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Manfred Herok  2014

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<<<Philosophie des Platon        [Platons mythische Darstellung]                           1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 6 / 7               

Eine wesentliche Verschiedenheit der Elemente in der Darstellung der Platonischen Philosophie in seinen Dialogen ist, daß die bloßen Vorstellungen vom Wesen und das begreifende Erkennen desselben (in Weise der Vorstellung und spekulativ zu sprechen) dann überhaupt selbst in einer ungebundeneren Weise vermischt ist, besonders in jener Weise zu einer mythischen Darstellung fortzugehen, - eine Vermischung, welche in diesem Anfange der eigentlichen Wissenschaft in ihrer wahren Gestalt notwendig ist.
Platons erhabener Geist, der eine Anschauung oder Vorstellung des Geistes hatte, durchdrang diesen seinen Gegenstand mit dem Begriffe; aber er fing dies Durchdringen nur erst an, umfaßte nicht die ganze Realität desselben mit dem Begriffe, - oder das Erkennen, das in Platon erschien, realisierte sich noch nicht in ihm zu dem Ganzen. Hier geschieht es also, teils
α) daß die Vorstellung des Wesens sich wieder von seinem Begriffe trennt und er ihr gegenübertritt, ohne daß es ausgesprochen wäre, daß der Begriff allein das Wesen ist.
Wir können verleitet werden, was er in Weise der Vorstellung vom Erkennen, von der Seele sagt, als philosophisch hinzunehmen.
So sehen wir ihn von Gott sprechen und wieder im Begriffe von dem absoluten Wesen der Dinge, aber getrennt, oder in einer Verbindung, daß beides getrennt scheint, der Vorstellung angehört, als unbegriffenes Wesen.
β) Teils tritt, für die weitere Ausführung und Realität, die bloße Vorstellung ein, an die Stelle des Fortgehens im Begriffe, - Mythen, selbstgebildete Bewegungen der Vorstellung oder aus der sinnlichen Vorstellung aufgenommene Erzählungen, durch den Gedanken bestimmt, ohne daß dieser sie in Wahrheit durchdrungen hätte, überhaupt das Geistige durch Formen der Vorstellung bestimmt. Es werden sinnliche Erscheinungen z. B. des Körpers, der Natur aufgenommen und Gedanken darüber, die sie nicht erschöpfen, - als wenn sie durch und durch gedacht wären, der Begriff selbständig an sich selbst fortginge.

Dies in Beziehung aufs Auffassen betrachtet, so geschieht es, um dieser beiden Umstände willen, daß entweder zuviel oder zuwenig in Platons Philosophie gefunden wird. αa) Zuviel finden die Älteren, sogenannten Neuplatoniker, welche
αα) teils, wie sie die griechische Mythologie allegorisierten, sie als einen Ausdruck von Ideen darstellten (was die Mythen allerdings sind), ebenso die Ideen in den Platonischen Mythen erst herausgehoben, wodurch sie die Mythen erst zu Philosophemen machten; denn darin besteht das Verdienst der Philosophie, daß das Wahre in der Form des Begriffes ist, -
ββ) teils was in der Form des Begriffes bei Platon ist, so für den Ausdruck des absoluten Wesens (die Wesenlehre im Parmenides für Erkenntnis Gottes) nahmen, daß Platon selbst es nicht davon unterschieden habe. Es ist in den Platonischen reinen Begriffen nicht die Vorstellung als solche aufgehoben oder nicht gesagt, daß diese Begriffe ihr Wesen sind, oder sie sind mehr nicht als eine Vorstellung für Platon, nicht Wesen.
β) Zuwenig die Neueren besonders, denn diese hingen sich vorzüglich an die Seite der Vorstellung, sahen Realität in der Vorstellung. Was in Platon Begriffenes oder rein Spekulatives vorkommt, gilt ihnen für ein Herumtreiben in abstrakten logischen Begriffen oder für leere Spitzfindigkeiten, dagegen dasjenige als Philosophem, was in der Weise der Vorstellung ausgesprochen ist.
So finden wir bei Tennemann (Bd. II, S. 376) und anderen eine steife Zurückführung der Platonischen Philosophie auf die Formen unserer vormaligen Metaphysik, z. B. der Ursachen, der Beweise vom Dasein Gottes.

Von einfachen Begriffen spricht Platon so: "Ihre letzte Wahrheit ist Gott; jene sind abhängige, vorübergehende Momente, ihre Wahrheit haben sie in Gott", und von diesem spricht er zuerst; so ist er eine Vorstellung.

Um die Philosophie Platons aus seinen Dialogen aufzufassen, muß das, was der Vorstellung angehört, insbesondere wo er für die Darstellung einer philosophischen Idee zu Mythen seine Zuflucht nimmt, von der philosophischen Idee selbst unterschieden werden,
- und diese freie Weise des Platonischen Vortrags, von den tiefsten dialektischen Untersuchungen zur Vorstellung und Bildern, zur Schilderung von Szenen der Unterredung geistreicher Menschen, auch von Naturszenen überzugehen.

Die mythische Darstellung der Philosopheme wird von Platon gerühmt; dies hängt mit der Form seiner Darstellung zusammen.
Er läßt den Sokrates von gegebenen Veranlassungen ausgehen, von den bestimmten Vorstellungen der Individuen, von dem Kreise ihrer Ideen; so geht die Manier der Vorstellung (der Mythus) und die echt spekulative durcheinander. Die mythische Form der Platonischen Dialoge macht das Anziehende dieser Schriften aus, aber es ist eine Quelle von Mißverständnissen; es ist schon eins, wenn man diese Mythen für das Vortrefflichste hält. Viele Philosopheme sind durch die mythische Darstellung nähergebracht; das ist nicht die wahrhafte Weise der Darstellung. Die Philosopheme sind Gedanken, müssen, um rein zu sein, als solche vorgetragen werden.
Der Mythus ist immer eine Darstellung, die sich sinnlicher Weise bedient, sinnliche Bilder hereinbringt, die für die Vorstellung zugerichtet sind, nicht für den Gedanken; es ist eine Ohnmacht des Gedankens, der für sich sich noch nicht festzuhalten weiß, nicht auszukommen weiß. Die mythische Darstellung, als älter, ist Darstellung, wo der Gedanke noch nicht frei ist: sie ist Verunreinigung des Gedankens durch sinnliche Gestalt; diese kann nicht ausdrücken, was der Gedanke will. Es ist Reiz, Weise anzulocken, sich mit Inhalt zu beschäftigen.
Es ist etwas Pädagogisches. Die Mythe gehört zur Pädagogie des Menschengeschlechts. Ist der Begriff erwachsen, so bedarf er derselben nicht mehr. Oft sagt Platon, es sei schwer, sich über diesen Gegenstand auszulassen, er wolle daher einen Mythus aufstellen; leichter ist dies allerdings.

Die Manier der Vorstellung hat Platon auch oft. Es ist einerseits populär, aber andererseits die Gefahr unabwendbar, daß man solches, was nur der Vorstellung angehört, nicht dem Gedanken, für etwas Wesentliches nimmt. Es ist unsere Sache, zu unterscheiden, was Spekulation, was Vorstellung ist. Kennt man nicht für sich, was Begriff, spekulativ ist, so kann man eine ganze Menge Theoreme aus den Dialogen ziehen und sie als Platonische Philosopheme ausgeben, die durchaus nur der Vorstellung, der Weise derselben angehören. Diese Mythen sind Veranlassung gewesen, daß viele Sätze aufgeführt werden als Philosopheme, die für sich gar nicht solche sind.
Indem man aber weiß, daß sie der Vorstellung als solcher angehören, so weiß man, daß sie nicht das Wesentliche sind.
So z. B. bedient sich Platon in seinem Timaios, indem er von der Erschaffung der Welt spricht, der Form, Gott habe die Welt gebildet, und die Dämonen hätten dabei gewisse Beschäftigungen gehabt (41); es ist ganz in der Weise der Vorstellung gesprochen. Wird dies aber für ein philosophisches Dogma Platons genommen, daß Gott die Welt geschaffen, daß Daimonien, höhere Wesen geistiger Art, existieren und bei der Welterschaffung Gottes hilfreiche Hand geleistet haben, so steht dies zwar wörtlich in Platon, und doch ist es nicht zu seiner Philosophie gehörig. Wenn er von der Seele des Menschen sagt, daß sie einen vernünftigen und unvernünftigen Teil habe,
so ist dies ebenso im allgemeinen zu nehmen; aber Platon behauptet damit nicht, daß die Seele aus zweierlei Substanzen, zweierlei Dingen zusammengesetzt sei. Wenn er das Lernen als eine Wiedererinnerung vorstellt, so kann das heißen, daß die Seele vor der Geburt des Menschen präexistiert habe. Ebenso wenn er von dem Hauptpunkte seiner Philosophie, von den Ideen, dem Allgemeinen, als dem bleibenden Selbständigen spricht, als den Mustern der sinnlichen Dinge, so kann man dann leicht dazu fortgehen, jene Ideen nach der Weise der modernen Verstandeskategorien als Substanzen zu denken, die im Verstande Gottes oder für sich, als selbständig, z. B. als Engel, jenseits der Wirklichkeit existieren. Kurz alles, was in der Weise der Vorstellung ausgedrückt ist, nehmen die Neueren in dieser Weise für Philosophie. So kann man Platonische Philosophie in dieser Art aufstellen, man ist durch Platons Worte berechtigt; weiß man aber, was das Philosophische ist, so kümmert man sich um solche Ausdrücke nicht und weiß, was Platon wollte. Wir haben jedoch nun zur Betrachtung der Philosophie des Platon selbst überzugehen.

In der Darstellung der Platonischen Philosophie kann beides nicht gesondert, aber es muß bemerkt und anders beurteilt werden,
als besonders von der letzteren Seite geschehen ist. Wir haben
1. den allgemeinen Begriff Platons von der Philosophie und dem Erkennen,
2. die besonderen Teile derselben, die bei ihm hervortreten, zu entwickeln.

Das erste ist die Vorstellung, die Platon vom Wert der Philosophie überhaupt hatte. Überhaupt sehen wir Platon ganz durchdrungen von der Höhe der Erkenntnis der Philosophie. Er zeigt Enthusiasmus für den Gedanken, das Denken dessen, was an und für sich ist. Wenn die Kyrenaiker die Beziehung des Seienden auf das einzelne Bewußtsein, die Kyniker die unmittelbare Freiheit als das Wesen setzten, so dagegen Platon die sich mit sich selbst vermittelnde Einheit des Bewußtseins und Wesens, oder das Erkennen. Philosophie ist ihm das Wesen für den Menschen. Er drückt überall die erhabensten Vorstellungen von der Würde der Philosophie aus; sie allein sei das, was der Mensch zu suchen hat, das tiefste Gefühl und entschiedenste Bewußtsein, alles andere für geringer zu achten.
Er spricht mit der größten Begeisterung davon; heutzutage wagen wir nicht, so davon zu sprechen. Philosophie ist ihm das höchste Besitztum. Unter einer Menge von Stellen hierüber führe ich zunächst eine aus dem Timaios an: "Die Kenntnis der vortrefflichsten Dinge fängt von den Augen an. Das Unterscheiden des sichtbaren Tags und der Nacht, die Monate und Umläufe der Planeten haben die Kenntnis der Zeit erzeugt und die Nachforschung der Natur des Ganzen uns gegeben, woraus wir dann die Philosophie gewonnen haben; und ein größeres Gut als sie, von Gott den Menschen gegeben, ist weder gekommen noch wird es je kommen." (47)

Am berühmtesten und zugleich am verrufensten ist das, was er hierüber in der Republik sagt und wie er sein Bewußtsein ausdrückt, - wie sehr dies den gemeinen Vorstellungen der Menschen widerspricht. Es betrifft die Beziehung der Philosophie auf den Staat und fällt um so mehr auf, weil es die Beziehung der Philosophie auf die Wirklichkeit ausdrückt. Denn wenn man ihr auch sonst wohl Wert beilegt, so bleibt sie dabei doch in den Gedanken der Individuen; hier aber geht sie auf Verfassung, Regierung, Wirklichkeit. Nachdem Platon dort den Sokrates den wahren Staat hat exponieren lassen, so läßt er diese Darstellung durch Glaukon unterbrechen, der verlangt,
daß er zeige, wie es möglich sei, daß ein solcher Staat existiere.
Sokrates macht viel Hin- und Herreden, will nicht daran gehen, sucht Ausflüchte, um davon freigelassen zu werden, behauptet, er sei nicht verpflichtet, wenn er die Beschreibung dessen gebe, was gerecht sei, auch darzulegen, wie es in die Wirklichkeit zu setzen sei;
doch müsse man das angeben, wodurch, wenn nicht Vollkommenheit, doch die Annäherung möglich gemacht würde.
Endlich, da in ihn gedrungen wird, spricht er:
"So soll es denn gesagt werden, wenn es auch von einer Flut des Gelächters und vollkommener Unglaublichkeit sollte übergossen werden. Wenn also nicht entweder die Philosophen in den Staaten regieren oder die jetzt sogenannten Könige und Gewalthaber wahrhaft und vollständig philosophieren und so Herrschermacht und Philosophie in eins zusammenfallen und die vielerlei Sinnesarten, die jetzt für sich abgesondert nach dem einen oder dem anderen sich wenden, so gibt es, o Freund Glaukon, für die Völker kein Ende ihrer Übel, noch, denke ich, für das menschliche Geschlecht überhaupt; und dieser Staat, von dem ich sprach, wird nicht eher erzeugt werden und das Licht der Sonne sehen", als bis dies geschieht. "Dies ist es", setzt er hinzu, "was ich solange gezaudert habe zu sagen, weil ich weiß, daß es sosehr gegen die gemeine Vorstellung geht." Platon läßt den Glaukon erwidern: "Sokrates, du hast ein solches Wort und Sache ausgesprochen, daß du dir vorstellen mußt, es werde eine Menge, und das nicht schlechte Leute, ihre Mäntel abwerfen und nach der nächsten besten Waffe greifen und samt und sonders in geschlossenem Gliede auf dich losgehen; und wenn du sie nicht mit Gründen zu besänftigen wissen wirst, so wirst du es schwer zu büßen haben."68)

Platon fordert die Philosophie schlechthin an die Regenten der Völker, stellt hier die Notwendigkeit dieser Verbindung der Philosophie und der Regierung auf. Was diese Forderung betrifft, so ist dies zu sagen.    >>>


68) De republica [Politeia] V, 471-474

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