|
[Descartes - Gesetze der Bewegung - Philosophie des Geistes (Denken und Freiheit)] 1/2/3/4/5
Von dem Begriff der Ausdehnung geht nun Descartes zu Gesetzen der Bewegung über, als dem allgemeinen Erkennen des Ansich des Körperlichen: α) daß es kein Vakuum gibt, eine Ausdehnung ohne körperliche Substanz, d. h. Körper ohne Körper; β) keine Atome (kein Fürsichsein, Individualität), aus demselben Grunde, das Wesen des Körpers ist Ausdehnung; γ) ferner daß ein Körper durch etwas außer ihm in Bewegung gesetzt werde, für sich im Zustande der Ruhe beharre und ebenso im Zustande der Bewegung durch ein Anderes außer ihm zur Ruhe gebracht werden müsse (Trägheit)52) ; - nichtssagende Sätze, es ist eben Abstraktion, einfache Ruhe und Bewegung in ihrem Gegensatze festzuhalten.
Ausdehnung und Bewegung sind die Grundbegriffe der mechanischen Physik; sie sind, was die Wahrheit der Körperwelt ist. Idealität schwebt dem Descartes vor; er ist weit erhaben über die Realität der sinnlichen Eigenschaften, aber geht nicht zur Besonderung dieser Idealität über. - Er bleibt also bei der eigentlichen Mechanik stehen. Gebt mir Materie (Ausgedehntes) und Bewegung, und ich will euch Welten bauen, sagt insofern Cartesius53) ; Raum und Zeit waren ihm so die einzigen Bestimmungen des materiellen Universums. Darin liegt denn die mechanische Weise, die Natur zu betrachten, oder daß die Naturphilosophie des Descartes rein mechanisch ist, so daß er alle Verhältnisse auf Ruhe und Bewegung zurückführt, alle materielle Verschiedenheit, Farbe, Geschmack auf Mechanik, Bewegung von Partikeln. Das Verändern der Materie ist daher allein die Bewegung; auf den Mechanismus müssen daher alle körperlichen Eigenschaften und animalischen Erscheinungen zurückgeführt werden. Im Lebendigen sind Verdauung usf. solche mechanische Effekte, deren Prinzipien Ruhe und Bewegung sind. Wir sehen hier also den Grund, den Ursprung der mechanischen Philosophie; die Mechanik ist von Cartesius ausgebildet worden. Es ist aber eine weitere Einsicht, daß dies unbefriedigend ist, - Materie und Bewegung nicht hinreicht, um das Lebendige zu erklären. Es ist aber das Große darin, daß das Denken in seinen Bestimmungen fortgeht und daß es diese Gedankenbestimmungen zu dem Wahrhaften der Natur macht.
Von da geht Descartes zur Mechanik über; Weltsystem, Bewegung der himmlischen Körper betrachtet er. Er kommt nun auf Bewegung und Ruhe, Erde, Sonne usf., von da aus auf seine Vorstellung der in sich zurückgehenden Bewegung der Himmelskörper in der Form von Wirbeln, auf Reflexionen, metaphysische Hypothesen vom Aus- und Einströmen, Durchgehen, Sich-Begegnen usw. kleiner Partikelchen in Poren, zuletzt auch auf Salpeter und Schießpulver.54) - Zuerst sollen die allgemeinen Gedanken das Interesse haben; das andere, was bei der Ausführung insbesondere zu bemerken ist, ist dieses. Das Weitere ist ein Übergang zum Bestimmten; und dies Bestimmte, Physikalische wird errichtet in einer Physik, die das Resultat von Beobachtungen und Erfahrungen ist. In der weiteren Ausführung geht er ganz auf verständige Weise fort. Descartes hat so viele Beobachtungen mit einer solchen Metaphysik vermischt; und dies ist für uns daher etwas Trübes. - Professor Cousin in Paris hat Descartes' Werke neu herausgegeben, 11 Bände in Oktav; der größte Teil besteht in Briefen über physikalische Gegenstände.
Bei dieser Philosophie ist die denkende Behandlung des Empirischen vorherrschend; auf eben diese Weise zeigen sich die Philosophien von dieser Zeit an. Die Philosophie hatte bei Descartes und anderen noch die unbestimmtere Bedeutung, durchs Denken, Nachdenken, Räsonieren zu erkennen. Das spekulative Erkennen, Ableiten aus dem Begriffe, freie selbständige Entwicklung des Begriffs ist erst durch Fichte eingeführt. Es ist somit das, was jetzt philosophisches Erkennen und was sonst wissenschaftliches Erkennen heißt, nicht geschieden. Es rechnete sich also damals alle menschliche Wissenschaft zum Philosophieren; und bei Descartes' Metaphysik sahen wir das ganz empirische Räsonieren aus Gründen, aus Erfahrungen, Tatsachen, Erscheinungen auf die naivste Weise eintreten. Das Wissenschaftliche dabei bestand überhaupt näher, strenger in der Methode des Beweisens, wie sie in der Geometrie längst gebraucht worden, und in der gewöhnlichen Weise des formell logischen Schließens.
Daher geschieht es denn auch, daß das Philosophieren, das ein Ganzes von Wissenschaften ausmachen soll, anfängt von Logik und Metaphysik; dann der weitere Teil ist eine gewöhnliche Physik, Mathematik, freilich mit metaphysischen Spekulationen vermischt; und der dritte, die Ethik, betrifft die Natur des Menschen, seine Pflichten, Staat, den Bürger. So Descartes. Der erste Teil der Principia philosophiae handelt De principiis cognitionis humanae, der zweite De principiis rerum materialium. Diese Philosophie über die Ausdehnung (die Naturphilosophie) ist jedoch nichts anderes, als was damals eine ganz gewöhnliche Physik, Mechanik sein konnte, und noch ganz hypothetisch. Wir unterscheiden genau empirische Physik und Naturphilosophie, die erste ist auch denkend; die Naturphilosophie heißt so immer bei den Engländern dasselbe, als was wir Physik nennen (Newton).
3. Das andere ist Philosophie des Geistes, zum Teil metaphysisch, hernach aber auch empirisch; Cartesius hat besonders die Physik ausgebildet. Zu dem dritten Teil, dem ethischen, ist er nicht gekommen; Ethik machte er nicht bekannt, nur einen Traktat De passionibus. Spinozas philosophisches Hauptwerk dagegen ist die Ethik. Bei ihm ist der erste Teil auch allgemeine Metaphysik; den zweiten, die Naturphilosophie, hat er gar nicht behandelt, sondern nur eine Ethik, Philosophie des Geistes. Und das, was das Erkennen betrifft, den intelligenten Geist, das kommt im ersten Teil, in den Prinzipien der menschlichen Erkenntnis vor. So handelt auch Hobbes zuerst von der Logik, dann von einer ganz gewöhnlichen Physik: Sectio I, De corpore: Pars I, Logica s. Computatio; Pars II, Philosophia prima, Ontologie, Metaphysik; Pars III, Mechanik, Physik, menschliche Organe. Sectio II sollte von der Natur des Menschen handeln, Ethik; das Geistige hat er nicht vollständig ausgebildet, nur De cive geschrieben. In Descartes' Metaphysik ist einem ganz naiv, gar nicht spekulativ zumute. - Bei Cartesius war ferner zwar das Prinzip Denken, aber dieses Denken ist noch abstrakt und einfach; das Konkrete steht noch drüben auf der andern Seite, und konkreteren Inhalt erhielt dieses Denken erst aus der Erfahrung. Das Bedürfnis, das Bestimmte aus dem Denken zu entwickeln, war noch nicht vorhanden.
Cartesius handelt auf der andern Seite auch vom Denken; er handelt von der menschlichen Freiheit. Die Freiheit bewies Descartes daraus, daß die Seele denkt, der Wille unbeschränkt ist; und das macht die Vollkommenheit des Menschen aus. Das ist ganz richtig. In Ansehung der Freiheit kommt er auf die Schwierigkeit: Der Mensch als frei könne etwas tun, was nicht von Gott vorher angeordnet sei, - das streitet gegen Allmacht und Allwissenheit Gottes; und wenn alles von Gott angeordnet, so wäre damit die menschliche Freiheit wieder aufgehoben. - Diese beiden Bestimmungen lösen sich nicht als widersprechende auf: "Der menschliche Geist ist endlich, Gottes Macht und Vorausbestimmung unendlich; wir sind nicht fähig, das Verhältnis zu beurteilen, in welchem die Freiheit der menschlichen Seele zur göttlichen Allmacht und Allwissenheit stehe; aber im Selbstbewußtsein haben wir ihre Gewißheit als Tatsache. Wir müssen uns aber nur an dem, was gewiß ist, halten."55) Fernerhin erscheint ihm vielerlei als unerklärbar; wir sehen Zähigkeit, Eigensinn, dabei nach bester Einsicht zu bleiben. Die Weise des Erkennens, wie Cartesius sie angibt, hat auch Gestalt eines verständigen Räsonnements; so ist es ohne besonderes Interesse.
Dies sind nun die Hauptmomente des Cartesischen Systems. Es sind noch einige einzelne Behauptungen anzuführen, die ihn besonders berühmt gemacht haben, - besondere Formen, die sonst in der Metaphysik, auch bei Wolff, betrachtet sind. Man hebt z. B. heraus: α) daß Cartesius das Organische, die Tiere, als Maschinen angesehen habe, daß sie von einem Anderen bewegt werden, das selbsttätige Prinzip des Denkens nicht in ihnen haben56) , - eine mechanische Physiologie, ein bestimmter, verständiger Gedanke, der weiter von keiner Erheblichkeit. Bei dem scharfen Gegensatze des Denkens und der Ausdehnung ist jenes nicht betrachtet als Empfindung, so daß diese sich isolieren kann. Das Organische, als Körper, muß sich auf Ausdehnung reduzieren. Das Weitere ist also Abhängigkeit von den ersten Bestimmungen.
β) Die angeborenen Ideen nennt er die ewigen Wahrheiten; Locke und Leibniz stritten darüber. Es ist krasser Ausdruck, nicht das Allgemeine wie bei Platon und Späteren, sondern das, was Evidenz, unmittelbare Gewißheit hat; eine Vielheit des Denkens, mannigfaltige Begriffe in der Form eines Seins, natürlich fest, wie Gefühle ins Herz gepflanzt, - unmittelbare Vielheit, die im Denken selbst gegründet ist.
γ) Das Verhältnis zwischen Seele und Körper (sich selbst im Anderen, der Materie, setzen) ist nunmehr eine Hauptfrage, - eben jene Rückkehr des Gegenstandes in sich. In der Metaphysik finden sich viele Systeme darüber. Das eine ist das des influxus physicus, daß der Geist sich auf körperliche Weise verhalte, daß der Gegenstand auf den Geist ein Verhältnis hätte wie die Körper gegeneinander; eine solche Vorstellung ist sehr roh. - Wie faßt Cartesius die Einheit von Seele und Leib? Die erste gehört dem Denken, der andere der Ausdehnung an: beide sind Substanz, keines bedarf des Begriffs des anderen; also ist Seele und Leib unabhängig voneinander. Sie können keinen direkten Einfluß aufeinander haben. Die Seele hat nur Einfluß, Wirksamkeit, insofern die Seele des Körpers bedarf und umgekehrt, d. h. insofern sie wesentliche Beziehung aufeinander haben. Da aber jedes Totalität ist, so hat keines Bedürfnis des anderen und ebensowenig reale Beziehung darauf. Den physischen Einfluß beider hat Cartesius also konsequenterweise geleugnet; das ist mechanisches Verhältnis beider. Descartes hat das Spirituelle, Intellektuelle festgesetzt. In seinem cogito bin ich mir selbst zunächst nur gewiß, ich kann abstrahieren von allem; darauf gründet er das Bestehen des Geistes für sich. Nun ist das Mittelding, die Verbindung anzugeben von dem Abstrakten und dem Äußerlichen, dem Einzelnen. Dies bestimmt nun Cartesius danach, daß er zwischen beiden setzt das, was den Grund ihrer Veränderungen ausmacht, Gott als das Mittelglied der Verbindung.57) Ihre Veränderungen korrespondieren miteinander: habe ich Triebe, Vorsatz, so wird er leiblich; dies Entsprechen ist bewirkt durch Gott. (Dies heißt man denn das systema assistentiae, es ist transzendent: Gott ist der metaphysische Grund ihrer gegenseitigen Veränderungen, als er der Seele in dem, was sie nicht durch ihre eigene Freiheit bewerkstelligen kann, Beistand leistet. Dies hat nachher Malebranche mehr ausgeführt. Das Bedürfnis, ein Vermittelndes zu haben, ist da; Gott wird nun gesetzt als solches.) Denn oben (S. 142 f.) sahen wir, Cartesius sagt von Gott, er ist eben die Wahrheit der Vorstellung. Insofern ich richtig, konsequent denke, so entspricht dem etwas Reales; der Zusammenhang davon ist Gott. Gott ist die vollkommene Identität beider Gegensätze; da ist die Einheit der Idee, des Begriffs und des Realen. (Dies wird dann in der Spinozistischen Idee in seinen weiteren Momenten noch herausgehoben.) Das ist richtig; in den endlichen Dingen ist diese Identität unvollkommen. Nur ist bei Cartesius diese Form unpassend; α) daß es zwei Dinge, Denken (Seele) und Leib, sind; β) Gott nun als ein drittes Ding erscheint, außerhalb beider, nicht der Begriff der Einheit und die beiden Glieder nicht selbst Begriff. Es muß aber nicht vergessen werden, daß er sagt, jene beiden ersten sind erschaffene Substanzen. Das gehört der Vorstellung an; Erschaffen ist kein bestimmter Gedanke. Diese Zurückführung auf den Gedanken hat dann Spinoza gemacht.
52) Principia philosophiae II, § 16, 20, 37-38, p. 29-31, 38-39 (p. 133-134, 137-138, 152-154)
53) Buhle, Geschichte der neueren Philosophie, Bd. III, S. 19; vgl. Principia philosophiae III, § 46-47, p. 65 (p. 210-212)
54) Principia philosophiae II, § 64, p. 49 (p. 178-179); III, § 5-42, 46, p. 51-63, 65 (p. 183-208, 210); IV, § 1, 69, 109-115, p. 137, 166, 178-180 (p. 330, 388, 420-425)
55) Principia philosophiae I, § 37, 39, 40-41, p. 10-11 (p. 85-88)
56) De methodo V, p. 35-36 (p. 185-189)
57) De methodo V, p. 29 (p. 173-174)
|