2. Fichtes neu umgebildetes System
In seinen späteren, populären Schriften hat Fichte Glaube, Liebe, Hoffnung, Religion aufgestellt, ohne philosophisches Interesse, für ein allgemeines Publikum, eine Philosophie für aufgeklärte Juden und Jüdinnen, Staatsräte, Kotzebue. Fichte hat eine große Aufregung seiner Zeit gegeben, den Kantianismus vollendet. - Populär sagt er: "Nicht das endliche Ich ist, sondern die göttliche Idee ist der Grund aller Philosophie; alles, was der Mensch aus sich selbst tut, ist nichtig. Alles Sein ist lebendig und in sich selbst tätig, und es gibt kein anderes Leben als das Sein und kein anderes Sein als Gott; Gott ist also absolutes Sein und Leben. Das göttliche Wesen tritt auch aus sich hervor, offenbart und äußert sich, - die Welt."1)
Diese Philosophie enthält nichts Spekulatives, aber sie fordert das Spekulative. Wie die Kantische Philosophie in ihrer Idee des höchsten Gutes, worin die Gegensätze sich vereinigen sollen, so fordert die Fichtesche Philosophie die Vereinigung im Ich und in dem Ansich des Glaubens, in welchem das Selbstbewußtsein in seinem Handeln von der Überzeugung ausgeht, daß an sich sein Handeln den höchsten Zweck hervorbringe und das Gute sich realisiere. Es ist in der Fichteschen Philosophie nichts zu sehen als das Moment des Selbstbewußtseins, des selbstbewußten Insichseins, wie in der englischen Philosophie ebenso einseitig das Moment des Sein-für-Anderes oder des Bewußtseins nicht als Moment, sondern als das Prinzip des Wahren ausgesprochen ist, - in keiner von beiden die Einheit beider, der Geist.
Fichtes Philosophie macht in der äußeren Erscheinung der Philosophie einen bedeutenden Abschnitt. Von ihm und seiner Manier kommt das abstrakte Denken, die Deduktion und Konstruktion. Mit der Fichteschen Philosophie hat sich eine Revolution in Deutschland gemacht. Bis in die Kantische Philosophie hinein ist das Publikum noch mit fortgegangen, bis zur Kantischen Philosophie erweckte die Philosophie ein allgemeines Interesse; sie war zugänglich, man war begierig darauf, sie gehörte zu einem gebildeten Manne überhaupt. Sonst beschäftigten sich Geschäftsmänner, Staatsmänner damit; jetzt, bei der Kantischen Philosophie, sinken ihnen die Flügel. Sie sind nicht bis zum Fichteschen Spekulativen fortgegangen, haben gleich Abschied genommen, wo es zum Spekulativen geht; besonders seit Fichte wurde es Beschäftigung weniger Männer. Das Publikum wurde durch die Kantische und Jacobische Philosophie darin bestärkt, daß das Wissen von Gott ein unmittelbares sei, das man von Haus aus kenne, ohne zu studieren.
Die Zeit hat nach Leben, nach Geist gerufen. Indem nun so der Geist in das Selbstbewußtsein zurückgegangen, aber in es als leeres Ich, das sich nur einen Inhalt, eine Erfüllung gibt durch Endlichkeiten, Einzelheiten, die nichts an und für sich sind, so ist die nächste Stufe diese Erfüllung des Selbstbewußtseins an ihm selbst, den Inhalt sich an sich selbst zu wissen, einen Inhalt, der, durchdrungen von ihm, ein selbstbewußter, geistiger Inhalt oder inhaltsvoller Geist sei. Diese unmittelbare Einheit des selbstbewußten Ich und seines Inhalts oder der Geist, der sein selbstbewußtes Leben nur anschaut und dies als die Wahrheit unmittelbar weiß, hat sich dann in den poetischen und prophetischen, sehnsüchtigen Tendenzen geäußert, in Auswüchsen,*] die aus der Fichteschen Philosophie hervorgegangen sind.
1) Rixner, Handbuch der Geschichte der Philosophie, Bd. III, § 192, S. 416; vgl. Über das Wesen des Gelehrten (Berlin 1806), S. 4-5, 15, 25-27
3. Hauptformen, die mit der Fichteschen Philosophie zusammenhängen
Es fällt in Ansehung des Inhalts, den das Fichtesche Ich in seiner Philosophie gewinnt, die vollkommene Geistlosigkeit, Hölzernheit und, das Wort zu sagen, die gänzliche Albernheit zu sehr auf, als daß bei ihm stehengeblieben werden könnte, - auch die philosophische Einsicht in die Einseitigkeit und Mangelhaftigkeit des Prinzips und der Notwendigkeit, daß der Inhalt so ausfallen muß. Andererseits war aber darin das Selbstbewußtsein, Ich, als das Wesen gesetzt, nicht ein fremdes, anderes Selbstbewußtsein, sondern Ich, - eine Bezeichnung, die alle sind und in der Wirklichkeit aller widerklingt.
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