2. Gnostiker
Bei den Gnostikern machen ähnliche Bestimmungen die Grundlage aus. Der Herr Professor Neander hat sie sehr gelehrt gesammelt und ausführlich bearbeitet; einige Formen entsprechen denen, die wir angegeben haben. Einer der ausgezeichnetsten Gnostiker ist Basilides. Bei ihm ist auch das Erste der unsagbare Gott (ϑεὸς ἄϱϱητος), - der Ensoph der Kabbala; er ist als τὸ ὄν, ὁ ὤν, namenlos (ἀνωνόμαστος), unmittelbar, auch bei Philon. 7) Das Zweite ist dann der νους, der Erstgeborene, λόγος, σοϕία, das Betätigende (δύναμις), in näherer Bestimmung die Gerechtigkeit (διϰαιοσύνη) und der Frieden (εἰϱήνη). Hierauf folgen weiter bestimmte Prinzipien, die Basilides Archonten nennt, Häupter von Geisterreichen. Eine Hauptsache dabei ist wieder die Rückkehr, der Läuterungsprozeß der Seele, die Ökonomie der Reinigung (οἰϰονομία ϰαϑάϱσεων); aus der ὕλη muß die Seele zur σοϕία, zur εἰϱήνη zurückkommen. Das Urwesen trägt alle Vollkommenheit in sich verschlossen, aber nur alspotentia; der Geist (νους), der Erstgeborene ist erst die erste Offenbarung des Verborgenen. Auch alle geschaffenen Wesen können nur durch die Verbindung mit Gott an der wahren Gerechtigkeit und dem daraus herrührenden Frieden Teil erhalten. 8)
Das Erste nennen die Gnostiker, z. B. Marcus, auch das Undenkbare (ἀνεννόητος) und sogar das Nichtseiende (ἀνούσιος), was nicht zur Bestimmtheit fortgeht, die μονότης. Sie nennen es auch die reine Stille (σιγή); das Andere sind dann die Ideen, Engel, die Äonen. Diese sind die Wurzeln, Samen der besonderen Erfüllung (λόγοι, ϱ̔ίζαι, σπέϱματα, πληϱώματα, ϰαϱποί) jeder Äone trägt seine eigene Welt in sich. 9)
Bei anderen, z. B. Valentin, heißt das Erste auch Äon oder das Unergründliche, der Urgrund, absolute Abgrund (βυϑος), worin alles ist als aufgehoben, - oder πϱοάϱχη, was vor dem Prinzip ist, oder πϱοπάτωϱ, vor dem Anfang, was noch vor dem Vater ist. Dieser ist das Tätige. Der Übergang, die Auseinanderlegung des Einen ist dann διάϑεσις, und dies Weitere wird auch genannt das Sichbegreiflichmachen des Unbegreiflichen (ϰατάληψις του ἀϰαταλήπτου), was wir bei den Stoikern als ϰατάληψις gesehen haben. Diese Begriffe sind die Äonen, die besonderen διαϑέσεις: die Äonenwelt heißt dann auch Erfüllung (πλήϱωμα). Das Zweite heißt auch die Begrenzung (ὅϱος); und insofern die Lebensentwicklung näher im Gegensatze gefaßt wird, so wird sie bestimmt als in zwei Prinzipien enthalten, in der Form des Männlichen und Weiblichen. Das eine ist das πλήϱωμα des anderen; aus ihrer Verbindung (συζυγία) gehen die Erfüllungen (πληϱώματα) hervor, sie ist erst das Reale. Jedes hat sein es Integrierendes (σύζυγος); der Inbegriff dieser πληϱώματα ist die Äonenwelt überhaupt, das allgemeine πλήϱωμα des βυϑος. Jener Abgrund heißt daher auch Hermaphrodit, Mannweib (ἀϱϱενόϑηλυς). 10)
Ptolemaios schreibt dem βυϑος zwei συζύγους zu, zwei διαϑέσεις, welche durch alles Dasein vorausgesetzt werden, ϑέλημα ϰαὶ ἔννοια. 11) Krause, bunte Formen treten hier ein. Die Grundbestimmung ist dieselbe; Abgrund und Enthüllung ist die Hauptsache. Die Offenbarung, was herabgekommen ist, ist auch Herrlichkeit (δόξα, Schechinah) Gottes, σοϕία οὐϱάνιος (sie selbst ist ὅϱασις του ϑεου), δυνάμεις ἀγένητοι, αἳ πεϱὶ αὐτὸν οὐσαι λαμπϱότατον ϕως ἀπαστϱάπτουσι, die Ideen, λόγος: oder vorzugsweise der Name Gottes (τὸ ὄνομα του ϑεου, πολυώνυμος), dieser Demiurg; das ist Erscheinen Gottes, Bestimmung. 12) - Alle diese Formen gehen in das Trübe. Die Grundlagen sind im ganzen dieselben Bestimmungen; und das allgemeine Bedürfnis ist eben dies, das, was an und für sich ist, als das Konkrete zu bestimmen und zu fassen. - An diese Formen habe ich jedoch nur erinnern wollen, um auf ihren Zusammenhang mit dem Allgemeinen hinzudeuten; es liegt dabei ein tiefes Bedürfnis der konkreten Vernunft zugrunde.
Die Kirche hat den Gnostizismus verworfen, weil er teils im Allgemeinen stehenblieb oder die Vorstellung in Form der Einbildungskraft faßte und diese Vorstellung dem wirklichen Selbstbewußtsein, dem Christus im Fleische (Χϱιστὸς ἐν σαϱϰί) entgegengesetzt war. 13) Denn die Doketen sagten z. B., Christus hatte nur Scheinleib, Scheinleben; der Gedanke war nur Hintergrund. Die Kirche hielt dagegen fest an der bestimmten Gestalt der Persönlichkeit; sie hielt das Prinzip der konkreten Wirklichkeit fest.
7) Neander, Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme, S. 10; Philon, De nominum mutatione, p. 1046
8) Neander, Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme, S. 33-34
9) Neander, Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme, S. 168, 170-171
10) Neander, Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme, S. 94-97
11) Neander, Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme, S. 160
12) Neander, Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme, S. 10-13
13) Neander, Genetische Entwicklung der vornehmsten gnostischen Systeme, S. 43
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