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Manfred Herok  2014

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Kant   1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9

Die praktische Vernunft also, wo das Selbstbewußtsein als das Ansich sich gilt,
gegen die theoretische, worin das gegenständliche Wesen, kommt ebensowenig zu einer Einheit und Wirklichkeit an sich selbst.
Es kommt den Menschen schwer an, zu glauben, daß die Vernunft wirklich sei; es ist aber nichts wirklich als die Vernunft, sie ist die absolute Macht.
Die Eitelkeit des Menschen will vermeintliches Ideal im Kopf haben, um alles zu tadeln:
Wir sind die Gescheiten, haben es in uns, aber vorhanden ist es nicht.
Das ist der letzte Standpunkt; es ist dies hoher Standpunkt, aber es wird nicht bis zur Wahrheit fortgegangen. Das absolute Gut bleibt Sollen ohne Objektivität; und dabei soll es bleiben.

3. Kritik der Urteilskraft. Noch ist die dritte Seite in der Kantischen Philosophie übrig,
daß auch hier die Forderung des Konkreten eintritt, worin die Idee dieser Einheit nicht als ein Jenseits, sondern als ein Gegenwärtiges gesetzt ist, - die Idee der Urteilskraft. Ihre Gegenstände sind teils das Schöne, teils das organische Leben; und diese Seite ist besonders wichtig. Kant sagt, wir haben einen Verstand; er ist im Theoretischen wohl gesetzgebend, bringt Bestimmungen hervor, Kategorien. Aber diese Bestimmungen des Verstandes bleiben nur allgemeine Bestimmungen, außer denen das Besondere
(das andere Bestandstück, das zu jeder Erkenntnis gehört) liegt;
und beides ist für den Verstand voneinander verschieden.
Der Verstand ist einerseits, andererseits das Besondere; seine Unterschiede sind selbst in der Allgemeinheit bleibend.
Im Praktischen ist die Vernunft das Ansich; aber ihr freies Fürsichsein,
die gesetzgebende Freiheit (in höherer Form), steht der Natur in ihrer Freiheit und eigenen Gesetzen gegenüber:

"Verstand und Vernunft" (praktisch) "haben zwei verschiedene Gesetzgebungen"
- ('im Theoretischen kann die Vernunft nur vermittels des Verstandes aus gegebenen Gesetzen durch Schlüsse Folgerungen ziehen, die doch immer nur bei der Natur stehenbleiben;
nur im Praktischen ist sie selbst gesetzgebend') -
"auf einem und demselben Boden der Erfahrung, ohne daß eine der anderen Eintrag tun darf.
Denn sowenig der Naturbegriff auf die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff Einfluß hat, ebensowenig stört dieser die Gesetzgebung der Natur.
- Die Möglichkeit, das Zusammenbestehen beider Gesetzgebungen und der dazu gehörigen Vermögen ... bewies die Kritik der reinen Vernunft." (!?)

"Daß diese zwei verschiedenen Gebiete, die sich zwar nicht in ihrer Gesetzgebung, aber doch in ihren Wirkungen in der Sinnenwelt unaufhörlich einschränken" (d. h. wo sie zusammentreffen),
"nicht eines ausmachen, kommt daher, daß der Naturbegriff zwar seine Gegenstände in der Anschauung, aber nicht als Dinge an sich selbst, sondern als bloße Erscheinungen, der Freiheitsbegriff dagegen in seinem Objekte zwar ein Ding an sich selbst, aber nicht in der Anschauung vorstellig machen, mithin keiner von beiden ein theoretisches Erkenntnis von seinem Objekte (und selbst von dem denkenden Subjekte) als Ding an sich verschaffen kann, welches das Übersinnliche sein würde, ... ein unbegrenztes, aber auch unzugängliches Feld für unser gesamtes Erkenntnisvermögen."

"Ob nun zwar eine unübersehbare Kluft zwischen dem Gebiete des Naturbegriffs als dem Sinnlichen und dem Gebiete des Freiheitsbegriffs als dem Übersinnlichen befestigt ist,
so daß von dem ersteren zum anderen kein Übergang möglich ist, gleich als ob es soviel verschiedene Welten wären, davon die erste auf die zweite keinen Einfluß haben kann,
so soll doch diese auf jene einen Einfluß haben, nämlich der Freiheitsbegriff den durch seine Gesetze aufgegebenen Zweck in der Sinnenwelt wirklich machen; und die Natur muß folglich auch so gedacht werden können, daß die Gesetzmäßigkeit ihrer Form wenigstens zur Möglichkeit der in ihr zu bewirkenden Zwecke nach Freiheitsgesetzen zusammenstimme.
Also muß es doch einen Grund der Einheit des Übersinnlichen,
was der Natur zugrunde liegt,
mit dem, was der Freiheitsbegriff praktisch enthält, geben,
davon der Begriff,
wenn er gleich weder theoretisch noch praktisch zu einem Erkenntnisse desselben gelangt,
mithin kein eigentümliches Gebiet hat, dennoch den Übergang von der Denkungsart nach den Prinzipien der einen zu der nach Prinzipien der anderen möglich macht."50)

Zwischen dem Verstand und der Vernunft ist nun die Urteilskraft,
wie zwischen dem Erkenntnis- und Begehrungsvermögen Lust und Unlust; in diesem Vermögen muß also der Übergang vom Gebiete der Naturbegriffe zum Gebiete des Freiheitsbegriffs liegen.51)
Nun gibt es zwei Produkte, Werke der Kunst und der organischen Natur, die uns Einheit beider kundtun.
Die Betrachtung dieser Werke enthält dies, daß wir Einheit von Verstand und Besonderem sehen; aber diese Betrachtungsweise ist nur eine subjektive.
Solche Dinge werden nur nach dieser Einheit betrachtet,
sie sind aber nicht an sich so;
wie sie an sich sind, liegt jenseits. Kant spricht so von einem anschauenden Verstande,
das ist tiefe Bestimmung; er gibt allgemeine Gesetze,
bestimmt aber ebenso das Besondere.
Das Zweckmäßige gehört hierher, der Zweck ist allgemeine Bestimmung; das Zweckmäßige ist besondere Realität,
das nur durch das Allgemeine bestimmt ist.
Der Verstand ist der Grund dieser Einheit des Mannigfaltigen; das Besondere ist durch das Allgemeine, das Sinnliche durch das Übersinnliche bestimmt.
Diese Idee ist nicht das Wahre solcher Produkte, sondern nur eine Weise, wie wir sie vorstellen; das nennt Kant Urteilskraft, Verbindung eines Besonderen mit einem Allgemeinen.
Die Idee der Urteilskraft vereinigt beides, - ein Allgemeines, welches das Besondere an ihm selbst hat.
In der unmittelbaren Urteilskraft enthält die Gattung das Besondere
(es ist aber auch Besonderes, das nicht durch die Gattung bestimmt ist);
so ist es nicht in der reflektierenden Urteilskraft.
Die reflektierende Urteilskraft hat zu ihrem Prinzip die Einheit des abstrakt Allgemeinen des Verstandes und der Besonderheit, die Idee einer gesetzmäßigen Notwendigkeit,
welche zugleich frei ist, oder einer Freiheit, die mit ihrem Inhalt unmittelbar eins ist.
Sie ist hierin nicht bestimmend nach allgemeinen Gesetzen, sondern reflektierend,
indem "das Besondere gegeben ist, wozu sie das Allgemeine finden soll".
52)

"Dies Prinzip kann nun kein anderes sein, als daß, da allgemeine Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstande haben, der sie der Natur (obzwar nur nach dem allgemeinen Begriffe von ihr als Natur) vorschreibt, die besonderen empirischen Gesetze in Ansehung dessen, was in ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer solchen Einheit betrachtet werden müssen, als ob gleichfalls ein Verstand (wenngleich nicht der unsrige) sie zum Behuf unserer Erkenntnisvermögen, um ein System der Erfahrung nach besonderen Naturgesetzen möglich zu machen, gegeben hätte.
Nicht, als ob ein solcher Verstand angenommen werden müßte
(denn es ist nur die reflektierende Urteilskraft, der diese Idee zum Prinzip dient);
sondern dies Vermögen gibt nur sich selbst, nicht der Natur ein Gesetz."

"Weil nun der Begriff von einem Objekt, sofern er zugleich den Grund der Wirklichkeit dieses Objekts enthält, der Zweck und die Übereinstimmung eines Dings mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge, die nur nach Zwecken möglich ist, die Zweckmäßigkeit der Form derselben heißt,
so ist das Prinzip der Urteilskraft, in Ansehung der Form der Dinge der Natur unter empirischen Gesetzen überhaupt, die Zweckmäßigkeit der Natur in ihrer Mannigfaltigkeit.
D. i. die Natur wird durch diesen Begriff so vorgestellt, als ob ein Verstand den Grund der Einheit des Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthalte."53)

Aristoteles schon hat die Natur als zweckmäßig an ihr selbst, den νους, den Verstand,
das Allgemeine an ihr selbst habend betrachtet, so daß in ungetrennter Einheit eins Moment des anderen ist. Zweck ist der Begriff, der immanent ist, nicht die äußerliche Form und Abstraktion gegen ein zugrunde liegendes Material, sondern durchdringend, so daß alles Besondere durch dies Allgemeine selbst bestimmt ist.
Nach Kant ist es der Verstand: die Verstandesgesetze, die er in der Erkenntnis an ihm selbst hat, lassen das Gegenständliche noch unbestimmt; aber weil dies Mannigfaltige selbst einen Zusammenhang in sich haben muß, der zwar für die menschliche Einsicht zufällig ist, "muß die Urteilskraft für ihren eigenen Gebrauch es als Prinzip annehmen, daß das für uns Zufällige ... eine für uns zwar nicht zu ergründende, aber doch denkbare Einheit in der Verbindung ihres Mannigfaltigen zu einer an sich möglichen Erfahrung enthalte."
Dies Prinzip fällt sogleich wieder in das Subjektive eines Gedankens zurück, ist nur eine subjektive Maxime, wodurch über die objektive Natur des Gegenstandes damit nichts ausgesagt werden soll 54) , - weil einmal das Ansich außer dem Selbstbewußtsein fixiert ist und der Verstand nur in der Form des Selbstbewußten, nicht in seinem Anderswerden aufgefaßt ist.

Dies Prinzip der reflektierenden Urteilskraft ist nun eine doppelte Zweckmäßigkeit in sich: dieses Beurteilen ist ästhetisch und teleologisch; jene ist die subjektive Zweckmäßigkeit, diese die objektive, logische.55)

a) Die eine Gestalt ist die ästhetische Urteilskraft, das Schöne;
sie besteht darin: Lust und Unlust ist etwas Subjektives,
was gar kein Erkenntnisstück werden kann.
Der Gegenstand hat insofern nur Zweckmäßigkeit, wenn seine Vorstellung unmittelbar mit dem Gefühl der Lust verbunden ist;
und dies ist eine ästhetische Vorstellung.
Die "Auffassung der Formen in die Einbildungskraft kann niemals geschehen, ohne daß die reflektierende Urteilskraft, auch unabsichtlich, sie wenigstens mit ihrem Vermögen, Anschauungen auf Begriffe zu beziehen, vergliche.
Wenn nun in dieser Vergleichung die Einbildungskraft (als Vermögen der Anschauungen a priori) zum Verstande, als Vermögen der Begriffe, durch eine gegebene Vorstellung" (etwas Schönes) "unabsichtlich in Einstimmung versetzt und dadurch ein Gefühl der Lust erweckt wird, so muß der Gegenstand alsdann als zweckmäßig für die reflektierende Urteilskraft angesehen werden.
Ein solches Urteil ist ein ästhetisches Urteil über die Zweckmäßigkeit des Objekts,
welches sich auf keinem vorhandenen Begriff vom Gegenstande gründet und keinen von ihm verschafft.
Ein Gegenstand, dessen Form (nicht das Materielle seiner Vorstellung als Empfindung) als Grund der Lust an der Vorstellung eines solchen Objekts beurteilt wird, ... heißt schön" 56) ,
- das erste vernünftige Wort über Schönheit: das Sinnliche ist das eine Moment des Schönen; dann muß es Geistiges, Begriff ausdrücken.

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50) Kritik der Urteilskraft (3. Aufl., Berlin 1799), Einleitung, S. [B] XVII-XX

51) Kritik der Urteilskraft (3. Aufl., Berlin 1799), Einleitung, S. [B] XXIV-XXV

52) Kritik der Urteilskraft (3. Aufl., Berlin 1799), Einleitung, S. [B] XXV

53) Kritik der Urteilskraft (3. Aufl., Berlin 1799), Einleitung, S. [B] XXVII f.

54) Kritik der Urteilskraft (3. Aufl., Berlin 1799), Einleitung, S. [B] XXXIII f.

55) Kritik der Urteilskraft (3. Aufl., Berlin 1799), Einleitung, S. [B] XLVIII-L

56) Kritik der Urteilskraft (3. Aufl., Berlin 1799), Einleitung, S. [B] XLIII-XLV

 

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