|
Die beiden Hauptmomente sind einerseits: die intellektuelle Anschauung ist als das Prinzip gefordert; das Subjekt muß sich als intellektuelle Anschauung verhalten, wenn es philosophieren will. Das Subjekt muß nicht mit der Reflexion behaftet sein, das ist Verstandesbestimmung. Ebenso sinnliche Wahrnehmung für sich enthält nur Außereinander, ist nicht intellektuell. Es wird also sowohl für den Inhalt der Philosophie ein Prinzip vorausgesetzt als auch für das subjektive Philosophieren; es wird gefordert, man solle sich intellektuell anschauend verhalten. Auf der andern Seite soll dieses Prinzip doch auch bewährt werden; dieses geschieht im Kunstwerk. Es ist die höchste Weise der Objektivierung der Vernunft, weil da sinnliche Vorstellung geeint ist mit Intellektualität; das sinnliche Dasein ist nur Ausdruck von Geistigkeit. Die höchste Objektivität, die Ich, das Subjekt erlangt, die höchste Identität des Objektiven und Subjektiven ist nun das, was Schelling Einbildungskraft nennt; und das Objekt, die intelligente Anschauung derselben, ist die Kunst. Die Kunst wird so als das Innerste und Höchste gefaßt, das in einem das Intellektuelle und Reelle produziere, - und das Philosophieren vorgestellt als diese Genialität der Kunst. - Aber Kunst und Einbildungskraft ist nicht das Höchste. Denn die Idee, der Geist kann nicht auf eine Weise wahrhaft ausgedrückt werden wie die, in der die Kunst ihre Idee ausdrückt. Dies ist immer Weise der Anschauung; und wegen dieser Form der Existenz, dieser sinnlichen Weise kann das Kunstwerk nicht entsprechen dem Geiste. Indem so der letzte Punkt als Einbildungskraft, als Kunst bezeichnet ist, so ist dies selbst im Subjekt ein untergeordneter Standpunkt; und so ist dieser Punkt selbst nicht diese absolute Identität des Subjektiven und Objektiven.
Das vernünftige spekulative Denken ist nach seinem subjektiven Denken gefordert. Man kann nichts anderes sagen als: du hast die intellektuelle Anschauung nicht, wenn dir dieses falsch erscheint. Die intellektuelle Anschauung ist die Fichtesche Einbildungskraft, das Schweben beider Richtungen; etwas zu beweisen, begreiflich zu machen, fällt also weg. Das richtige Auffassen wird direkt gefordert. - Die andere Seite ist diese, daß die Idee, insofern sie als Prinzip ausgesprochen ist, assertorisch vorangestellt ist. Das Absolute ist die absolute Identität des Subjektiven und Objektiven, die absolute Indifferenz des Reellen und Ideellen, der Form und des Wesens, des Allgemeinen und Besonderen; in der Identität beider ist weder das eine noch das andere. Es ist aber auch nicht abstrakte, leere, trockene Einheit: das ist die logische Identität, das Klassifizieren nach Gemeinschaftlichem; der Unterschied bleibt aber da draußen liegen. Die Identität ist konkret, sowohl Subjektivität als Objektivität; sie sind als aufgehobene, ideelle darin enthalten. Zur Vorstellung kann diese Identität leicht gebracht werden: die Vorstellung z. B. ist subjektiv, sie hat zugleich bestimmten Inhalt des Außereinander; dennoch ist die Vorstellung einfach, - es ist ein Akt, eine Einheit. - Das Mangelhafte in der Schellingschen Philosophie ist, daß der Punkt der Indifferenz des Subjektiven und Objektiven vorn hingestellt, diese Identität absolut aufgestellt wird, ohne daß es bewiesen wird, daß dies das Wahre ist. Oft braucht Schelling die Form Spinozas, stellt Axiome auf. Man will, wenn man philosophiert, daß es so ist, bewiesen haben. Wird aber mit der intellektuellen Anschauung angefangen, so ist das Assertion, Orakel, das man sich gefallen lassen soll, weil die Forderung gemacht ist, daß man intellektuell anschaue.
Es sind im allgemeinen diese beiden Gänge sehr bestimmt ausgedrückt. Eine Seite ist dabei diese Durchführung der Natur zum Subjekt, die andere die des Ichs zum Objekt. Die wahre Durchführung aber könnte nur auf logische Weise geschehen; denn diese enthält den reinen Gedanken. Aber die logische Betrachtung ist das, wozu Schelling in seiner Darstellung, Entwicklung nicht gekommen ist. Der wahrhafte Beweis, daß diese Identität das Wahrhafte ist, könnte vielmehr nur so geführt werden, daß jedes für sich untersucht wird in seinen logischen Bestimmungen, d. h. in seinen wesentlichen Bestimmungen; woran sich sodann ergeben müßte, daß das Subjektive dies ist, sich zu verwandeln in Objektives, und das Objektive dies ist, nicht so zu bleiben, sondern sich subjektiv zu machen. Man müßte am Endlichen selbst aufzeigen, daß es den Widerspruch in sich enthielte und sich zum Unendlichen machte; so hätten wir also die Einheit des Endlichen und Unendlichen. Bei solchem Verfahren wird diese Einheit nicht vorausgesetzt, sondern es wird an ihnen selbst gezeigt, daß ihre Wahrheit ihre Einheit ist, jedes für sich aber einseitig; daß ihr Unterschied sich verkehrt, umschlägt in diese Einheit, - da der Verstand meint, an den Unterschieden habe er ein Festes. So wäre dann das Resultat der denkenden Betrachtung, daß jedes sich unter der Hand zu seinem Gegenteile macht und nur die Identität beider die Wahrheit ist. Der Verstand nennt allerdings diese Verwandlung Sophisterei, Hokuspokus, Gaukelei usf. So wäre diese Identität als Resultat, nach Jacobi als Bedingtes, Hervorgebrachtes gesetzt. Aber zu bemerken ist, daß diese Entwicklung, das Resultat, eine Einseitigkeit enthält und daher dies Vermitteln selbst wieder aufzuheben, als unmittelbar zu setzen ist; es ist ein Prozeß, der ebenso das Vermitteln in sich ist. Schelling hat wohl diese Verstellung im allgemeinen gehabt, hat sie aber nicht auf bestimmte logische Weise durchgeführt; - bei Schelling ist es unmittelbare Wahrheit.
Das ist Hauptschwierigkeit bei der Schellingschen Philosophie. Dann hat man sie mißverstanden, platt gemacht. Es ist leicht zu zeigen, daß das Subjektive und Objektive verschieden ist. Wären sie nicht unterschieden, so wäre damit nichts zu machen, wie mit A=A; aber sie sind entgegengesetzt als Eins. In allem Endlichen ist eine Identität vorhanden, nur das ist wirklich; aber außer daß das Endliche diese Identität ist, ist auch Nicht-Übereinstimmung der Subjektivität und Objektivität, des Begriffs und der Realität, - das ist die Endlichkeit. Diesem Prinzipe Schellings fehlt die Form, der Beweis; es ist nur hingestellt.
2. In folgenden Darstellungen tat sich nun auch das Bedürfnis zu beweisen hervor; aber ist die Manier einmal angenommen, so ist das Beweisen nur Reflektieren, - das ist formell geblieben. Schelling hat, indem es in seiner Darstellung Bedürfnis ist, anzufangen mit der Idee des Absoluten als Identität des Objektiven und Subjektiven, versucht, diese Idee zu beweisen, und zwar in der Neuen Zeitschrift für spekulative Physik. Aber diese Beweise sind höchst formell geführt, so daß sie eigentlich immer das voraussetzen, was bewiesen werden soll. Das Axiom nimmt die Hauptsache im voraus an; und so ist schon alles geschehen. Z. B.: "Das Innere des Absoluten oder das Wesen desselben kann nur als absolute, durchaus reine und ungetrübte Identität gedacht werden. - Denn das Absolute ist nur absolut, und was auch in ihm sei, ist notwendig und immer dasselbe, nämlich notwendig und immer absolut. Wäre aber die Idee des Absoluten ein allgemeiner Begriff" (Vorstellung), "so würde dies nicht verhindern, daß in ihm, dieser Einheit der Absolutheit unerachtet, eine Differenz angetroffen würde. Denn die verschiedensten Dinge sind doch im Begriff immer eins und durchaus identisch", wie ein Rechteck, Vieleck und Zirkel Figuren sind. "Die Möglichkeit der Differenz aller Dinge bei vollkommener Einheit im Begriff liegt in der Art, wie das Besondere in ihnen dem Allgemeinen verbunden ist ... ; im Absoluten fällt dies gänzlich hinweg, weil es zu seiner Idee gehört, daß das Besondere in ihm auch das Allgemeine, das Allgemeine das Besondere und durch diese Einheit auch ferner Form und Wesen in ihm eins seien. Mithin folgt in Ansehung des Absoluten unmittelbar daraus, daß es absolut ist, auch die absolute Ausschließung aller Differenz aus seinem Wesen."15)
Jene Identität ist nun auch in einem anderen Buche bezeichnet als absolute Indifferenz des Objektiven und Subjektiven, so daß beide darin ihre wahre Bestimmung haben. Aber der Ausdruck Indifferenz ist zweideutig, es ist Gleichgültigkeit gegen beides; und so hat es den Schein, als ob die Erfüllung der Indifferenz, wodurch sie konkret ist, gleichgültig ist. Schelling sagt auch: Identität des Wesens und der Form, des Unendlichen und Endlichen, des Positiven und Negativen. Alle solche Gegensätze kann man gebrauchen; sie sind aber nur abstrakt und beziehen sich auf verschiedene Stufen der Entwicklung des Logischen selbst. Von dieser absoluten Identität geht Schelling nun aus; und eine ausführliche Darstellung seiner Philosophie ist in der Zeitschrift für spekulative Physik enthalten. Hier hat er wie Spinoza eine geometrische Methode gebraucht: Axiome, dann Sätze, die den Beweis führen, dann abgeleitete Sätze. Aber diese Methode hat keine wahrhafte Anwendung auf die Philosophie. Er hat hierbei gewisse Formen des Unterschieds vorausgesetzt, die er Potenzen nennt und von Eschenmayer, der sie aufbrachte, aufgenommen hat; es sind die fertigen Unterschiede, deren sich Schelling bedient.
a) Fürs erste hat Schelling wieder die Spinozistische Substanz, das einfache absolute Wesen hervorgerufen - und dem transzendentalen Idealismus wieder die Bedeutung des absoluten Idealismus gegeben -, aber so, daß dies Wesen unmittelbar an ihm selbst die absolute Form oder das absolute Erkennen ist, ein selbstbewußtes Wesen, - wie es bei Spinoza die Form eines Gegenständlichen oder Gedachten hatte. Spekulative Philosophie besteht in dieser Behauptung, nicht für sich, sondern ist ihre reine Organisation; das Erkennen steht im Absoluten.16) Diese Einheit des Wesens und der Form ist das Absolute, oder wenn wir das Wesen als das Allgemeine, die Form als das Besondere betrachten, so ist es die absolute Einheit des Allgemeinen und Besonderen oder des Seins und des Erkennens. Die Form ist, für sich betrachtet, das Besondere oder das Hervortreten der Differenz (die Subjektivität). Aber die Differenten, Subjekt und Objekt oder Allgemeines und Besonderes, sind nur ideelle Gegensätze; sie sind im Absoluten schlechthin eins. Um diese Einheit zu fassen, muß die Form in dem Sinne des Denkens oder selbstbewußten Erkennens aufgefaßt werden. Diese Form oder Erkenntnis als diese Einheit ist die Anschauung, die das Denken und Sein absolut gleichsetzt und, indem sie das Absolute formell ausdrückt, zugleich Ausdruck seines Wesens, seines Seins wird.17) - Intellektuell ist diese Anschauung, weil sie Vernunftanschauung ist und als Erkenntnis zugleich absolut eins ist mit dem Gegenstande der Erkenntnis.
Wie Fichte mit Ich=Ich anfängt, so gleichfalls Schelling, oder mit der absoluten Anschauung als Satz oder Definition ausgedrückt, daß die Vernunft absolute Indifferenz des Subjekts und Objekts ist, so daß es weder das eine noch das andere ist, sondern dieser, wie aller Gegensatz, schlechthin darin vertilgt ist. Diese unmittelbare intellektuelle Anschauung oder diese Definition des Absoluten ist hiermit das Vorausgesetzte, die Forderung an jeden, der philosophieren will, diese Anschauung zu haben. Wer die Einbildungskraft nicht hat, sich diese Einheit vorzustellen, entbehrt des Organs der Philosophie.18) - Dieses Anschauen ist selbst das Erkennen, aber es ist noch nichts Erkanntes; es ist das Unvermittelte, Geforderte. Als so ein Unmittelbares muß man sie haben; und etwas, das man haben kann, kann man auch nicht haben. - Diese unmittelbare Forderung hat daher der Schellingschen Philosophie das Ansehen gegeben, als ob ihre Bedingung ein eigenes Talent, Genie oder Zustand des Gemüts erfordere, überhaupt etwas Zufälliges. Denn das Unmittelbare, Angeschaute ist in der Form eines Seienden oder Zufälligen, nichts Notwendiges; und wer sie nicht versteht, muß eben meinen, er besitze diese Anschauung nicht. Oder, um sie zu verstehen, muß man sich Mühe geben, die intellektuelle Anschauung zu haben; ob man sie aber hat oder nicht, kann man nicht wissen, - nicht daraus, daß man sie versteht; denn man kann bloß meinen, sie zu verstehen.
Daß die intellektuelle Anschauung oder der Begriff der Vernunft ein Vorausgesetztes ist und seine Notwendigkeit nicht dargestellt ist, dies ist ein Mangel, durch den sie diese Gestalt hat. Schelling scheint mit Platon wie mit den Neuplatonikern dies gemein zu haben, das Wissen in die innere Anschauung der ewigen Ideen zu setzen, worin die Erkenntnis unvermittelt und unmittelbar im Absoluten ist. >>>
15) Neue Zeitschrift für spekulative Physik, Bd. I, Stück I, S. 52 f.
16) Zeitschrift für spekulative Physik, Bd. II, Heft 2, Vorerinnerung, S. VI-VIII; § 44, Anm. S. 28; § 7, S. 5
17) Zeitschrift für spekulative Physik, Bd. II, Heft 2, Vorerinnerung, S. VI-VIII, § 17-19, S. 11-12
18) Zeitschrift für spekulative Physik, Bd. II, Heft 2, Vorerinnerung, S. VI-VIII, § 1-3, S. 1-4
|