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1. Das System der Zahlen
Das Alte also, der einfache Hauptsatz der pythagoreischen Philosophie ist, "daß die Zahl das Wesen aller Dinge und die Organisation des Universums überhaupt in seinen Bestimmungen ein harmonisches System von Zahlen und deren Verhältnissen ist"38) . Hierbei erscheint uns zunächst verwundersam die Kühnheit einer solchen Rede, die alles, was der Vorstellung als seiend oder als wesenhaft (für wahr) gilt, auf einmal so niederschlägt und das sinnliche Wesen vertilgt und es zum Wesen des Gedankens macht. Das Wesen wird als unsinnlich ausgedrückt und so etwas dem Sinnlichen, der sonstigen Vorstellung ganz Heterogenes zur Substanz und zum wahrhaften Sein erhoben und ausgesprochen.
Eben damit aber ist die Notwendigkeit der Bewegung des Denkens gesetzt: in welchem Sinne dieser Satz zu nehmen sei, was die Zahl ist; - d. h. die Zahl selbst sowohl zum Begriffe zu machen, als die Bewegung ihrer Einheit mit dem Seienden darzustellen. Denn unmittelbar eins ist sie uns nicht; und ebensowenig erscheint uns die Zahl als Begriff. Sinn und Beweis ist, daß wir verstehen die Bewegung der Sache selbst; das Verstehen ist nicht zufälliges Bewegen außer der Sache, - zu unserem Behuf.
Obwohl nun zwar dieses Prinzip für uns etwas Bizarres und Desperates hat, so liegt doch darin: Die Zahl ist das nicht bloß Sinnliche; dann bringt sie sogleich die Bestimmung, die allgemeinen Unterschiede, Gegensätze mit sich. Darüber haben die Alten ein sehr gutes Bewußtsein gehabt. Aristoteles39) führt aus Platon an, er habe angegeben, daß das Mathematische der Dinge sich außerhalb des bloß Sinnlichen und der Ideen befinde, zwischen beiden. Es sei vom Sinnlichen verschieden, dadurch daß es (die Zahl) unendlich (ein Unsinnliches) und unbewegt (unveränderlich) sei. Von den Ideen sei es dadurch unterschieden, daß sie Vielheit enthalte und sich deshalb einander ähnlich und gleich sein könne; die Idee (das Allgemeine, die Gattung) sei jede für sich nur eines; - die Zahl ist aber wiederholbar. Die Zahl ist also nicht sinnlich, aber auch noch nicht der Gedanke.
In dem Leben des Pythagoras von Malchos (Name des Porphyrios) wird dies noch näher angegeben40) : "Pythagoras trug die Philosophie auf eine Weise vor, um den Gedanken von seiner Fessel zu lösen. Ohne den Gedanken ist nichts Wahres zu erkennen und zu wissen. Der Gedanke hört und sieht alles in sich selbst; das Andere (Sinnliche) ist lahm und blind. Zur Erreichung seines Zweckes bedient sich Pythagoras des Mathematischen, weil dies in der Mitte steht zwischen dem Sinnlichen und Gedanken" (Allgemeinen, Übersinnlichen), "als Form der Vorübung zu dem, was an und für sich ist." Ferner führt Malchos eine Stelle aus einem Früheren (Moderatos) an41) : "Weil die Pythagoreer das Absolute und die ersten Prinzipien nicht deutlich durch Gedanken ausdrücken konnten, so gerieten sie auf die Zahlen, das Mathematische, weil sich so die Bestimmungen leicht angeben lassen", z. B. Einheit, Gleichheit, das Prinzip als Eins, die Ungleichheit als Zweiheit. "Diese Lehrweise durch die Zahl, weil es die erste Philosophie war, ist ausgelöscht, um des Rätsels willen, was sie enthält. Platon, Speusipp, Aristoteles usf. haben dann den Pythagoreern die Früchte gestohlen durch leichte Anwendung", - durch die wohlfeile Bestimmung, Gedankenbestimmungen zu setzen für die Zahl. In diesen Stellen ist vollkommenes Bewußtsein über die Zahl vorhanden.
Das Rätselhafte der Bestimmung durch die Zahl ist die Hauptsache. Wir müssen unterscheiden α) den reinen Gedanken, Begriff als Begriff; β) alsdann die Realität und den Übergang in sie. Die arithmetischen Zahlen 1, 2, 3 usf. entsprechen Gedankenbestimmungen. Die Zahl aber ist α) ein Gedanke, der das Eins zum Element und zum Prinzip hat. Das Eins ist eine Kategorie des qualitativen Seins, und zwar des Fürsichseins, des so mit sich Identischen, daß es alles andere aus sich ausschließt, - für sich bestimmt, gleichgültig gegen Anderes; und die weiteren Bestimmungen sind nur Zusammensetzungen, Wiederholungen des Eins, worin das Element des Eins immer fest und ein Äußerliches bleibt. Die Zahl ist die toteste, begrifflose, gleichgültige, unentgegengesetzte Kontinuität. Wir zählen fort 1, 2, und fügen zu jedem Eins eins hinzu, - ganz ein äußerlicher, gleichgültiger Fortgang (und Zusammenfügen), der ohne Notwendigkeit ist, wo er abgebrochen werden soll, und ohne Verhältnis. Die Zahl ist so nicht unmittelbar Begriff, - das Extrem des Gedankens, des Begriffs in seiner höchsten Äußerlichkeit, in der Weise des Quantitativen, des gleichgültigen Unterschiedes. Das Eins ist ein allgemeiner Gedanke, aber, als ausschließend, der sich selbst entäußernde Gedanke; es enthält hierdurch β) die Bestimmung der Äußerlichkeit der Anschauung und hat insofern (wie die Schemate Kants) sowohl das Prinzip des Gedankens als noch der Materialität in sich, - die Bestimmung des Sinnlichen. Dies ist das Feste, sich Äußerliche; so ist das Eins und alle Formen 2, 3 usw. mit dieser innerlichen Äußerlichkeit behaftet. Es ist Anfang von Gedanke, aber die schlechteste Weise; es ist noch nicht der Gedanke, das Allgemeine für sich. Daß etwas die Form des Begriffs habe, muß es unmittelbar an ihm selbst, als bestimmt sich auf sein Gegenteil beziehen, - ein Begriff, diese einfache Bewegung. Positiv z. B. und negativ beziehen sich unmittelbar jedes auf ihr Entgegengesetztes. So nicht die Zahl; sie ist bestimmt, aber ohne Entgegensetzung, gleichgültig. Hingegen im Gedanken, im Begriff, da ist die Einheit, Idealität der Unterschiede, - die Negation des Selbständigen ist da die Hauptbestimmung. Dagegen sind z. B. in der Drei immer drei Einzelne, jedes selbständig; dies ist das Mangelhafte, das Rätselhafte, - drei sollen erst einen Gedanken bedeuten. Der Gedanke muß sich hervorheben; es sind eine Menge von Verhältnissen möglich, die jedoch ganz unbestimmt, willkürlich und zufällig bleiben.
So in dieser gleichgültigen Weise nahmen nun die Pythagoreer die Zahlen nicht, sondern als Begriff. "Daß etwas Unkörperliches Prinzip sein müsse, bewiesen die Pythagoreer."42) Zum Urwesen oder absoluten Begriffe aber machten sie die Zahlen. Wie sie darauf gekommen, erhellt näher aus dem, was Aristoteles darüber sagt43) : "Sie haben nämlich in den Zahlen viel mehr Ähnlichkeiten mit dem, was ist und was geschieht, zu sehen geglaubt als in Feuer, Wasser, Erde; weil die Gerechtigkeit eine gewisse Eigenschaft der Zahlen ist" (τοιονδὶ πάϑος), nämlich ein Immaterielles, Unsinnliches, "ebenso (τοιονδὶ) die Seele, der Verstand, eine andere die Zeit und so weiter. Weil sie ferner von dem, was harmonisch ist, die Eigenschaften und Verhältnisse in den Zahlen gesehen - und weil die Zahlen", d. i. das Maß, "das Erste in allen natürlichen Dingen seien (πάσης της ϕύσεως πϱωτοι); daher haben sie die Zahlen als die Elemente (στοιχεια) von allem betrachtet und den ganzen Himmel als eine Harmonie und Zahl."
Es zeigt sich Bedürfnis α) der einen bleibenden allgemeinen Idee, β) der Gedankenbestimmung. Aristoteles44) , von den Ideen sprechend, sagt: Nach Heraklit fließe alles Sinnliche, also könne nicht eine Wissenschaft des Sinnlichen sein; daher die Ideen. Sokrates sei der erste, der durch Induktionen das Allgemeine bestimmte; die Pythagoreer vorher berührten nur weniges, wovon sie die Begriffe auf Zahlen zurückführten: z. B. was Zeit, oder Recht, oder Ehe sei. - Wir müssen wissen, was nottut, um die Spuren der Idee zu erkennen und zu wissen, was ein Fortschritt ist; am Inhalt selbst ist nicht zu erkennen, welches Interesse es haben kann.
Dies ist nun das ganz Allgemeine der pythagoreischen Philosophie. Das Mangelhafte dieses Prinzips für den Ausdruck von Gedanken ist bereits bemerklich gemacht. Das Eins ist nur das ganz abstrakte Fürsichsein, ist Äußerlichkeit für sich selbst; die weiteren Zahlen sind dann ganz äußerliche mechanische Zusammenstellungen dieser Eins. Da nun die Natur des Begriffs das Innerliche ist, so sind die Zahlen so das Untauglichste, Begriffsbestimmungen auszudrücken. Es ist Vorurteil, daß Zahlen, Figurationen des Raums fähig wären, das Absolute auszudrücken.
Das Nähere ist die Bedeutung der Zahl. Zahl und Maß ist die Grundbestimmung. Daß die Zahl als solche das Wesen der Dinge ist, ist nicht so zu nehmen, als ob in allem Zahl und Maß sei. Wenn wir so sagen, alles ist quantitativ und qualitativ bestimmt, so ist die Größe und das Maß nur eine Eigenschaft, eine Seite der Dinge. Der Sinn aber ist hier, daß die Zahl selbst das Wesen der Dinge ist; das ist nicht Form, sondern Substanz.
Wir haben nun noch die Bestimmungen, die allgemeine Bedeutung zu betrachten. Teils erscheinen nun in dem pythagoreischen Systeme die Zahlen selbst als Gedankenbestimmungen, nämlich zunächst überhaupt der Einheit, des Gegensatzes und der Einheit dieser beiden Momente; teils gaben die Pythagoreer von der Zahl überhaupt allgemeine ideelle Bestimmungen als Prinzipien an "und erkannten als absolute Prinzipien der Dinge" nicht sowohl die unmittelbaren Zahlen in ihrem arithmetischen Unterschiede, als vielmehr "die Prinzipien der Zahl", d. i. deren Begriffsunterschiede.45)
Die erste Bestimmung ist die Einheit überhaupt, die andere Bestimmung ist die Zweiheit; wir sehen den Gegensatz hervortreten. Es ist darum zu tun (äußerst wichtig), die unendliche Mannigfaltigkeit der Formen und Bestimmungen (der Endlichkeit) auf ihre allgemeinen Gedanken zurückzuführen, als die Prinzipien aller Bestimmung (die einfachsten Bestimmungen). Es sind nicht Unterschiede der Dinge voneinander, sondern in sich allgemeine wesentliche Unterschiede. Empirische Gegenstände unterscheiden sich durch äußerliche Gestalt - dies Stück Papier von einem anderen, Schattierung von Farbe -, Menschen durch Unterschiede des Temperaments, der Individualität. Aber diese Bestimmungen, wodurch sie sich unterscheiden, sind keine wesentlichen, - wohl wesentlich für ihre bestimmte Besonderheit, aber nicht an und für sich; diese ganze bestimmte Besonderheit Tintenfaß, dies Stück Papier ist keine wesentliche Existenz, nur das allgemeine ist wesentlich, das sich Erhaltende, Substantielle. Das Erste ist der allgemeine Gegensatz, das Weitere die Fortbestimmung, Umformung, verschiedene Gestaltung, - selbst nur eine Verdichtung jenes Gegensatzes selbst. Z. B. Einheit und Vielheit, und die Einheit beider ist die Größe; diese ist selbst unter der Einheit und Vielheit gesetzt - Bestimmungen, welche alsdann Form sind: extensive und intensive Größe. Die Stärke des Lichts, als Intension der Beleuchtung, ist extensiv, welche große Fläche sich noch beleuchten lasse.
Damit hat Pythagoras den Anfang gemacht. Diese Bestimmungen sind meist Zahlen; die Pythagoreer sind aber nicht dabei stehengeblieben, haben ihnen konkretere Bestimmungen gegeben, welche vornehmlich den Späteren angehören. Notwendigkeit des Fortgangs, Beweisen ist hier nicht zu suchen; das Begreifen, die Entwicklung der Zweiheit aus der Einheit fehlt. Die allgemeinen Bestimmungen werden nur gefunden und festgesetzt auf ganz dogmatische Weise; so sind es trockene, prozeßlose, nicht dialektische, ruhende Bestimmungen.
a) Die Pythagoreer sagen, der erste einfache Begriff ist die Einheit; nicht das arithmetische Eins, als absolut diskret, ausschließend, negativ, sondern Einheit als Kontinuität, Positivität; nicht viele Eins, sie ist nur Eine. Es ist das ganz allgemeine Wesen. Sie sagen ferner: Jedes Ding ist Eins, und "die Dinge sind dies Eins durch die Teilnahme an dem Eins", und das letzte Wesen eines Dinges oder die reine Betrachtung seines Ansichseins ist Eins.46) D. h. nach allem anderen ist es nicht an sich, sondern Beziehung auf Anderes; Ansichsein heißt eben nur Sichselbstgleichsein, oder es ist die Sichselbstgleichheit selbst, das Formlose. Dies ist eine merkwürdige Beziehung. Das Eins ist das trockene, abstrakte Eins; die Dinge sind weit mehr bestimmt als dasselbe. Welches ist nun die Beziehung des ganz abstrakten Eins und des konkreten Seins der Dinge zueinander? Dies Verhältnis der allgemeinen Bestimmungen zu den konkreteren Existenzen haben die Pythagoreer durch "Nachahmung" ausgedrückt (μίμησις). Dieselbe Schwierigkeit, auf die wir hier stoßen, findet sich auch bei den Ideen des Platon. Die Idee ist die Gattung, ihr gegenüber ist das Konkrete; die nächste Bestimmung ist natürlich die der Beziehung des Konkreten auf das Allgemeine, ein wichtiger Punkt. Aristoteles47) schreibt den Ausdruck Teilnahme (μέϑεξις) dem Platon zu, der damit den pythagoreischen Ausdruck "Nachahmung" vertauscht habe. Nachahmung ist ein bildlicher, kindlicher, ungebildeter Ausdruck für das Verhältnis; Teilnahme ist allerdings schon bestimmter. Aber Aristoteles sagt mit Recht, daß beides ungenügend sei: Platon habe hier auch nicht weiter entwickelt, sondern nur einen anderen Namen substituiert; es sei ein leeres Gerede.48) Nachahmung und Teilnahme sind nichts weiter als andere Namen für Beziehung; Namen geben ist leicht, ein anderes aber ist das Begreifen.
b) Das Nächste ist Gegensatz. Die Einheit ist Identität, Allgemeinheit; das zweite ist die Zweiheit (δυάς), der Unterschied, das Besondere. Diese Bestimmungen gelten noch jetzt in der Philosophie; Pythagoras hat sie zuerst zum Bewußtsein gebracht. Die Pythagoreer haben gleich am Anfang nicht dabei stehenbleiben können, das 1, 2, 3 als Prinzip auszusprechen; es haben nähere Kategorien damit verbunden werden müssen, nähere Denkbestimmungen. So kommt bei der Zweiheit der Gegensatz vor. Wie nun diese Einheit sich zur Vielheit oder diese Sichselbstgleichheit zum Anderssein verhalte, hierüber werden dann verschiedene Wendungen möglich; und die Pythagoreer haben sich auch verschiedentlich darüber ausgedrückt - über die Formen, die dieser erste Gegensatz annimmt. Zwei ist sogleich der Gegensatz gegen Eins. Aristoteles führt an49) , wie die Pythagoreer diesen Gegensatz von Eins und Zwei gefaßt haben. Die Elemente der Zahl, Einheit und Zweiheit, sind noch nicht Zahlen. "Die Pythagoreer haben gesagt: Die Elemente der Zahl sind das Gerade und Ungerade", der Gegensatz mehr in der arithmetischen Form, - "dies als das Begrenzte" (oder Prinzip der Begrenzung), "jenes als das Unbegrenzte", Gedanken als Elemente der unmittelbaren Zahlen; "so daß das Eins selbst aus beiden und dann aus diesem die Zahl sei", da z. B. Drei drei Eins sind und Drei auch eins ist. Und zwar ist Eins so das Prinzip, daß es auch selbst noch keine Zahl ist, d. i. keine Anzahl. Ganz recht, denn zur Zahl gehört: α) die Einheit und β) die Anzahl; γ) im Eins sind beide ein und dasselbe, also ist im Eins die Anzahl nur in einem negativen Sinne. "Eins ist dabei gerade und ungerade." Denn sie sagen: "Eins zum Geraden gesetzt, macht Ungerades" (2 + 1 = 3), "zu dem Ungeraden, macht Gerades" (3 + 1 = 4); es hat die Eigenschaft, gerade zu machen, und so muß es selbst gerade sein.50) Die Einheit also selbst an sich enthält die unterschiedenen Bestimmungen. Das Unbegrenzte (Unbestimmte) und die Grenze (das Bestimmte) ist nichts anderes als der Gegensatz der Einheit und des Eins; Eins ist die absolute Diskretion, d. h. das rein Negative, - Einheit: Sichselbstgleichheit.
Verfolgen wir die absolute Idee in der ersten Weise: Der Gegensatz ist die unbestimmte Zweiheit (ἀόϱιστος δυάς). Die μονάς oder ἑνάς drückt noch nicht das Eins als solches aus, so auch die δυάς noch nicht das Zwei als solches. Es ist nur eine Dyas, durch Teilnahme an der alle zählbaren Zahlen entstehen. Näher bestimmt Sextus51) dies so: "Die Einheit nach ihrer Identität mit sich gedacht" (ϰατʼ αὐτότητα ἑαυτης νοουμένη, Ansich) "ist Einheit (μονάς). Wenn diese selbe sich zu sich selbst als eine verschiedene hinzufügt" (ἐπισυντεϑεισα ἑαυτῃ ϰαϑʼ ἑτεϱότητα, abstrakte Vielheit), "so wird die unbestimmte Zweiheit: weil keine von den bestimmten oder sonst begrenzten Zahlen diese Zweiheit ist, alle aber erkannt werden durch die Teilnahme an ihr, wie von der Monas gesagt worden. Es sind hiernach zwei Prinzipien der Dinge", die Götter: "die erste Monade, durch Teilnahme an welcher alle Zahlenmonaden Monaden sind; ebenso die unbestimmte Dyas, durch deren Teilnahme alle bestimmten Zweiheiten Zweiheiten sind". Es erhellt: α) daß die Zweiheit ebenso als Moment des Wesens oder Begriff allgemein ist; β) im Gegensatze, ihn mit anderen Bestimmungen gedacht, so kann entweder die Einheit oder Zweiheit als die Form und die Materie gedacht werden, und beides kommt bei den Pythagoreern vor. αα) Die Einheit ist das Sichselbstgleiche, das Formlose; die Zweiheit aber ist das Ungleiche, in sie fällt das Entzweien oder Form. Von der Dyas sagen sie, daß durch Teilnahme daran alles bestimmt, begrenzt werde; hiernach die Zweiheit das Bestimmte, Begrenzte, Viele. Dies kehrt sich jedoch in anderen Darstellungen wieder um. ββ) Nehmen wir dagegen die Form als einfach - Tätigkeit ist absolute Form -, so ist das Eins die Form, das Tätige, Bestimmende, und die Zweiheit als Möglichkeit der Vielheit, nicht gesetzte Vielheit (so als einfacher Gedanke, ununterschieden), die Materie, und die Zweiheit tritt an die Stelle der ersten Einheit. Dies sagt Aristoteles, daß es Platon angehöre. Aristoteles52) schreibt es dem Platon zu, daß er zum Unbestimmten die Dyas gemacht habe und das Eins zum Bestimmten; es ist jedoch nicht das, was wir unter Grenze verstehen, hier gemeint, sondern das Begrenzende. Eins hat sogleich verschiedene Bedeutungen: Einheit (ἄπειϱον) und Subjektivität. Das Prinzip der Subjektivität, Individualität ist allerdings höher als das Unbestimmte, das Unendliche; dies ist dagegen das Bestimmungslose, Abstrakte; das Subjekt, der νους, ist das Bestimmende, die Form. Platon soll also das Unendliche, Unbestimmte zur Zweiheit gemacht haben; die Dyas wird daher von den Pythagoreern die unbestimmte Dyas genannt.
Die weitere Bestimmung dieses Gegensatzes, worin die Pythagoreer voneinander abwichen, zeigt einen unvollkommenen Anfang der Kategorien; die Aufnahme des Gegensatzes als eines wesentlichen Moments des Absoluten hat aber überhaupt bei den Pythagoreern ihren Ursprung. Sie haben früh, wie später Aristoteles, eine Tafel von Kategorien aufgestellt (daher man dem letzteren den Vorwurf machte, von ihnen seine Denkbestimmungen entlehnt zu haben), die abstrakten und einfachen Begriffe weiter bestimmt, obzwar freilich auf eine unangemessene Art, - eine Vermischung von Gegensätzen der Vorstellung und des Begriffs, ohne weitere Deduktion oder System der Bewegung. Aristoteles53) schreibt diese Bestimmungen entweder dem Pythagoras selbst oder auch dem Alkmaion zu, "der den Pythagoras noch erlebte, so daß er es von den Pythagoreern oder diese von ihm genommen haben". Dieser Gegensätze werden zehn angegeben (zehn ist bei den Pythagoreern auch bedeutende Zahl), worauf sich alle Dinge zurückführen lassen:
1. Grenze und Unendliches 2. Ungerades und Gerades 3. Einheit und Vielheit 4. Rechts und Links 5. Männliches und Weibliches 6. Ruhendes und Bewegtes 7. Gerades und Krummes 8. Licht und Finsternis 9. Gutes und Böses 10. Quadrat und Parallelogramm
Es ist dies Versuch einer weiteren Ausbildung der Idee der spekulativen Philosophie in ihr selbst, in Begriffen. Aber weiter als auf diese α) vermischte Auflösung, β) bloße Aufzählung scheint dieser Versuch nicht gegangen zu sein. Es ist sehr wichtig, daß zunächst nur Sammlung gemacht werde (wie Aristoteles tat) von den allgemeinen Denkbestimmungen. Es ist ein roher Anfang von näherer Bestimmung der Gegensätze, - ohne Ordnung, ohne Sinnigkeit, ähnlich dem indischen Aufzählen von Prinzipien und Substanzen.
Den weiteren Fortgang dieser Bestimmungen finden wir bei Sextus. Dieser spricht gegen eine Exposition, die den späteren Pythagoreern angehört. Es ist eine sehr gute, gebildetere Darstellung der pythagoreischen Bestimmungen, die mehr dem Gedanken angehört. "Daß nun jene zwei Prinzipien von dem Ganzen (των ὁλων) die Prinzipien sind" - die allgemeinen Bestimmungen auf jene einfache, die in Zahlen ausgedrückt ist (die Einheit und Zweiheit), zurückgeführt werden sollen -, "zeigen die Pythagoreer auf mannigfaltige Weise."54) Diese Exposition hat folgenden Gang, - vorher die Sache selbst, ehe Reflexionen darüber.
1. "Es sind dreierlei Weisen (Grundbestimmungen) der Dinge (των γὰϱ ὄντων τὰ μὲν νοειται): erstens nach der Verschiedenheit, zweitens nach dem Gegensatze, drittens nach dem Verhältnisse." Dies schon zeigt eine gebildetere Reflexion; näher werden diese drei Formen so erläutert. α) "Was nach der bloßen Verschiedenheit betrachtet wird, das wird für sich selbst betrachtet; das sind die Subjekte, jedes sich auf sich beziehend: so Pferd, Pflanze, Erde, Luft, Wasser, Feuer. Es wird abgelöst (ἀπολύτως), nicht in Beziehung auf Anderes gedacht"; das ist die Bestimmung der Identität, Selbständigkeit. β) "Nach dem Gegensatze wird das eine als schlechthin dem anderen entgegengesetzt bestimmt: z. B. gut und böse, gerecht und ungerecht, heilig und unheilig, Ruhe und Bewegung usf. γ) Nach dem Verhältnis (πϱός τι) ist der Gegenstand", der als selbständig in seiner Entgegensetzung zugleich nach seiner gleichgültigen "Beziehung auf Anderes bestimmt ist" (τὰ ϰατὰ τὴν ὡς πϱὸς ἕτεϱον σχέσιν νοούμενα, als Relatives), "wie rechts und links, oben und unten, das Doppelte und das Halbe. Eins wird nur aus dem anderen begriffen - ich kann links mir nicht vorstellen, ohne zugleich auch rechts" -, aber jedes für sich gesetzt.55)
"Der Unterschied des Verhältnisses vom Gegensatze ist: α) Im Gegensatze sei das Entstehen des einen der Untergang des anderen und umgekehrt. Wenn Bewegung weggenommen wird, entsteht Ruhe; wenn Bewegung entsteht, hört die Ruhe auf. Wird Gesundheit weggenommen, so entsteht Krankheit, und umgekehrt", d. h. wird ein Entgegengesetztes als Entgegengesetztes aufgehoben; dies ist Setzen seines Gegenteils. "Hingegen das im Verhältnis, entsteht beides und hört beides zugleich auf. Ist rechts aufgehoben, so auch links"; ist das eine, so auch das andere. Das Doppelte ist zugleich mit dem, das seine Hälfte ist; "das Doppelte geht unter, sowie die Hälfte zerstört wird". Das hier Aufgehobene ist nicht nur als Entgegengesetztes, sondern auch als Seiendes; aber Sein ist ungeteilt, Gleichgültigkeit, Element.
β) "Ein zweiter Unterschied ist: Was im Gegensatze ist, hat keine Mitte; z. B. zwischen Krankheit und Gesundheit, Leben und Tod", Bösem und Gutem, "Ruhe und Bewegung gibt es kein Drittes. Hingegen was im Verhältnisse ist, hat eine Mitte: zwischen dem Größeren und Kleineren nämlich ist das Gleiche, zwischen zu groß und zu klein das Genügende (Hinreichende) die Mitte."56) Rein Entgegengesetztes geht durch die Null zum Entgegengesetzten, unmittelbare Extreme hingegen bestehen in einem Dritten; rein Entgegengesetztes hat seine Realität in der Mitte, Einheit, - aber dann nicht mehr als Entgegengesetztes. Es zeigt diese Darstellung allgemeine logische Bestimmungen, die jetzt und immer von der höchsten Wichtigkeit sind; es ist eine Aufmerksamkeit auf die ganz allgemeinen Bestimmungen, die in allen Vorstellungen, in allem was ist, Momente sind. Die Natur dieser Gegensätze ist zwar hier noch nicht betrachtet, aber es ist von Wichtigkeit, daß sie zum Bewußtsein gebracht werden.
2. "Da nun diese drei Gattungen sind, die Subjekte und der gedoppelte Gegensatz, so muß über jeder eine Gattung sein (τούτων ἐπάνω γένος), welche das Erste ist, weil die Gattung vor den Arten ist (πϱοϋπάϱχει των ὑπʼ αὐτὸ τεταγμένων εἰδων)"; sie ist das Herrschende, Allgemeine. "Wird das Allgemeine aufgehoben, so ist auch die Art aufgehoben, hingegen wenn die Art, nicht die Gattung; denn sie hängt davon ab (ἤϱτηται ἐξ ἐϰείνου), aber nicht umgekehrt. α) Als die oberste Gattung" (τὸ ἐπαναβεβηϰός, transcendens), das Allgemeinste, oder das Wesen "desjenigen, was als an und für sich seiend betrachtet wird" (der Subjekte, der Verschiedenen), "haben die Pythagoreer das Eins gesetzt" (τὸ ἕν). Es ist dies eigentlich nichts anderes als die Begriffsbestimmungen in Zahlen umgesetzt. β) "Was im Gegensatze ist, hat zur Gattung, sagen sie, das Gleiche und das Ungleiche (τὸ ἰσον ϰαὶ τὸ ἀνισον). Ruhe ist das Gleiche, denn sie ist keines Mehr oder Weniger fähig; Bewegung aber das Ungleiche. So was nach der Natur, ist sich gleich - eine Spitze, die keiner Intension fähig ist (ἀϰϱότης γὰϱ ἠν ἀνεπίτατος) -, was ihr entgegen, ungleich; Gesundheit ist das Gleiche, Krankheit das Ungleiche. γ) Die Gattung dessen, was im gleichgültigen Verhältnisse ist, ist der Überschuß und Mangel (ὑπεϱοχὴ ϰαὶ ἐλλειψις), Mehr und Minder" - quantitativer Unterschied wie qualitativer Unterschied.57)
3. Die zwei Gegensätze. "Diese drei Gattungen dessen, was für sich ist, im Gegensatze und im Verhältnisse, müssen nun selbst wieder unter" noch einfachere, höhere "Gattungen" (Denkbestimmungen) "fallen. Die Gleichheit reduziert sich auf die Bestimmung der Einheit"; die Gattung der Subjekte ist dies schon für sich selbst. "Die Ungleichheit aber besteht in dem Überschuß und Mangel; diese beiden aber fallen unter die unbestimmte Dyas", sie sind der unbestimmte Gegensatz, Gegensatz überhaupt. Es scheinen zunächst zwei Prinzipien zu sein, Einheit und Zweiheit; Gegensatz aber, Vielheit ist das Einfache, - reine Tätigkeit, das Negative oder die Grenze ist einfach. Die unbestimmte Dyas ist: nicht gesetzter Gegensatz, reine Tätigkeit überhaupt. "Aus allen diesen Verhältnissen geht also die erste Einheit und die unbestimmte Zweiheit hervor." Die Pythagoreer sagten, wir finden, daß dies die allgemeinen Weisen der Dinge sind. "Aus diesen kommt erst das Eins der Zahl und das Zwei der Zahl; von der ersten Monas das Eins, von der Monas und der unbestimmten Dyas das Zwei: denn zweimal das Eins ist Zwei." So wird hier die 1, 2, 3 usf. als untergeordnet gesetzt. "So entstehen die übrigen Zahlen, indem die Monas sich fortbewegt (του ἑνὸς ἀεὶ πεϱιπατουντος) und die unbestimmte Dyas das Zwei erzeugt." Dieser Übergang des qualitativen in den quantitativen Gegensatz ist nicht deutlich. "Daher unter diesen Prinzipien die Monas das tätige Prinzip ist" - Form, wie oben (S. 244), "die Dyas aber die passive Materie. Und wie sie aus ihnen die Zahlen entstehen lassen, so auch das System der Welt und was in ihr ist."58) Eben dies ist die Natur dieser Bestimmungen, überzugehen, sich zu bewegen. Dies ist eine gebildetere Reflexion, die allgemeinen Gedankenbestimmungen mit der 1, 2, 3 zu verbinden und diese als Zahlen unterzuordnen und dagegen die allgemeine Gattung zum Ersten zu machen.
Ehe ich von der weiteren Verfolgung dieser Zahlen etwas erwähne, ist zu bemerken, daß sie, wie wir sie so vorgestellt sehen, reine Begriffe sind: Einheit, Zweiheit und der Gegensatz von Eins als Grenze, die unbestimmte Zweiheit, - Allgemeine, welche wesentlich nur sind durch Beziehung auf das Entgegengesetzte oder in denen die Bestimmtheit als das Wesentliche ist. Bei Zahlen als Zahlen ist drei zwar nur drei; aber es ist so gesetzt, daß es gleichgültig sei, bei dieser Bestimmung stehenzubleiben oder weiterzugehen. Einheit und Dyas sind selbst Eins; denn Dyas als Zweiheit, Vielheit ist einfach. Wir sehen: α) den differenten oder qualitativen Gegensatz, die Monas (Hermaphrodit) entgegengesetzt in sie selbst und in die Zweiheit, Einheit und reine Vielheit, - absoluter Gegensatz, eins das andere aufhebend und zugleich sein Wesen in diesem Gegensatze habend; und β) den quantitativen, die Gleichgültigkeit der Bestehenden; γ) αα) die individuelle Einheit hiervon, Subjekt, ββ) die allgemeine Einheit derselben. In den quantitativen Unterschied fällt die Vielheit der gleichgültigen Dinge oder der Fürsichseienden; ihre reinste Bestimmtheit oder bestimmtes Wesen ist die Zahl. Unorganischer Dinge wesentliche Bestimmtheit ist spezifische Schwere; Pflanzen, Tiere haben einfache Bestimmtheit durch Zahlen. Das absolut einfache Wesen entzweit sich in Einheit und Vielheit, in den differenten Gegensatz, der zugleich besteht, Sein hat, wie die reine Differenz die Negativität ist; und seine Rückkehr in sich selbst ist ebenso die negative Einheit, das individuelle Subjekt, und das Allgemeine oder Positive, und beide sind Einheit.
Dies ist in der Tat die reine spekulative Idee des absoluten Wesens, es ist diese Bewegung; bei Platon ist die Idee keine andere. Das Spekulative tritt hier als spekulativ hervor. Derjenige, der das Spekulative nicht kennt, hält nicht dafür, daß mit einer Bezeichnung solcher einfachen Begriffe das absolute Wesen ausgesprochen sei. Eins, Viele, Gleiches, Ungleiches, Mehr, Minder sind triviale, leere, trockene Momente. Daß in ihren Verhältnissen das absolute Wesen, der Reichtum und die Organisation der natürlichen wie der geistigen Welt befaßt sei, scheint dem, der an die Vorstellung gewöhnt, aus dem sinnlichen Wesen nicht in den Gedanken zurückgegangen: daß Gott im spekulativen Sinne damit ausgesprochen ist, das Erhabenste in diesen gemeinen Worten, das Tiefste in diesen bekannten, oben- und offenliegenden, das Reichste in der Armut dieser Abstraktionen.
Zunächst im Gegensatze gegen die gemeine Realität, überhaupt aber die Gattung, das Allgemeine aller Realität ist eben diese Entzweiung, die Konstruktion, die Vielheit des einfachen Wesens, sein Gegensatz und das Bestehen desselben, - quantitativer Unterschied. Diese Idee hat also die Realität an ihr selbst; sie ist der wesentliche, einfache Begriff der Realität, - die Erhebung in den Gedanken, aber nicht als Flucht aus dem Realen, sondern das Reelle selbst in seinem Wesen ausdrückend. Wir finden hier die Vernunft, welche ihr Wesen ausdrückt, und die absolute Realität ist unmittelbar die Einheit selbst.
In Beziehung auf diese Realität nun ist es vorzüglich, daß die Schwierigkeit der nicht spekulativ Denkenden weit auseinandergegangen; oder: was ist das Verhältnis derselben zur gemeinen Realität? Es ist damit gegangen wie mit den Platonischen Ideen, die diesen Zahlen oder vielmehr reinen Begriffen ganz nahe sind. Nämlich die nächste Frage ist: "Die Zahlen, wo sind sie? Geschieden durch den Raum, im Himmel der Ideen für sich wohnend? Sie sind nicht unmittelbar die Dinge selbst; denn ein Ding, eine Substanz ist doch etwas anderes als eine Zahl, - ein Körper hat gar keine Ähnlichkeit damit." α) Die Pythagoreer meinten damit gar nicht etwa das, was man unter Urbildern versteht59) , als ob die Ideen, Gesetze und Verhältnisse der Dinge, in einem schaffenden Verstande vorhanden wären, als Gedanken eines Bewußtseins, Ideen in dem göttlichen Verstande, abgetrennt von den Dingen, wie die Gedanken eines Künstlers von seinem Werke, β) meinten sie damit noch viel weniger Gedanken in unserem Bewußtsein, da wir die absolut entgegengesetzten als Erklärungsgründe von den Eigenschaften der Dinge geben, etwas Subjektives, das nur in unserem Gedanken so ist, - sondern bestimmt die reale Substanz der Seienden, so daß jedes, das nächste beste Seiende wesentlich nur dies ist, dies sein Sein ist: α) Eins zu sein, β) Monas und die Dyas an ihm zu haben, und ihren Gegensatz und Beziehung; so ist jedes Ding, und gerade sein Sein ist dies, daß es so ist.
Aristoteles sagt es ausdrücklich60) , es sei "den Pythagoreern eigentümlich, daß das Begrenzte und das Unendliche und das Eine nicht andere Naturen seien", aus denen die Dinge hervorgehen, entstehen und darein zurückgehen, - sie gaben ihnen nämlich nicht eine andere Realität als den Dingen, "wie Feuer usf., sondern betrachteten solche wie das Unendliche und das Eins als die Substanz der Dinge selbst, von welchen sie es prädizieren; und die Zahl sei das Wesen von allem". "Sie sondern die Zahlen nicht von den Dingen ab; sondern sie gelten ihnen für die Dinge selbst." "Die Zahl ist das Prinzip (ἀϱχή) und die Materie (ὑλη) der Dinge sowie ihre Eigenschaften und Kräfte" - also der Gedanke, Substanz, oder das Ding, was es im Wesen des Gedankens ist.
Diese abstrakten Bestimmungen sind dann konkreter bestimmt worden - vorzüglich von den Späteren, Iamblichos, Porphyrios, Nikomachos, bei ihren Spekulationen über Gott - durch religiöse Vorstellungen (arithmetische Theologumena). Sie suchten die Bestimmungen der Volksreligion zu erheben, indem sie solche Gedankenbestimmungen hineinlegten. Unter Monas haben sie nichts anderes als Gott verstanden. Sie nennen sie Gott, den Geist, den Hermaphroditen (der beide Bestimmungen in sich enthält, ebensowohl Gerades als Ungerades), auch die Substanz, auch die Vernunft, das Chaos (weil sie unbestimmt ist), Tartaros, Jupiter, Form. Ebenso nannten sie die Dyas mit solchen Namen: die Materie, dann das Prinzip des Ungleichen, den Streit, das Erzeugende, Isis usf.
c) Die Trias ist dann vornehmlich eine sehr wichtige Zahl gewesen. Sie ist die Zahl, worin die Monas zu ihrer Realität, Vollendung gelangt ist. Die Monas schreitet fort durch die Dyas, und mit diesem unbestimmt Vielen wieder unter die Einheit verbunden, ist sie die Trias. Einheit und Vielheit ist auf die schlechteste Weise in der Trias als äußerliche Zusammensetzung vorhanden. So abstrakt dies hier auch genommen ist, so ist es doch eine höchst wichtige Bestimmung. Die Trias gilt dann im allgemeinen für das erste Vollkommene. Aristoteles sage von ihr61) : "Das Körperliche hat außer der Drei keine Größe mehr" (d. h. Dimension, qualitativ notwendige Größe, es ist durch die drei Dimensionen bestimmt); "daher auch die Pythagoreer sagen, daß das All und alles durch Dreiheit bestimmt ist" (absolute Form hat, τὸ παν ϰαὶ τὰ πάντα τοις τϱισὶν ὡϱισται). "Denn Ende, Mitte und Anfang hat die Zahl des Ganzen, und diese ist die Trias." Alles darunter bringen, ist oberflächlich, wie die Schemata in der neueren Naturphilosophie. "Daher wir auch, aus der Natur dies Gesetz (Bestimmung) aufnehmend, sie im Gottesdienst", in den Anreden der Götter "gebrauchen", so daß wir erst glauben die Götter ganz angeredet zu haben, wenn wir sie dreimal im Gebete angerufen, - dreimal heilig. "Zwei nennen wir beide, nicht aber alle (πάντας δʼοὐ λέγομεν); erst von Drei sagen wir alle. Was durch Drei bestimmt ist, ist das Ganze" (oder alles, παν). Das ist erst die Totalität. "Was auf die dreifache Weise, ist vollkommen geteilt (τιχῃδὲ ὀν διαιϱετὸν, πάντῃ διαιϱετόν): einiges ist nur in Eins" (abstrakte Identität), "anderes nur in Zwei" (nur Gegensatz), "dies aber ganz." Oder das Vollkommene ist Dreiheit: kontinuierlich, sich selbst gleich; ungleich teilbar, der Gegensatz ist darin, - und die Einheit hiervon, die Totalität dieses Unterschiedes; wie die Zahl überhaupt, aber an der Dreiheit ist dies wirklich. Die Trias ist tiefe Form.
Es ist nun begreiflich, daß die Christen in dieser Dreiheit ihre Dreieinigkeit gesucht und gefunden haben. Man hat ihnen oberflächlich dies bald übel genommen - als ob jene Dreieinigkeit über die Vernunft, ein Geheimnis wäre, also bald zu hoch, als die Alten sie gehabt, bald zu abgeschmackt -, aus dem einen oder dem anderen Grunde sie der Vernunft nicht näherbringen wollen. Wenn ein Sinn in dieser Dreieinigkeit ist, so müssen wir ihn verstehen. Es wäre schlecht bestellt, wenn keiner in etwas wäre, was zwei Jahrtausende die heiligste Vorstellung der Christen gewesen: wenn sie zu heilig, um herabgezogen zu werden, oder schon ganz aufgegeben wäre, so daß es gegen die gute Lebensart [wäre], einen Sinn darin suchen zu wollen. Es kann auch nur von dem Begriffe dieser Dreiheit die Rede sein, nicht von den Vorstellungen eines Vaters, Sohnes; natürliche Verhältnisse gehen uns nichts an.
Was nun diese Dreiheit ist, hat Aristoteles ganz bestimmt ausgesprochen; was vollkommen ist oder was Realität hat, hat es in der Dreiheit: Anfang, Mitte und Ende. Das Prinzip ist das Einfache, die Mitte sein Anderswerden (Dyas, Gegensatz), die Einheit (Geist) das Ende: Rückkehr seines Andersseins in diese Einheit. Jedes Ding ist α) Sein, Einfaches; β) Verschiedenheit, Mannigfaltigkeit; γ) Einheit beider, Einheit in seinem Anderssein. Nehmen wir ihm diese Dreiheit, so vernichten wir es, machen Gedankending daraus, Abstraktion.
d) Nach der Drei kommt die Tetras. Vier hat deswegen bei den Pythagoreern diese hohe Würde gehabt, weil sie Trias ist, aber auf entwickeltere Weise. Daß die Tetras für diese Vollendung galt, ist überhaupt oberflächlich; sie erinnert hierbei an die vier Elemente, die chemischen, die vier Weltgegenden (in der Natur ist vier vorhanden, durchgreifend); auch jetzt ist sie ebenso berühmt. Als Zahl ist sie die Vollendung der Dyas, die in sich zurückehrende Einheit, die Produktion der Dyas, des Gegensatzes, der sich potenziert, die Sichselbstgleichheit gibt. Die Zweiheit, die so prozediert, daß sie nur sich selbst zur Bestimmung hat, die Zweiheit mit sich selbst gleichgesetzt (d. h. mit sich selbst multipliziert), in die Einheit mit sich selbst gesetzt, ist Vierheit, das Quadrat von Zwei. Im Verhältnis zur Trias, - so ist sie in ihr enthalten. Die Trias ist α) Einheit, β) Anderssein und γ) deren Einheit. Anderes, Negatives, Punkt, Grenze ist nur für ein Moment gerechnet; aber seine Realität ist Zwei, der Unterschied, als gesetzt, ist Zwei, ein Gedoppeltes. Das Dritte ist die Einheit der Monas und der zwei Unterschiede; zählen wir dies, so sind es schon vier. Also ist Vier an der Dreiheit.
Die Tetras ist bestimmter als Tetraktys gefaßt worden, die wirksame, tätige Vier (von τέτταϱα, ἀγω), und diese ist nachher bei den späteren Pythagoreern die berühmteste Zahl geworden. Im Fragment eines Gedichts des Empedokles, der ursprünglich Pythagoreer war, kommt es vor, wie hoch im Ansehen diese Tetraktys gestanden62) :
... Wenn du dies tust, Dies wird auf den Pfad der göttlichen Tugend dich leiten; Ich schwör's bei dem63) , der unsrem Geist die Tetraktys gegeben, Die in sich der ew'gen Natur Quell hat und die Wurzeln.
e) Davon gehen die Pythagoreer nun gleich zur Zehn über, einer anderen Form dieser Tetras. Wie die Vier die vollendete Drei ist, so ist wieder diese Vierheit, vollendet, entwickelt - alle Momente derselben als reale Unterschiede, jedes Moment als eine ganze Zahl genommen (sonst ist jedes nur eins) - die Dekas, die reale Tetras. "Tetraktys heiße die Vollendung, welche die vier ersten Zahlen in sich enthält; 1 + 2 + 3 + 4 = 10." Die Realität, in der die Bestimmungen genommen sind, ist aber hier nur die äußerliche, oberflächliche der Zahl, kein Begriff. In Vier sind nur vier Einheiten; es ist ein großer Gedanke, sie nicht als Eins zu setzen. "Dies ist denn als Zahl wieder die vollkommenste." Tetraktys ist Idee, nicht sowohl als Zahl. "Wenn wir zu Zehn gekommen, betrachten wir sie wieder als Einheit und fangen von vorn an. Die Tetraktys, heißt es, hat die Quelle und die Wurzel der ewigen Natur in sich, weil sie der Logos des Universums, des Geistigen und Körperlichen ist."64) Es sagt ein Späterer, Proklos, aus einer pythagoreischen Hymne: "Die göttliche Zahl geht fort" (πϱόεισι, oben πεϱιπατειται),
Bis aus dem unentweihten Heiligtume der Monas Sie zur göttlichen Tetras kommt, die die Mutter von allem Zeugt, die alles empfing, die alte Grenze für alles, Unwendbar, unermüdlich; man nennt sie die heilige Dekas65) .
Der weitere Fortgang der Zahlen ist ungenügend. Was von den übrigen Zahlen gefunden wird, ist unbestimmter, und der Begriff verliert sich in ihnen. Bis fünf mag wohl in den Zahlen noch ein Gedanke sein, aber von sechs an sind es lauter willkürliche Bestimmungen.
38) M: Aristoteles, Metaphysik I, 5, passim
39) M: Metaphysik I, 6
40) M: § 46-47
41) M: § 48, 53
42) M: Sextus Empiricus, Pyrrhoniae hypotyposes III, 18, § 152; Adversus mathematicos X, § 250 - 251
43) *Metaphysik I, 5. Aristoteles ist kürzer, beruft sich darauf, daß er anderswo davon gesprochen. (Theon Smyrnaios, Mathem., c. 5, p. 30, ed. Bullialdi.)
44) M: Metaphysik XIII, 4
45) M: Aristoteles, Metaphysik I, 5
46) M: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos X, § 260-261
47) M: Metaphysik I, 6
48) M: Metaphysik, XIII, 5
49) M: Metaphysik I, 5
50) *Theon Smyrnaios, Mathem., c. 5, p. 30, ed. Bullialdi. (Aristoxenos bei Stobaios, Eclogae physicae, c. 2.) Besser: weil Eins 1. als arithmetisches Eins, ungerade, 2. Einheit, das Sichselbstgleiche, überhaupt Prinzip der Zahl ist.
51) M: Adversus mathematicos X, § 261-262
52) M: Metaphysik I, 6
53) M: Metaphysik I, 5
54) M: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos X, § 262
55) M: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos X, § 263-265
56) M: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos X, § 266-268
57) M: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos X, § 269-273
58) M: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos X, § 274-277
59) *Aristoteles sagt gegen die, welche die Ideen als Urbilder darstellen, sehr gut (Metaphysik I, 9): τὸ δὲ λέγειν παϱαδείγματα αὐτὰ εἰναι ϰαὶ μετέχειν αὐτων τἀλλα ϰενολογεινἐστὶ ϰαὶ μεταϕοϱὰς λέγειν ποιητιϰάς. τί γάϱ ἐστι τὸ ἐϱγαζόμενον πϱὸς τὰς ἱδέας ἀποβλέπον.
60) M: Metaphysik I, 5, 6
61) M: De coelo I, 1
62) M: Gnomicorum Poetarum opera: Vol. I, Pythagoreorum aureum carmen, ed. Glandorf: Fragm. I, 45-48; Sextus Empiricus, Adversus mathematicos IV, § 2
63) *dem Pythagoras
64) M: Sextus Empiricus, Adversus mathematicos IV, § 3; VII, § 94-95
65) M: Fabricius zu Sextus Empiricus, Adversus mathematicos (IV, § 3)
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