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Manfred Herok  2014

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                                                                                                    Spinoza Ethik Definitionen

1. Spinoza fängt mit Definitionen an; es ist daraus folgendes zu nehmen.

a) Die erste Definition Spinozas ist die Ursache seiner selbst.
Er sagt: "Unter Ursache seiner selbst (causam sui) verstehe ich das, dessen Wesen" (oder Begriff) "die Existenz in sich schließt oder was nicht anders gedacht werden kann denn als existierend."
Die Einheit des Gedankens und der Existenz ist sogleich von vornherein aufgestellt (das Wesen ist das Allgemeine, der Gedanke); um diese Einheit wird es sich ewig handeln. Causa sui ist ein wichtiger Ausdruck. Wirkung wird der Ursache entgegengesetzt.
Die Ursache seiner selbst ist die Ursache, die wirkt, ein Anderes separiert; was sie aber hervorbringt, ist sie selbst. Im Hervorbringen hebt sie den Unterschied zugleich auf; das Setzen ihrer als eines Anderen ist der Abfall und zugleich die Negation dieses Verlustes. Es ist dies ein ganz spekulativer Begriff. Wir stellen uns vor, die Ursache bewirkt etwas, und die Wirkung ist etwas anderes als die Ursache.
Hier hingegen ist das Herausgehen der Ursache unmittelbar aufgehoben, die Ursache seiner selbst produziert nur sich selbst; es ist dies ein Grundbegriff in allem Spekulativen.
Das ist die unendliche Ursache, in der die Ursache mit der Wirkung identisch ist.
Hätte Spinoza näher entwickelt, was in der causa sui liegt, so wäre seine Substanz nicht das Starre.

b) Die zweite Definition ist die des Endlichen. "Endlich ist dasjenige, was durch ein Anderes seiner Art begrenzt wird." Denn es hat daran ein Ende, ist da nicht; was da ist, ist ein Anderes. Dies Andere muß aber gleicher Art sein. Denn die, welche sich begrenzen wollen, um sich begrenzen zu können, müssen eine Grenze, mithin Berührung, Beziehung aufeinander haben,
d. h. von einer Art sein, auf gleichem Boden stehen, eine gemeinschaftliche Sphäre haben.
Das ist die affirmative Seite der Grenze.
"Der Gedanke wird somit nur durch einen anderen Gedanken, der Körper durch einen anderen Körper begrenzt, aber der Gedanke nicht durch den Körper, noch der Körper durch den Gedanken." Das sahen wir bei Cartesius: der Gedanke ist für sich Totalität und ebenso die Ausdehnung, sie haben nichts miteinander zu tun; sie begrenzen einander nicht, jedes ist das in sich Beschlossene. Beziehung auf Anderes ist Grenze.

c) Die dritte Definition ist die der Substanz. "Substanz heißt, was in sich ist und durch sich begriffen wird oder dessen Begriff nicht des Begriffs eines anderen Dinges bedarf, von dem es gefaßt wird (a quo formari debeat)", - nicht ein Anderes nötig hat; sonst wäre es endlich, akzidentell. Was eines Anderen bedarf, um begriffen zu werden, ist nicht selbständig, sondern von diesem Anderen abhängig.

d) Vierte Definition. Das zweite der Substanz sind die Attribute; diese gehören dazu.
"Unter Attribut verstehe ich das, was der Verstand von der Substanz erfaßt als ihr Wesen ausmachend"; und nur dies ist wahr bei Spinoza.
Das ist große Bestimmung; das Attribut ist zwar Bestimmtheit, aber Totalität.
Er hat nur zwei, Denken und Ausdehnung. Der Verstand faßt sie als das Wesen der Substanz; das Wesen ist nicht höher als die Substanz, sondern sie ist nur Wesen in der Betrachtung des Verstandes.
Diese Betrachtung ist außerhalb der Substanz; sie kann in zwei Weisen betrachtet werden,
als Ausdehnung und Denken. Jedes ist Totalität, der ganze Inhalt der Substanz, aber nur in einer Form; eben darum sind beide Seiten an sich identisch, unendlich.
Dies ist die wahrhafte Vollendung. Im Attribute faßt der Verstand die ganze Substanz.
Aber wo die Substanz zum Attribut übergeht, ist nicht gesagt.

e) Fünfte Definition. Das dritte ist der Modus. "Unter Modus verstehe ich die Affektionen der Substanz oder dasjenige, was in einem Anderen ist, durch das es auch begriffen wird."
- Also Substanz ist durch sich begriffen; Attribut ist nicht das durch sich selbst Formierte, sondern hat eine Beziehung auf den begreifenden Verstand, aber insofern er das Wesen begreift; Modus endlich, was nicht als das Wesen begriffen wird, sondern durch und in etwas Anderes. - Diese drei Momente hätte Spinoza nicht nur so als Begriffe hinstellen, sondern sie deduzieren müssen.
- Die drei letzten Bestimmungen sind vorzüglich wichtig; sie entsprechen dem, was wir bestimmter als Allgemeines, Besonderes und Einzelnes unterscheiden. Aber man muß sie nicht als formell nehmen, sondern in ihrem konkreten wahrhaften Sinne.
Das konkrete Allgemeine ist die Substanz; das konkrete Besondere ist die konkrete Gattung. Vater und Sohn sind so Besondere, deren jedes aber die ganze Natur Gottes (nur unter einer besonderen Form) enthält. Der Modus ist das Einzelne, das Endliche als solches, welches in den äußerlichen Zusammenhang mit Anderem tritt. Spinoza hat so ein Herabsteigen;
der Modus ist das Verkümmerte.
Der Mangel des Spinoza ist, daß er das Dritte nur als Modus faßt, als schlechte Einzelheit.
Die wahrhafte Einzelheit, Individualität, wahrhafte Subjektivität ist nicht nur Entfernung vom Allgemeinen, das schlechthin Bestimmte; sondern es ist, als schlechthin bestimmt, das Fürsichseiende, nur sich selbst Bestimmende.
Das Subjektive ist so ebenso die Rückkehr zum Allgemeinen; das Einzelne ist das bei sich selbst Seiende und so das Allgemeine. Die Rückkehr besteht darin, daß es an ihm selbst das Allgemeine ist, zu dieser Rückkehr ist Spinoza nicht fortgegangen.
Die starre Substantialität ist das Letzte bei Spinoza, nicht die unendliche Form; diese kannte er nicht.
Es ist immer dieses Denken, dem die Bestimmtheit verschwindet.

f) Sechstens, die Definition des Unendlichen ist auch noch wichtig. Das Unendliche hat die Zweideutigkeit, ob es als unendlich viele oder als an und für sich Unendliches genommen wird. "Von dem in seiner Art Unendlichen (in suo genere infinitum) können unendliche Attribute negiert werden. Das absolut Unendliche ist, zu dessen Essenz alles gehört, was eine Essenz ausdrückt und keine Negation enthält."
Gott ist das absolut unendliche Wesen; das Unendliche ist die Affirmation seiner selbst.

Ferner unterscheidet Spinoza das Unendliche der Imagination (infinitum imaginationis) von dem Unendlichen des Denkens (infinitum intellectus, infinitum actu).
Die meisten Menschen kommen nur zum ersten; dies ist das schlechte Unendliche, wenn man sagt, "und so fort ins Unendliche", z. B. die Unendlichkeit des Raums von Stern zu Stern, die Menschen wollen erhaben sein, ebenso in der Zeit.
Die unendlichen Reihen in der Mathematik, der Zahl, sind dasselbe. Ein Bruch wird als Dezimalbruch dargestellt, das ist schlecht; 1/7 ist das wahrhaft Unendliche, nicht mangelhaft. Die unendliche Reihe ist unvollkommen; der Inhalt ist zwar immer beschränkt.
Dies ist aber die Unendlichkeit, die man gewöhnlich vor sich hat, wenn von Unendlichkeit gesprochen wird; und mag man es auch als erhaben ansehen, so ist sie nichts Gegenwärtiges, geht immer hinaus ins Negative, ist nicht actu. Die philosophische Unendlichkeit, das, was actu unendlich ist, ist die Affirmation seiner selbst; das Unendliche des Intellekts nennt Spinoza die absolute Affirmation. Ganz richtig! Nur hätte es besser ausgedrückt werden können: "Es ist die Negation der Negation."
- Spinoza bringt hier auch zur Erläuterung geometrische Beispiele an für den Begriff der Unendlichkeit; in seinen operibus postumis kommt er z. B. auf eine Figur, als Bild dieser Unendlichkeit (auch vor seiner Ethik). Er hat zwei Kreise, die ineinanderliegen, aber nicht konzentrisch sind. Die Ebene zwischen beiden Kreisen kann nicht angegeben werden, ist nicht durch ein bestimmtes Verhältnis ausdrückbar, nicht kommensurabel; will ich sie determinieren, so muß ich ins Unendliche fortgehen, - eine unendliche Reihe.
Das ist das Hinaus, es ist immer mangelhaft, mit der Negation behaftet; und doch ist dieses schlechte Unendliche fertig, beschränkt, - affirmativ, in jener Ebene gegenwärtig.
Das Affirmative ist so Negation der Negation; duplex negatio affirmat, nach der bekannten grammatischen Regel. Der Raum zwischen beiden Kreisen ist ein vollendeter Raum, er ist wirklich, nicht ein einseitiger; und doch läßt sich in Zahlen die Bestimmung des Raums nicht genau angeben. Das Bestimmen erschöpft nicht den Raum selbst; und doch ist er gegenwärtig. Oder eine Linie, eine beschränkte Linie besteht aus unendlich vielen Punkten und ist doch gegenwärtig, ist bestimmt.23)
Das Unendliche soll als wirklich gegenwärtig vorgestellt werden.
Der Begriff "Ursache seiner selbst" ist so wahrhafte Unendlichkeit. Sobald die Ursache ein Anderes gegenüberhat, die Wirkung, so ist Endlichkeit vorhanden; aber hier ist dies Andere zugleich aufgehoben,
es ist wieder sie selbst.

g) Siebente Definition. "Gott ist das absolut unendliche Wesen oder die Substanz, die aus unendlichen Attributen besteht, deren jedes eine ewige und unendliche Wesenheit (essentiam) ausdrückt."
Das Unendliche ist das Unbestimmte, unendlich, unbestimmt Viele; nachher kommen bei Spinoza nur zwei Attribute vor.

Die ganze Spinozistische Philosophie ist in diesen Definitionen enthalten; dies sind aber allgemeine Bestimmungen und so im ganzen formell.
Das Mangelhafte ist, daß er so mit Definitionen anfängt. In der Mathematik läßt man es gelten, die Definitionen sind Voraussetzungen; Punkt, Linie werden vorausgesetzt.
In der Philosophie soll der Inhalt als das an und für sich Wahre erkannt werden.
Einmal kann man die Richtigkeit der Nominaldefinition zugeben, so daß das Wort "Substanz" dieser Vorstellung entspreche, welche die Definition angibt. Ein anderes ist es, ob dieser Inhalt an und für sich wahr sei. Solche Frage macht man bei geometrischen Sätzen gar nicht.
Bei philosophischer Betrachtung ist dies aber die Hauptsache. Das hat Spinoza nicht getan.
Er hat Definitionen aufgestellt, welche diese einfachen Gedanken erklären, als Konkretes darstellen.
Aber das Erforderliche wäre gewesen, zu untersuchen, ob dieser Inhalt wahrhaftig wäre. Scheinbar ist nur die Worterklärung angegeben; aber der Inhalt, der darin ist, gilt. Aller andere Inhalt wird nur darauf zurückgeführt; so ist dieser erwiesen. Aber von dem ersten Inhalt ist aller andere abhängig (εeξήτtητtαaι bei Aristoteles).
"Das Attribut ist das, was der Verstand von Gott denkt." Wo kommt der Verstand her
(außer Gott), der solche Betrachtung macht? So geht alles nur hinein, nicht heraus; die Bestimmungen sind aus der Substanz nicht entwickelt, sie entschließt sich nicht zu diesen Attributen.

2. Der weitere Fortgang, nach diesen Definitionen, sind nun Theoreme, Sätze.          >>>

 

23) Epistolae, XXIX, p. 526-532

 

 

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Spinoza

Baruch de Spinoza
 
* 24. November 1632    -Amsterdam;
† 21. Februar 1677  Den Haag;
 - Philosoph
   mit sephardischen          Vorfahren.
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Spinoza

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