, aus denen wir aber nur von einzelnen, vom Besonderen Proben, nähere Vorstellungen geben wollen.

Ich will zuerst von seiner Metaphysik, von ihren Bestimmungen sprechen; dann den Grundbegriff der Natur angeben, wie er sich bei Aristoteles macht; drittens will ich vom Geist, von der Seele einiges erwähnen und zuletzt noch von seinem logischen Begriff besonders sprechen.

 

 

1) Aristoteles, De arte poetica, c. 8

2) Aristoteles, De arte poetica, c. 5

3) Diogenes Laertios V, § 1, 9

4) Diogenes Laertios V, § 3-4, 7-8

5) Aristotelis Opera (ed. Pac., Acrel. Alobrog. 1607) I, in fine: Aristotelis Fragmenta
(vgl. Stahr, Aristotelia I, S. 85-91)

6) Aulus Gellius, Noctes Atticae XX, 5

7) Erdkunde, Bd. II, S. 839 (Berlin 1817/18)

8) Historia naturalis VIII, 17

9) Strabon XIII, 1, 54; Plutarch, Sulla, 26; Brucker I, 798-800

10) Gellius, Noctes Atticae XX, 5

 

 

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